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Nervenarzt 2014 · 85:474–475 DOI 10.1007/s00115-014-4028-4 Online publiziert: 30. März 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 R. Weber1 · J. Grab1 · P. Berlit1 · C. Gaul2 1 Neurologische Klinik, Alfried Krupp Krankenhaus Essen 2 Migräne- und Kopfschmerzklinik Königstein „Cluster-like“-Kopfschmerz bei Dissektion der A. carotis interna nach Pilates-Training Entspannungsverfahren und regelmäßi- ge körperliche Aktivität werden zur Prä- vention und Therapie von Kopfschmerz- erkrankungen wie der Migräne oder des Kopfschmerzes vom Spannungstyp emp- fohlen und sind inzwischen zunehmend auch durch Studiendaten in ihrer Wirk- samkeit belegt [1]. Pilates, das von Joseph Hubert Pilates (1883–1967) entwickelt wurde, gehört in die Gruppe dieser als Präventionsleistung durch die Kranken- kassen anerkannten Gesundheits- und Bewegungsangebote. Es zielt als systema- tisches Ganzkörpertraining auf die Kräfti- gung der Muskulatur im Bereich des Rü- ckens, des Beckenbodens und des Bau- ches ab, bezieht auch Atemtechniken ein und soll auch die Bewegungskoordination verbessern [2]. Dass ein solches Verfahren auch die Ursache eines sehr seltenen sym- ptomatischen Kopfschmerzes sein kann, soll unser Fallbericht demonstrieren. Kasuistik Zur Aufnahme berichtete der 36-jährige Mann, bei dem seit der Jugendzeit eine episodische Migräne ohne Aura bestand, über einen 14 Tage zuvor nach unter An- leitung eines Kursleiters durchgeführten Pilates-Übungen mit starker Reklination des Kopfes erstmalig aufgetretenen, links- seitig ziehenden Nackenschmerz, der mit einem frontalen Kopfschmerz ebenfalls linksseitig einherging. Diese Schmerzen waren dauerhaft vorhanden und erreich- ten auf der nummerischen Ratingskala (NRS; 1–10) die Stärke 7. Durch die Ein- nahme von Analgetika verringerten sich diese Schmerzen nur kurzzeitig. Beglei- tend zu den Schmerzen bestanden we- der trigeminoautonome Symptome noch vegetative Symptome wie Nausea, Pho- to- oder Phonophobie. Er berichtete, seit Schmerzbeginn habe er auch ein leises pulssynchrones Ohrgeräusch links be- merkt. Am Aufnahmetag war dann erst- malig ein stechender links-frontaler Kopf- schmerz mit sehr starker Intensität (NRS 8–9), Schwellung und Rötung des linken Auges, Nasenkongestion und leichtem Naselaufen links aufgetreten. Klinisch-neurologisch bestand in der Aufnahmeuntersuchung ein Horner- Syndrom linksseitig. Der übrige Untersu- chungsbefund war unauffällig, insbeson- dere fand sich kein Anhalt für eine Bin- degewebserkrankung. Die Kopfschmer- zen besserten sich nicht auf eine probato- rische Sauerstoffinhalation. Duplexsonographisch ergab sich der Verdacht auf ein distales Strombahnhin- dernis im nicht beschallbaren Bereich der Arteria carotis interna linksseitig. Mag- netresonanz(MR-)tomographisch zeig- te sich eine Dissektion der linken A. ca- rotis interna (. Abb. 1). Frische Diffu- sionsstörungen oder andere pathologi- sche Befunde fanden sich im zerebra- len MRT nicht. Begonnen wurde darauf- hin eine Thrombozytenaggregationshem- mung mit Acetylsalicylsäure 100 mg/Tag. In der Kontrollduplexsonographie 6 Ta- ge nach der letzten trigeminoautonomen Kopfschmerzattacke stellte sich die A. ca- rotis interna links wieder mit einem un- auffälligen Strömungsprofil dar. Das puls- synchrone Ohrgeräusch links bestand zu diesem Zeitpunkt nicht mehr. Die trigeminoautonomen Kopf- schmerzattacken traten in der Folgezeit über insgesamt 26 Tage täglich mit einer Dauer von mehreren Stunden bis zu ma- ximal 24 h auf und sistierten dann spon- tan. Im weiteren Beobachtungszeitraum von jetzt 5 Monaten traten die trigemino- autonomen Kopfschmerzattacken nicht mehr auf, das Horner-Syndrom links hat sich vollständig zurückgebildet. Seit Sis- tieren der trigeminoautonomen Kopf- schmerzattacken war es zu sechs Migrä- neattacken ohne Aura- oder trigemino- autonome Symptome gekommen, die gut auf Ibuprofen ansprachen und mit Medi- kation maximal 5 h anhielten. Diskussion Clusterkopfschmerzen gehören in die Gruppe der seltenen trigeminoauton- omen Kopfschmerzerkrankungen. Diese primären streng einseitigen, meist perior- bitalen Kopfschmerzen sind durch zum Teil mehrfach täglich wiederkehrende At- tacken von 30–180 min Dauer mit beglei- tenden kranial autonomen Symptomen wie Augentränen, Naselaufen