Logo Passei Direto
Buscar
Material
páginas com resultados encontrados.
páginas com resultados encontrados.
left-side-bubbles-backgroundright-side-bubbles-background

Crie sua conta grátis para liberar esse material. 🤩

Já tem uma conta?

Ao continuar, você aceita os Termos de Uso e Política de Privacidade

left-side-bubbles-backgroundright-side-bubbles-background

Crie sua conta grátis para liberar esse material. 🤩

Já tem uma conta?

Ao continuar, você aceita os Termos de Uso e Política de Privacidade

left-side-bubbles-backgroundright-side-bubbles-background

Crie sua conta grátis para liberar esse material. 🤩

Já tem uma conta?

Ao continuar, você aceita os Termos de Uso e Política de Privacidade

left-side-bubbles-backgroundright-side-bubbles-background

Crie sua conta grátis para liberar esse material. 🤩

Já tem uma conta?

Ao continuar, você aceita os Termos de Uso e Política de Privacidade

left-side-bubbles-backgroundright-side-bubbles-background

Crie sua conta grátis para liberar esse material. 🤩

Já tem uma conta?

Ao continuar, você aceita os Termos de Uso e Política de Privacidade

left-side-bubbles-backgroundright-side-bubbles-background

Crie sua conta grátis para liberar esse material. 🤩

Já tem uma conta?

Ao continuar, você aceita os Termos de Uso e Política de Privacidade

left-side-bubbles-backgroundright-side-bubbles-background

Crie sua conta grátis para liberar esse material. 🤩

Já tem uma conta?

Ao continuar, você aceita os Termos de Uso e Política de Privacidade

left-side-bubbles-backgroundright-side-bubbles-background

Crie sua conta grátis para liberar esse material. 🤩

Já tem uma conta?

Ao continuar, você aceita os Termos de Uso e Política de Privacidade

left-side-bubbles-backgroundright-side-bubbles-background

Crie sua conta grátis para liberar esse material. 🤩

Já tem uma conta?

Ao continuar, você aceita os Termos de Uso e Política de Privacidade

left-side-bubbles-backgroundright-side-bubbles-background

Crie sua conta grátis para liberar esse material. 🤩

Já tem uma conta?

Ao continuar, você aceita os Termos de Uso e Política de Privacidade

Prévia do material em texto

Die Welt mit anderen Augen sehen
G G
Die Welt mit anderen Augen sehen
G GAUSGABE 08 2017
SCHARFER BLICK 
Das unterirdische
Riesenmikroskop
Lob der 
Unver nu nft
Die Wissens chaf t von 
unsere n Schwächen. 
Und warum sie eigentlich 
unsere Stärken sind
Dieser Glanz 
 erfreut sogar 
die Umwelt.
Gewohnt streifenfreier Glanz – und gut zur Umwelt. 
Denn die 99,9 % natürlichen Inhaltsstoffe tragen 
zur Schonung von Ressourcen und Gewässern bei.
Jetzt informieren auf www.sidolin-pronature.de
Dieser Glanz 
 erfreut sogar 
die Umwelt.
NEU
Besuchen Sie uns auf facebook.com/geomagazin 
oder schreiben Sie uns: briefe@geo.de
Herzlich Ihr
Christoph Kucklick
Liebe Leserin, lieber Leser,
Ollie, ein Staffordshire-Terrier aus Australien, ist seit 
wenigen Wochen der berühmteste Hund der Wissen -
schaft. Das bernsteinfarbene, sanftäugige Tier ist 
Redaktionsmitglied von gleich sieben wissenschaftli-
chen Zeitschriften geworden. In dieser Position hat 
Ollie die Aufgabe, Studien zu bewerten und zu prüfen, 
ob sie einer Veröffentlichung würdig sind. 
Zu dieser Ehre hat Ollies Besitzer, ein Medizin -
professor aus Perth, seinem Hund verholfen. Er hatte 
Ollie mit einem gefälschten, aber höchst durchsich-
tigen Lebenslauf ausgestattet: Dr. Olivia Doll interes-
siere sich besonders für die „Vorteile des Bauchkrau-
lens bei mittelgroßen Caninen“ und die „Auswirkung 
von Skateboards auf das Bewegungsverhalten von 
Hunden“. Das Bild auf der Bewerbung zeigte die Pop- 
Sängerin Kylie Minogue. Die Zeitschriften akzeptier -
ten Ollie alias Dr. Doll ohne Bedenken. 
Der Professor bezweckte mit der Finte zweierlei. 
Er wollte zum einen die Einfältigkeit von Forschern 
im Allgemeinen entlarven und im Besonderen die 
Schamlosigkeit jener Zeitschriften, die den größten 
Mist veröffentlichen, wenn die Autoren dafür (viel) 
Geld bezahlen. Von solchen Magazinen gibt es leider 
immer mehr. 
Auch die Wissenschaft ist also nicht vor Däm -
lichkeit gefeit – jenem Phänomen, dem wir unsere 
Titelgeschichte widmen. Eine exakte Definition ist 
weder möglich noch nötig: Dummheit, Quatsch, Ese -
lei, Unvernunft – die Bezirke menschlicher Torheiten 
überlappen sich. 
Sie produzieren haarsträubende und oft schmerz -
haft komische Geschichten, wie Ute Eberle ab Sei-
die Evolution ein derart nachteiliges, nämlich zuwei-
len tödliches Verhalten nicht längst ausgerottet hat? 
Die Antwort ist Teil einer großen Umdeutung 
des Menschlichen, die wir zunehmend erleben: Statt 
uns selbst, wie es die Aufklärung vorgegeben hat, als 
„Homo rationalis“ zu deuten, als Spezies von überlege-
ner Gedankenleistung und hoher Rationalität, fassen 
wir uns zunehmend als irrationale, unberechenbare 
und höchst emotionale Wesen auf. Und suchen darin 
eine Neubestimmung dessen, was den Menschen be-
sonders macht. 
Das Hirn wird, so der GEO-Kolumnist und 
Neurowissenschaftler Henning Beck im zweiten Teil 
der Titelgeschichte (Seite 65), immer mehr als Feh-
aber genau deswegen höchst kreativ ist. Der Geist ist 
kein kühler Rechner, sondern ein heißer Chaot. Und 
darin liegt seine Stärke. 
Ob Ollie einer Studie mit diesem Inhalt seinen 
Segen geben würde, ist nicht bekannt. Auch größere 
Mengen Leckerlis konnten sie bislang nicht zu einem 
Kommentar bewegen.
Wenn Forschung 
vor die Hunde 
geht: Terrier Ollie 
macht unter 
dem Pseudonym 
Karriere als Experte 
für medizinische 
Fachpublikationen. 
Ein Beweis dafür, 
dass auch die 
Wissenschaft nicht 
gegen Dämlichkeit 
gefeit ist
August 2017
Ti
tel
fo
to:
 T
im
 D
od
d, 
Bi
ldb
ea
rb
eit
un
g: 
Jo
hn
 G
rev
e
Editorial
GEO 08 2017 3
 32 DER FRIEDENSSUCHER IN DER WÜSTE
Agadez, im Norden des Niger, ist Schnittpunkt 
für: Tuareg, Flüchtlinge, US-Soldaten, Ent-
wicklungshelfer. Der Bürgermeister versucht 
den Frieden zu wahren.
Von Michael Stührenberg 
und Christopher Pillitz
 52 TITELTHEMA: LOB DER TORHEIT
Dummheit scheint unausrottbar. Obwohl 
 Unvernunft oft genug böse Folgen hat. Aber 
übersehen wir vielleicht etwas? Hat törichtes 
Verhalten womöglich auch gute Seiten? 
Plus: Warum die Schwächen des Gehirns 
 unsere Stärken sind. 
Von Ute Eberle und Henning Beck
 70 GÄRTNER GEGEN GRABOWSKI
Der Maulwurf, ein schaufelhändiger Tunnel-
bohrer, ist der natürliche Feind des gepflegten 
Grüns. Ein Bericht von der Rasenfront. 
Von Andreas Wenderoth und Solvin Zankl
 82 TROTZ UND VORURTEIL
Vor 25 Jahren brannte in Rostock-Lichten-
hagen ein Asylbewerberheim. Wie gehen die 
Menschen dort heute mit der Geschichte um?
Von Christoph Dorner, Birte Kaufmann und 
Ina Schoenenburg
 116 REICH DER GEISTER
Seit Menschengedenken wird Japan von 
rätselhaften Fabelwesen, Göttern und 
Dämonen heimgesucht, vorzugsweise zum 
Wechsel der Jahreszeiten. 
Fotos von Charles Fréger
52
Wer improvisieren muss, kommt oft auf dumme Ideen. Vor solcher 
Torheit schützt auch hohe Intelligenz nicht unbedingt. In manch einer 