oder Na- senkongestion, Rötung und Schwitzen im Gesicht sowie Bewegungsunruhe gekenn- zeichnet [3]. Symptomatische Cluster- oder „Cluster-like“-Kopfschmerzen sind sehr selten und treten am häufigsten bei sellären oder parasellären Raumforderun- gen auf [4]. Da eine Unterscheidung zwi- schen einem primären und einem symp- tomatischen Clusterkopfschmerz rein kli- nisch nicht möglich ist, wird bei dieser Er- krankungsgruppe immer die Diagnostik 474 | Der Nervenarzt 4 · 2014 Briefe an die Herausgeber zum Ausschluss einer sekundären Form empfohlen [5]. In der Literatur wurden bisher weni- ger als 10 Patienten mit einem symptoma- tischen Cluster- oder „Cluster-like“-Kopf- schmerzes im Rahmen einer Dissektion der A. carotis interna beschrieben [4, 6, 7, 8, 9, 10, 11]. Wie bei unserem Patienten sis- tierten bei der Mehrheit der Betroffenen die Clusterkopfschmerzen nach Rückbil- dung des Wandhämatoms der A. carotis interna, ein gutes Ansprechen der Atta- cken auf Verapamil ist ebenfalls beschrie- ben worden [9]. Bei unserem Patienten entwickelte sich der „Cluster-like“-Kopf- schmerz allerdings erst mit einer Verzöge- rung von 2 Wochen nach dem mutmaßli- chen Auftreten der arteriellen Dissektion, davor war aber bereits ein für eine Dissek- tion eher als typisch beschriebener ein- seitiger Dauerkopf- und Nackenschmerz vorhanden. Die durch die Dissektion her- vorgerufenen Kopfschmerzen unterschie- den sich aber klar von dem bekannten episodischen Migränekopfschmerz, der auch nach Rückbildung des Wandhäma- toms wieder auftrat. Fazit für die Praxis F Die Anwendung von Pilates wird bei Gesunden und auch bei Patien- ten mit chronischen Rückenschmer- zen teilweise positiv bewertet [2, 12], aber auch dieses Verfahren zur Bewe- gungsschulung kann selten mit un- erwünschten Effekten einhergehen. F Teilnehmer sollten darüber informiert werden, dass sie sich in ärztliche Be- handlung begeben sollen, wenn im Anschluss an die Übungen unge- wohnte Schmerzen oder neurologi- sche Symptome auftreten. Korrespondenzadresse PD Dr. R. Weber Neurologische Klinik, Alfried Krupp Krankenhaus Essen Alfried-Krupp-Str. 21, 45131 Essen ralph.weber@krupp-krankenhaus.de Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt. R. Weber, J. Grab, P. Berlit und C. Gaul geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren. Literatur 1. Fritsche G et al (2013) Psychologische Therapie der Migräne. Schmerz 27:263–274 2. Cruz-Ferreira A et al (2011) A systematic review of the effects of pilates method of exercise in healthy people. Arch Phys Med Rehabil 92:2071–2081 3. Gaul C, Diener HC, Müller O (2011) Clusterkopf- schmerz: Klinisches Bild und therapeutische Optio- nen. Dtsch Arztebl Int 108:543–549 4. Favier I et al (2007) Trigeminal autonomic cephalgias due to structural lesions: a review of 31 cases. Arch Neurol 64:25–31 5. May A et al (2012) Clusterkopfschmerz und trige- minoautonome Kopfschmerzen. In: Diener HC, Weimar C (Hrsg) Leitlinien für Diagnostik und The- rapie in der Neurologie. Thieme, Stuttgart 6. Cittadini E, Matharus MS (2009) Symptomatic tri- geminal autonomic cephalalgias. Neurologist 15:305–312 7. Hardmeier M et al (2007) Dissection of the internal carotid artery mimicking episodic cluster heada- che. J Neurol 254:253–254 8. Razvi SS et al (2006) Cluster headache due to inter- nal carotid artery dissection.J Neurol 253:661–663 9. Godeiro-Junior C et al (2008) Internal carotid arte- ry dissection presenting as cluster headache. Arq Neuropsiquiatr 66:763–764 10. Tobin J, Flitman S (2008) Cluster-like headaches as- sociated with internal carotid artey dissection re- sponsive to verapamil. Headache 48:461–466 11. Candeloro E et al (2013) Carotid dissection mimi- cking a new attack of cluster headache. J Headache Pain 14:84 12. Wells C et al (2013) Effectiveness of Pilates exer- cise in treating people with chronic low back pain: a systematic review of systematic reviews. BMC Med Res Methodol 13:7 Abb. 1 8 Axiale T1-gewichtete, fettsupprimier- te Magnetresonanztomographie der Halsgefäße mit Darstellung des intramuralen Hämatoms bei der Dissektion der linken A. carotis interna. (Mit freundlicher Genehmigung: Klinik für Radiolo- gie und Neuroradiologie, Alfried Krupp Kranken- haus Essen, Prof. Chapot) 475Der Nervenarzt 4 · 2014 |
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