Situation verhalten sich gerade die Schlauen besonders närrisch
82
Heute dominieren Senioren 
in Rostock-Lichtenhagen. 
Doch 1992, im Jahr der 
Krawalle, war der Stadtteil 
voller junger, wütender 
Menschen
32
Seit Jahrhunderten gilt 
Agadez, die Stadt mit dem 
markanten Minarett aus Lehm, 
als Tor zur Sahara. Jetzt gerät 
die Hauptstadt der Tuareg 
in einen strategischen Fokus – 
hält der Frieden im Sahel?
GEO 08 20174
Inhalt
August 2017
 128 SUPERLATIV IM TIEFPARTERRE
In Hamburg geht dieser Tage das modernste 
und leistungsstärkste Mikroskop der Welt in 
Betrieb – nach acht Jahren Bauzeit und 
mehr als 1,2 Milliarden Euro Kosten. Doch 
der Aufwand für das European XFEL hat 
sich gelohnt: Erstmals können Forscher damit 
den Tanz der Atome beobachten. 
Von Jürgen Bischoff und Heiner Müller-Elsner
 12 KOSMOS
 Unterwegs in einer Sari-Fabrik in Indien, 
bei Tölpeln vor den Shetlandinseln, auf Java 
und bei Schlangenbändigern in Italien
 21 HORIZONTE
 In Indien lernen Großmütter, Solaranlagen zu 
bauen. Auf den Falklandinseln schützen 
Minen Pinguine, und in Berlin schwimmen 
Fische unter Tomaten
 80 FORUM
 Empathie? Gefährlich!, warnt Fritz Breithaupt 
 103 361°
 Macht Aberglaube unverwundbar? 
Warum entspannen uns Naturgeräusche? 
Entsteht Parkinson im Darm? Antworten 
auf diese und weitere Fragen 
 144 GEO TELEVISION
 „Seefeuer“ – eine berührende Dokumentation 
über das Leben auf Lampedusa
 146 WELTBÜRGER
 Diesmal: Shahin Tivay Sadatolhosseini aus 
Aachen, unterwegs in den Iran
 6 Unterwegs
 8 Resonanz, Leserservice
 115 Impressum, Fotonachweise
 140 GEO Erleben
 142 Die Welt von GEO
 145 Vorschau
»Nie den Mut verlieren, Neues 
auszuprobieren! Etwas zu 
machen, ist wichtiger, als es 
perfekt zu machen«
H I R N F O R S C H E R H E N N I N G B E C K , S E I T E 6 5
Klein, niedlich, nervig: Wenn der 
Maulwurf das Grün umgräbt, treibt er 
Gärtner zur Verzweiflung 
70
Auftritt der 
Maskierten: Sie 
kommen, um 
zu verführen, zu 
mahnen oder 
zu strafen. Und sie 
geben den 
Japanern Anlass 
zum Feiern
116
Der Beschleuniger- 
tunnel im European XFEL: 
Hier werden Elektronen 
fast auf Lichtgeschwindig -
keit beschleunigt
128
5
Im Herz der Laserkanone
 Wer komplizierte Forschung in einer 
Reportage einfangen will, braucht einen 
langen Atem. Drei Jahre begleitete GEO- 
Redakteur Jürgen Bischoff (unten links) 
den Bau des Röntgenlasers European 
XFEL, Fotograf Heiner Müller-Elsner 
(rechts) sogar doppelt so lang. Als sie sich 
mit Harald Sinn, einem der leitenden 
Physiker, jüngst im 3,4 Kilometer langen 
Forschungstunnel am Hamburger Stadt -
rand trafen, hatte Müller-Elsner dort im 
Lauf der Recherche bereits etwa 25 000 
Fotos geschossen. Über die Jahre war bei 
dem GEO-Teamauch der Respekt vor 
den Menschen gewachsen, die diesen Rie-
senapparat geplant haben. „Eine Technik 
zu installieren, die auf einer Länge von 
3,4 Kilometern millimetergenau passt: 
Das“, findet Heiner Müller-Elsner, „ist 
schon eine ungeheure Leistung.“ Seite 128
Das Auge der Bundeswehr wacht überall 
Wie zwei GEO-Reporter im Niger in den Fokus der Truppe gerieten 
 Bevor die GEO-Reporter Christopher Pillitz (vorn) und Michael Stühren -
berg ins Aïr-Gebirge reisten, hatten sie eine bemerkenswerte Begegnung. „Vor 
unserer Abfahrt saßen wir in Agadez in einem Restaurant“, erzählt Stührenberg. 
„Da trat ein Mann an unseren Tisch und sagte: ‚Wir sind auf der Suche nach 
 einem Deutschen, der in Begleitung eines Briten reist. Das können nur Sie sein.‘“ 
Der Mann, Oberstleutnant der Bundeswehr, war vom deutschen Nachrichten -
dienst in Burkina Faso alarmiert worden: Der deutsche Tourist wolle versuchen, 
auf eigene Faust ins Aïr zu gelangen. Weil schon mehrfach Weiße im Niger von 
Islamisten gekidnappt worden seien, herrsche nun Aufregung. Stührenberg 
konnte den Offizier beruhigen: Für die Fahrt der Reporter am nächsten Morgen 
stand eine doppelte Militäreskorte der nigrischen Armee bereit. Seite 32
Reporterglück: ein Sperrmüllmöbelstück 
 Reporter verbringen ihr halbes Leben in Hotels. Aber als 
GEO-Autor Christoph Dorner drei Monate in Rostock-Lich -
tenhagen leben wollte, um ein Porträt des Stadtteils zu recher-
chieren, suchte er sich eine Wohnung. Dorner brachte Matrat -
ze, eine rollbare Kleiderstange, Kleidung und Küchenutensilien 
im Gepäck mit. Ein einfaches, aber brauchbares Regal fand 
sich im Sperrmüll in der Rostocker Innenstadt. Einen Tisch 
bekam er von einer Nachbarin, die sich gerade von ihrem 
 Partner getrennt hatte – und alles aus der Wohnung warf, was 
sie an ihn erinnerte. Weil in seiner frisch sanierten Platten-
bauwohnung kein Internetkabel verlegt war, half eine andere 
Nachbarin mit ihrem Router-Passwort aus: Dorner war im 
Netz – und auch gleich im Stadtteil selbst vernetzt. Seite 82 
Unterwegs
GEO-Reporter auf Recherche
GEO 08 20176
1 Renault Captur Life ENERGY TCe 90: Fahrzeugpreis 4 14.329,– € inkl. Renault Flex Plus Paket 2 im Wert von 540 ,– €. Bei Finanzierung: Nach Anzahlung 
von 1.670,– € Nettodarlehensbetrag 12.659,– €, 24 Monate Laufzeit (23 Raten à 129,– € und eine Schlussrate: 9.692,– €), Gesamtlaufleistung 20.000 km, 
eff. Jahreszins 0 %, Sollzinssatz (gebunden) 0 %, Gesamtbetrag der Raten 12.659,– €. Gesamtbetrag inkl. Anzahlung 14.329,– €. Ein Finanzierungsangebot 
für Privatkunden der Renault Bank, Geschäftsbereich der RCI Banque S.A. Niederlassung Deutschland, Jagenbergstraße 1, 41468 Neuss. Gültig bis 
31.08.2017.
Renault Captur ENERGY TCe 90: Gesamtverbrauch (l/100 km): innerorts: 6,0; außerorts: 4,5; kombiniert: 5,1; CO 2
Renault Captur: Gesamtverbrauch kombiniert (l/100 km): 5,6–3,6; CO 2-Emissionen kombiniert (g/km): 127–95 (Werte nach Messverfahren VO 
[EG] 715/2007).
2 2 Jahre Renault Neuwagengarantie und 3 Jahre Renault Plus Garantie (Anschlussgarantie nach der Neuwagengarantie) für 60 Monate bzw. 50.000 km
ab Erstzulassung gem. Vertragsbedingungen. 3 Enthalten ist ein Renault Wartungspaket, welches alle Kosten der vorgeschriebenen Wartungsarbeiten 
für die Vertragsdauer (60 Monate bzw. 100.000 km ab Erstzulassung) gemäß Vertragsbedingungen umfasst. Gültig für Privat-/ und Kleingewerbe-
kunden, für Kaufanträge bis 31.07. 2017 . 4 Abb. zeigt Renault Captur Intens mit Sonderausstattung. Renault Deutschland AG, Postfach, 50319 Brühl.
Renault CAPTUR
SUV à la Renault
Der neue
0 % Finanzierung 1 inkl. 5 Jahren Garantie 2
5 Jahre Wartung gratis 3
A U S G A B E J U N I 2 0 1 7
Titelthema Drogen
 Ich kann bestätigen, dass die gele-
gentliche Einnahme von Drogen für einen 
Erwachsenen nach meinen Wissen keine 
negativen Begleiterscheinungen hat. Als 
Rucksackreisender in Asien habe ich in 
Nepal das Rauchen mit Lungenzug ge -
lernt, bin aber dennoch kein Raucher ge-
worden. Später habe ich auch versehent-
lich eine etwas zu große Menge Haschisch 
gegessen (ich hatte keine Erfahrung), bin 
aber in keiner Weise süchtig geworden. 
Dann auf Bali habe ich Pilze zu mir 
 genommen. Ein wunderschöner Rausch. 
Gern denke daran zurück. In Deutschland 
habe ich nie das Verlangen gehabt, es zu 
wiederholen. Nur muss ich dazu auch er-
wähnen, dass junge Menschen bei einem 
starken Drogenkonsum offenbar Schäden 
erleiden können. In Tanger traf ich mal 
eine junge Frau, die hatte starke Wahn-
vorstellungen, nachdem sie als 16-Jährige 
einen knappen Monat im Rif-Gebirge in 
Marokko gewesen war und dort jeden Tag 
ihren Rausch gehabt hatte.
Eckar t Tardeck , v ia E-Mai l
Warum heißt Zopf »Zopf«?
 Sie brauchen gar nicht weit herum in 
Fremdsprachen zu suchen. In der Schweiz 
war dieses Wort als Haarschopf mindes-
tens in den 1960er und 1970er Jahren gang 
und gäbe. Und zwar quer durch die Gene-
rationen. Wir sagten damals im Bündne -
rischen Schweizerdeutsch-Dialekt: „Läck, 
hät da an Zopf!“ Ins Deutsche übersetzt: 
„Junge, Junge, hat der Haare!“ beziehungs-
weise „eine Mähne!“ oder „einen Haar-
schopf!“ Es ging dabei immer um die 
damals moderne wallende Hippie-Haar -
pracht und wurde vor allem auf Männer 
angewandt. Deren langes Haar war ja da-
mals völlig neu! Da diese Haarmode, wie 
für Mode üblich, gelegentlich verschwand, 
verschwand auch das Wort wieder. 
Br ig i t ta Helena F ischbacher , v ia E-Mai l
 Zum Beitrag über das Stottern eine 
Anmerkung und Frage. Ich vermisste dar-
in eine Beschäftigung mit folgendem Phä-
nomen: Man kann einen Text lesen, als ob 
man einen Vortrag hält, also durchaus mit 
Betonungen, Verzögerungen, bewusst ein-
gesetzten Pausen, um ein Publikum zum 
Nachdenken zu bewegen. Ja, auch Melo-
dien sind möglich – alles ohne einen 
Sprachmuskel zu bewegen und sich selbst 
durch den Ton des laut Gesprochenen 
quasi selbst zu kontrollieren oder dem 
Wort seinen Weg zu bahnen (wie im Text 
angedeutet, könnte eine winzige Zeitver-
zögerung zwischen Hören und Sprechen 
A U S G A B E M A I 2 0 1 7
Thema Stottern
 Danke, Vivian Pasquet und Olaf Ble-
cker, für den wunderbaren Artikel über das 
Stottern, das war Balsam für meine Seele. 
Ich fand mich sofort wieder in ihren Wor -
ten und Wahrnehmungen. Mein Stottern 
begann mit acht Jahren und wurde damit 
abgetan, dass eine Tante auch ziemlich 
heftig stotterte. Ein ganzes Leben „trick -
sen“ ist wirklich ziemlich anstrengend und 
mit sehr vielen Ängsten verbunden. Sogar 
geprügelt habe ich mich, weil ein Nach-
barsjunge mich hänselte wegen des Stot-
terns. Dafür bekam ich noch Strafe oben-
drauf. Im Laufe der Zeit entwickelte ich 
Witz und Charme, um vom Stottern ab -
zulenken. Die Bilder zeigen, wie einzigar-
tig schön 800 000 Menschen in Deutsch -
land sein können ...
Chr is ta Diedr ich , v ia E-Mai l
 Ihr Artikel hat mir sehr gefallen. 
Habe mich sehr oft darin wiedergefunden. 
Ich habe 1987 nach dem Abitur ein halbes 
Jahr stationäre Therapie nach dem Mon -
terey Fluency Program gemacht und hin -
terher auch nie wieder öffentlich so gespro- 
chen. Das Einzige, was half, war meine 
Ertaubung zehn Jahre später. Keine Sym-
ptome mehr! Als ich dann Cochlea-Im -
plantate bekam, kamen aber auch die 
Symptome wieder. Na ja, man kann nicht 
alles haben.
Ral f Janowsky, v ia Facebook
»Ich danke Ihnen für das ansprechende 
Titelbild der Juni-Ausgabe. Ich bin für 
die Legalisierung von Hanf! In Israel 
wird Hanf aus medizinischen Gründen 
schon in Seniorenheimen eingesetzt« 
M I C H A E L A W A L T E R , V I A E - M A I L
Drogen wie Hanf sind auch Heilpflanzen. 
Daher kämpfen Ärzte gegen das Totalverbot
GEO 08 2017
Resonanz
Ihre Briefe und E-Mails an GEO
8
Dienstreise Für die,die anders ticken.
ProMare Chronograph
Wir von Nautische Instrumente Mühle-Glashütteticken ein klein bisschen 
anders: Ein matschiger Waldweg, zwei Räder unterm Hintern, drei Kilometer 
Abstand zur nächsten Straße – das klingt für uns nach der idealen Dienstreise. 
Geht es Ihnen manchmal auch so? Genau deshalb fertigen wir Armbanduhren, 
die dies alles mitmachen.
Besuchen Sie unsere Webseite unter:
www.muehle-glashuette.de
G E O L E S E R S E R V I C E
A B O N N E M E N T - U N D 
E I N Z E L H E F T B E S T E L L U N G
ANSCHRIFT:
GEO-Kundenservice, 20080 Hamburg 
E-Mail: geo-service@guj.de
PERSÖNLICH ERREICHBAR:
Mo. bis Fr. 7.30 bis 20.00 Uhr, 
Sa. 9.00 bis 14.00 Uhr
TELEFON INNERHALB D:
040 / 55 55 89 90
Telefon außerhalb D: +49-40 / 55 55 89 90 
Telefax: +49-1805 / 861 80 02*
GEO-KUNDENSERVICE:
www.GEO.de/kundenservice
PREISE JAHRESABONNEMENT: 
90 € (D) | 99 € (A) | 156 sfr (CH) 
Preise für weitere Länder auf Anfrage erhältlich
B E S T E L L U N G V O N G E O - D V D S , 
K A L E N D E R N , B Ü C H E R N E T C .
GEO-Kundenservice, 74569 Blaufelden 
Hotline-Telefon: 040 / 42 23 64 27 
Hotline-Telefax: 040 / 42 23 66 63 
E-Mail: guj@sigloch.de
F R A G E N A N D I E R E D A K T I O N
Telefon: 040 / 37 03 20 73 
Telefax: 040 / 37 03 56 48 
E-Mail: briefe@geo.de
* 0,14 Euro/Min. aus dem deutschen Festnetz
Bevölkerung bei. GEO sollte unbedingt 
auch in Schulen als Unterrichtsmaterial 
ver wendet werden! Übrigens: Das verbrei-
tete Schädlingsbekämpfungsmittel Lizetan 
von Bayer darf noch immer als „nicht bie-
nengefährlich“ beworben werden – obwohl 
es Thiacloprid, ein Neonicotinoid, enthält. 
Bayer klagte sogar gegen den Umweltver-
ein BUND auf Unterlassung der Bezeich -
nung ihrer Produkte als „bienengefährlich“ 
– und verlor. Unglaublich, wie ein Konzern, 
geleitet von marktwirtschaftlichen Inter-
essen, so kurzsichtig agieren kann. 
Sebas t ian S teh le , v ia E-Mai l 
eine Ursache für das Stottern sein). Wie 
funktioniert dieses innerliche Sprechen bei 
einem Stotterer? 
Chr is t ian Hol land , v ia E-Mai
Anmerkung der GEO-Redakteurin 
Vivian Pasquet: „Gedanken stottern glück- 
licherweise nicht – Vorträge still einzu-
üben gelingt Stotternden deshalb fließend. 
Selbst laute Selbstgespräche sind möglich. 
Ein Hinweis darauf, dass Sprechen 
manchmal leichterfällt, wenn die Anfor-
derungen niedriger sind.“
Wald
 Nach Fichten-Monokulturen schaf -
fen wir nun Rotbuchen-Monokulturen. 
Der ALB (Asiatische Laubholzbockkäfer), 
mit Verpackungsholz als blinder Passagier 
aus China eingeführt, wird noch als Qua -
rantäne-Schädling eingestuft. Dort, wo er 
gesichtet wird, wird alles entlaubt. 
Fr i tz Ponschab , Wet t s te t ten
A U S G A B E M Ä R Z 2 0 1 7
Insektensterben
 Etwas verspätet möchte ich mich 
noch für den ausgezeichnet recherchierten, 
gut geschriebenen (und bebilderten!) Ar-
tikel über das wichtige Problem des Insek-
tensterbens bedanken. Im Vergleich zu 
inzwischen weit bekannten Bedrohungen 
wie Atomkraft und CO 2-Emissionen fris-
ten die Neonicotinoide wohl noch immer 
ein mediales Schattendasein. GEO trägt 
durch kritischen, fundierten Qualitätsjour -
nalismus immer wieder zur Aufklärung der 
An einem stürmischen Maitag gelang Leonhard von 
Guggenberg aus Oberbozen diese stimmungsvolle Aufnahme 
vom Völser Weiher in Südtirol. Mitmachen: geo.de/leserfoto
»Ines Possemeyers Artikel über den 
Wanderalbatros hat mich sehr berührt. 
Wundervoll geschrieben!«
J O H A N N A S T O L L , V I A E - M A I L
GEO 08 201710
DAS LESERFOTO DES MONATS
www.comdirect.de
Millionen Deutsche 
sparen ihr 
Erspartes kaputt
Zeit, das zu ändern. 
Mit cominvest, dem digitalen Anlageservice von comdirect.
• Klassisches Sparen hat ausgedient – legen auch Sie Ihr Geld in 
Wertpapieren an
• Mit cominvest unterstützen wir Sie – von der Vorauswahl der 
Wertpapiere bis hin zur kompletten Betreuung Ihrer Geldanlage
• Schnell, einfach und bequem online
Informieren Sie sich unter: 
www.deutschland-bankt-neu.de
GEO 08 201712
KOSMOS
Die Welt in Bildern
Unterwegs in einer indischen Sari-Fabrik, bei Tölpeln vor den Shetlandinseln, 
am Vulkan Bromo auf Java und bei Schlangenbändigern in Italien
I N D I E N
Im Griff
 800 Meter lang sind 
die Stoffbahnen dieser 
Sari-Manufaktur in Sanganer 
im indischen Bundesstaat 
Rajasthan. Damit sie nach 
dem Färben trocknen können, 
werden sie in Schlaufen über 
ein mehrere Meter hohes 
Gestell aus Bambus gehängt. 
Später werden sie zu Tüchern 
von etwa sechs Meter Länge 
zerschnitten: Viele Frauen 
in Indien tragen Saris noch 
heute als Alltagsgewand
13
GEO 08 201714
S C H O T T L A N D
Sturzflug ins 
Getümmel
 Wenn sich Basstölpel 
auf der Jagd nach Fisch ins 
Meer stürzen, erreichen 
sie Geschwindigkeiten von bis 
zu 100 Stundenkilometern. 
Der britische Meeresbiologe 
smith studierte das Verhalten 
der Meeresvögel fünf Jahre 
lang. Nur mit viel Geduld 
und Glück gelang ihm diese 
Nahaufnahme einer Gruppe 
von Tölpeln im Streit um 
Futter – unter Wasser vor 
den Shetland inseln 
15
16
I N D O N E S I E N
Im Schatten des 
Feuers
 Einmal im Jahr 
erklimmen Einheimische den 
Kraterrand des Vulkans 
Bromo auf der Insel Java: 
Zum Yadnya Kasada, einem 
hinduistischen Opferfest, 
werfen sie Reis, Früchte, Tiere 
und Geld in den Schlund des 
Vulkans, um die Götter zu 
besänftigen. Dennoch brach 
der Bromo 2016 über raschend 
aus und schickte seine Asche 
mehr als 1000 Meter hoch 
in den Himmel. Immerhin: In 
Gefahr geriet dabei niemand
GEO 08 2017 17
I T A L I E N
Geliebte Nattern
 Für eine Prozession 
tragen die Bewohner des 
italienischen Ortes Cocullo 
Schlangen herbei, um 
damit die Statue des heiligen 
Dominikus zu behängen. 
Er gilt in den Abruzzen als 
Schutzpatron der Bauern 
und Schäfer, angeblich soll 
er einen Drachen bezwun- 
gen haben. Jedes Jahr im 
Mai ehren ihn die Menschen 
daher mit einem Schlan -
genfest. Danach werden die 
Tiere wieder ausgesetzt
GEO 08 201718
19
Jetzt im Handel.
Das Extra für besondere Reisen. 
Aktualisierte 
Neuauflage
 Die Kinder tragen den roten Stern 
auf der Mütze, singen patriotische Lieder 
und heben beim Fahnenappell die Faust 
nas eröffnen „Rote Armee Schulen“. Dort 
werden Grundschüler im Sinne der kom
munistischen Führung ausgebildet: Sie 
erhalten Unterricht in „Roter Kultur“.
Landesweit gibt es bereits mehr als 
200 dieser Schulen. Kinder lernen dort, 
stolz auf ihr kommunistisches Erbe zu 
sein. Dazu studieren die Grundschüler die 
Geschichte der chinesischen Volksbefrei
ungsarmee: Während des sogenannten 
Langen Marsches flohen in den 1930er 
Jahren kommunistische Kämpfer vor den 
nationalistischen Truppen Chinas. Inner
halb eines Jahres legten sie 12 000 Kilo
meter durch unwegsames Gelände zurück. 
Etwa 90 Prozent der Soldaten starben 
oder desertierten bei den Gewaltmärschen.
Dem späteren Diktator Mao Zedong 
ebnete der Lange Marsch den Weg an die 
Macht. In den Rote Armee Schulen wird 
die verlustreiche Militäroperation zum 
Heldenmythos verklärt: Kinder feiern die 
Soldaten in Gedichten und Aufsätzen.
Vor zehn Jahren entstanden die ersten 
dieser Schulen, gegründet meist von Nach 
fahren der damaligen Kämpfer; oft Mit
glieder der oberen Politkaste. Sie wollen, 
in einer Zeit der rasanten Modernisierung 
des Landes, die Erinnerung wachhalten an 
die Entbehrungen.
C H I N A
Kleine Kinder, 
großer Führer
Ganz alte Schule: In China 
lernen Grundschüler, stolz auf ihr 
kommunistisches Erbe zu 
sein – an eigens dafür eröffneten 
Rote-Armee-Schulen
Für die Schüler sei 
der »Geist der Roten 
Armee« ein echter 
Gewinn, sagt ein Schul- 
leiter: »Er lehrt sie, 
hart zu arbeiten und 
genügsam zu sein«
GEO 08 2017
Horizonte
Unterwegs inder Welt
21
 Frischer Tilapia? In Berlin kein Pro-
blem. Dort kommt der Speisefisch bereits 
wenige Stunden nach seinem Fang in die 
Kühltheken der Stadt. Denn der Bunt -
barsch stammt aus einer Aquafarm, die im 
Zentrum der Metropole belegen will, dass 
sich Fischzucht auch nachhaltig gestalten 
lässt: Die Öko-Farm im Bezirk Schöne -
berg produziert nicht nur 30 Tonnen Fisch 
pro Jahr, sondern düngt mit den Ausschei-
dungen der Tiere auch noch die Beete des 
firmeneigenen Gewächshauses. Darin ge-
deihen Tomaten, Kräuter und Salat.
Aquaponik heißen derartige Farmsys-
teme: Fischzucht und Gemüseanbau wer -
den dort parallel betrieben. Spezielle Filter, 
die mit Bakterien besetzt sind, reinigen 
dabei das Brauchwasser der Tiere und 
wan deln deren Ausscheidungen in Pflan-
zendünger um. Das gereinigte Wasser 
fließt zurück zu den Fischen in die Becken. 
Der Bedarf an Frischwasser wird so 
drastisch gesenkt: Forscher des Leibniz- 
Instituts für Gewässerökologie und Bin-
nenfischerei haben eine Anlage entwickelt, 
die täglich nur drei Prozent des Wassers 
ersetzen muss – weltweit ist sie damit 
technisch führend. Gleichzeitig schonen 
die neuen Fischfarmen die Natur, weil sie 
keinen Tierkot mehr in die Umwelt ablei -
ten. Klassische Aquakulturen gelten auf-
grund ihres Abwassers dagegen als ökolo-
gisch bedenklich.
Städte und Kommunen anderer Län -
der holen sich Rat bei den Entwicklern in 
Deutschland: Ähnliche Fischfarmen ent -
stehen nun zum Beispiel auch in China, 
Belgien, der Schweiz und Spanien.
Angeln und Ernten unter einem Dach
Aquafarmen gelten als Dreckschleudern in Meeren und Flüssen. Doch nun entstehen in immer mehr 
Großstädten nachhaltige Anlagen: Sie produzieren nebenbei auch noch Gemüse
 Ab sofort haben viele südkoreanische Supermarktkunden 
die Wahl: Sie können sich ihr Wechselgeld in barer Münze 
auszahlen oder den entsprechenden Betrag auf Prepaid-Karten 
buchen lassen – mit denen können sie dann zum Beispiel 
Tickets im öffentlichen Nahverkehr lösen. 
Ist das Pilotprojekt, das bisher nur in ausgewählten Märk-
ten läuft, erfolgreich, will die koreanische Zentralbank auch 
Wechselgeldbuchungen direkt auf private Bankkonten zulas-
sen. Laut einer Umfrage der Zentralbank tragen zwei Drittel 
der Südkoreaner ohnehin kein Kleingeld mehr am Körper, 
zudem unterstütze die Hälfte der Befragten die komplette 
Abschaffung aller Münzen.
S Ü D K O R E A
KLEINGELD? SO GUT WIE 
ABGESCHAFFT
Die südkoreanische Nationalbank will alle Münzen 
abschaffen. Gezahlt wird mit ihnen sowieso kaum noch
Die Produktion der Münzen kostet den südkoreanischen 
Staat pro Jahr umgerechnet etwa 42 Millionen Euro. Dieser 
Aufwand stehe nicht im Verhältnis zum Gegenwert der Mün -
zen, so die Nationalbank. Die kleinste koreanische Münze ist 
zehn Won wert, etwa 0,008 Eurocent. Und der kleinste korea -
nische Schein entspricht nur knapp acht Eurocent.
Nur noch Spielgeld? Kinder in Seoul zwischen 
Riesenplastikmünzen
Nachhaltig und vorbildlich: Fischzucht 
und Tomatenanbau in einem
GEO 08 2017Horizonte22
N A C H H A L T I G K E I T
* One-way Komplettpreis inkl. Steuern und Gebühren. 
Condor Flugdienst GmbH, Condor Platz, 60549 Frankfurt am Main
ab
€ 27999 *
nonstop
Der Flug
der 
Karibik.
Wenn fliegen, dann besonders.
 Mit 150 Stundenkilometern in die Kurve: Wer zum ersten Mal 
Bilder von einem Drohnenwettkampf sieht, dem wird schwindelig. 
Die kleinen Fluggeräte haben einen Parcours zu meistern, der aus 
engen Gängen, steilen Schächten und überraschend auftauchenden 
Hindernissen besteht. Spektakuläre Crashs gehören mit zur Show. 
Drohnenrennen entwickeln sich zum Massensport. Ende Juli 
wird das Finale der Weltmeisterschaft aus London in 75 Länder über- 
tragen. Online oder am Fernsehgerät verfolgten im vergangenen Jahr 
73 Millionen Menschen allein die Wettkämpfe der Drone Racing 
League, der ersten Profiliga für Drohnenpiloten. Sie wurde vor zwei 
Jahren in den USA als Privatunternehmen gegründet und vermark -
tet seitdem die neue Sportart als globales Medienereignis.
 Die Drohnen werden eigens für die Rennen entwickelt und 
sind besonders bruchfest. Kameras liefern Flugvideos in HD-Qua -
lität für die Zuschauer. Dem Piloten am Boden senden sie Live-Auf -
nahmen in geringerer Auflösung auf spezielle Brillen.
 Nun will das Unternehmen Wettkampfdrohnen für Kinder 
entwickeln – so wäre auch für Nachwuchssportler gesorgt.
U S A
JETZT AUCH FÜR PROFIS: 
DROHNENRENNEN
Millionen Fans verfolgen Wettkämpfe der Mini-Fluggeräte
Nur an der Farbe zu 
unterscheiden: In der 
Drohnenliga treten 
alle Piloten mit iden- 
tischen Modellen an
 Auf den ersten Blick erinnert die 
Szene an eine Schneiderei; allerdings 
halten die Frauen Lötkolben, Zangen, 
Drähte und elektronische Schaltkrei
se in den Händen – denn sie werden 
gerade in einer Zukunftstechnologie 
des 21. Jahrhunderts geschult. 
sthan im Nordwesten Indiens lernen 
Frauen aus der ganzen Welt jeweils 
sechs Monate lang, wie man Solarmo
dule installiert und wartet. 
Mit diesem Wissen sollen sie an
schließend ihre Familien und Gemein 
den mit günstigem Strom versorgen, 
I N D I E N
SOLAR 
FÜR DIE 
WELT 
In einem Bildungszentrum 
in Rajasthan lernen arme 
Frauen aus aller Welt, 
Solar anlagen zu montieren . 
Das bewirke mehr, als 
Ingenieure in die Provinz zu 
schicken, gl a ubt man dort
unabhängig von staatlicher Infrastruk
tur. Oder, wie es in der Selbstbeschrei
bung des Colleges heißt: „Wir bilden 
Frauen aus, die Licht und Bildung in 
ihre Dörfer tragen.“
Gegründet wurde das Zentrum 
für Sozialarbeit und Forschung, wie 
sein offizieller Name lautet, bereits vor 
45 Jahren. Zu Beginn lag der Fokus 
noch auf Techniken der Wasserversor
2
1
3
1 Eine Frau baut einen elektrischen Schaltkreis zusammen
2 Konsequent bis ins Detail: Im »Barefoot College« wird 
ausschließlich mit Sonnenenergie gekocht
3 Aus diesem Klotz soll ein Solar-Backofen entstehen
GEO 08 2017Horizonte24
ERLEBEN SIE DIE ARKTIS
IN JEDEM STECKT EIN ENTDECKER
Jetzt gratis Katalog bestellen: www.hurtigruten.de/kataloge
Hurtigruten GmbH · Große Bleichen 23 · 20354 Hamburg
— Und Spitzbergens 
wahre Herrscher.
der norwegischen 
Arktis. Begegnen Sie ihrem König: 3.000 Eisbären 
leben hier – mehr als es Menschen gibt. Erleben Sie die 
Natur so nah wie möglich, an Bord von Hurtigruten, 
Willkommen an Bord!
hu
tte
rst
oc
k
gung. Sein Erfinder, der indische Bil-
dungsaktivist Sanjit „Bunker“ Roy, 
möchte „mit dem College zeigen, wie 
öffentliche Bildungseinrichtungen an 
Bedürfnissen der Menschen vorbei 
arbeiten“, sagt der heute 71-Jährige. 
Denn es genüge nicht, ausschließ-
lich Eliten auszubilden, die ihren Hei -
matländern womöglich den Rücken 
kehrten. Stattdessen müsse man auch 
einfache Menschen in die Lage ver-
setzen, sich selbst zu helfen.
Deswegen setzt das Barefoot Col-
lege auf eine niedrigschwellige Aus-
bildung: Unterrichtet wird in erster 
Linie in Zeichensprache, das soll 
Sprachbarrieren überwinden. Teilneh-
men können Frauen jeden Alters. So 
haben seit den 1990er Jahren auch 
rund 150 Großmütter aus 28 Ländern 
die Solar-Trainings durchlaufen. Die 
Stipendien der Frauen werden unter 
anderem von der indischen Regierung 
übernommen. Insgesamt sind durch 
das Projekt bereits 1300 Dörfer mit 
Solaranlagen versorgt worden.
Dass er ausschließlich Frauen 
ausbilde, hat einen Grund, verrät Bun-
ker Roy: Männer seien rastlos. Sobald 
sie einen Abschluss in der Hand hiel-
ten, wollten sie ihr Dorf verlassen und 
einen Job in der Stadt finden. Frauen 
dagegen seien eher geneigt, die Pro-
ble me vor Ort zu lösen. Fo
tos
: J
or
di 
Pi
za
rro
4
5
4 Sechs Monate dauert die Ausbildung; unterrichtet wird 
per Handzeichen – das überwindet Sprachbarrieren5 Nach der Ausbildung sollen die Frauen in ihren Dörfern 
Solaranlagen konstruieren und selbstständig warten
GEO Vorteilsabo
Christoph Kucklick, 
Chefredakteur GEO
Von großen Veränderungen und kleinen Visionen.
Jetzt GEO frei Haus lesen oder verschenken und attraktive Vorteile sichern.
GEO ist Deutschlands größtes Reportage-Magazin: 
neugierig und offen, berührend und engagiert. Sehen 
Sie die Welt mit anderen Augen.
Herzlichst 
Ihr
WUNSCH-PRÄMIE ZUR WAHL 
Zur Begrüßung als Dankeschön.
JEDERZEIT KÜNDBAR 
Nach Ablauf des 1. Jahres.
BEQUEM 
Kostenlose Lieferung nach Hause.
EXKLUSIVE RABATTE 
Nur für unsere Abonnenten:
 – eUpgrade: Unterwegs digital lesen, 
für nur 1,– € pro Ausgabe zusätzlich. 
Mehr unter www.geo.de/eUpgrade
 – GEOcard: Bis zu 50 % Ersparnis 
bei allen GEOcard-Partnern unter 
www.geo-card.de
 – GEO-Welt: 10 % Ersparnis auf alle 
GEO-Wandkalender u. v. m. unter 
www.geo.de/rabatte
Dies ist ein Angebot der Gruner + Jahr GmbH & Co KG, Am 
Baumwall 11, 20459 Hamburg. Belieferung, Betreuung und 
Inkasso erfolgen durch DPV Deutscher Pressevertrieb GmbH, Nils 
Oberschelp (Vorsitz), Christina Dohmann, Dr. Michael Rathje, Am 
Sandtorkai 74, 20457 Hamburg, als leistenden Unternehmer.
+
+
+
+
online mit noch mehr Angeboten: 
www.geo.de/abo
per Telefon (bitte die Bestell-Nr. angeben): 
selbst lesen: 159 8607 / verschenken: 159 8608 / als Student lesen (exkl. Prämie): 159 8609
+ 49 (0) 40 / 55 55 89 90
1 Jahr GEO-Magazin für nur 90,– € bestellen – Karte abschicken oder 
PRÄMIE 
zur Wahl
2. GEO-Bestseller
Informativ und spannend.
• „Die Heilkraft der Sonne“
• „Zucker – der süße Konfliktstoff: Wie gefährlich ist er?“
Ohne Zuzahlung
4. Wetterstation „Frame“
Das Wetter auf einen Blick. 
• Uhr, Alarmfunktion, Hygro- und Thermometer
• Mit massivem Echtholzrahmen 
• Maße: ca. 30 x 14,5 x 4,5 cm
Zuzahlung: nur 1,– €
5. HALFAR Rucksack „Urban“, dunkelblau
Moderner Notebook-Rucksack in coolem Design.
• Gepolstertes Hauptfach
• Praktische Vortasche und 2 flache Einsteckfächer
• Maße: ca. 32 x 41 x 15 cm
Zuzahlung: nur 1,– €
3. Schraubendreher-Set, 49-teilig
Ideal für jeden Heimwerker. 
• Inhalt: 4 Kreuzschlitzschraubendreher, 4 Schlitz -
schraubendreher, 8 Feinmechaniker-Schrauben- 
dreher, 1 Bitadapter und 32 Bits
Zuzahlung: nur 1,– €
DANGER
MINES
 Es war ein kurzer Krieg – mit dra-
matischen Folgen. Am 2. April 1982 be-
setzten argentinische Truppen die Falk-
landinseln; nach nur 74 Tagen eroberte 
Großbritannien den Felsenarchipel vor der 
Küste Argentiniens zurück. 
Da waren 907 Menschen tot. Außer -
dem hatte das argentinische Militär mehr 
als 20 000 Landminen auf den Inseln ver -
graben, um die Gegenoffensive der Briten 
zu verschleppen. Weil viele der Spreng- 
sätze noch immer scharf sind, bleibt der 
Krieg bis heute sichtbar. Einige Küsten-
abschnitte sind seit 35 Jahren abgesperrt 
und für Menschen nicht zugänglich.
Das soll sich ändern. Experten aus 
Simbabwe haben im Auftrag der briti -
schen Regierung seit 2009 bereits gut 
sieben Quadratkilometer von den Minen 
befreit. In einigen Jahren sollen mehr als 
70 Sperrzonen vollständig geräumt sein. 
Doch jetzt regt sich Protest gegen die 
bereits angelaufene „Phase 5“ der Räu-
mung – von Naturschützern.
Denn aus einigen der Kriegsgebiete 
von einst sind mittlerweile faktisch Natur-
reservate geworden. Als besonderes wert-
volles Ökosystem gilt ausgerechnet jener 
Küstenabschnitt, an dem die argentini-
schen Truppen einst zuerst landeten: In 
der Yorke Bay wachsen wieder viele der 
auf den Inseln ursprünglich heimischen 
Pflanzen. Außerdem verbringen seit Jahr-
zehnten Kolonien von Magellan- und 
Eselspinguinen die Sommermonate in der 
Bucht. Ihr Gewicht von höchstens 7,4 Ki-
logramm reicht nicht aus, um die Minen 
zur Detonation zu bringen. 
In deren Schutz sind die Pinguin-Po -
pulationen auf Rekordzahlen angewachsen. 
Nun könnte der Lebensraum der Vögel 
durch die Minenräumung zerstört werden. 
Da müsse man abwägen, findet Paul 
Brickle, Direktor des South Atlantic Envi-
ronmental Research Institute: „Was würde 
es bringen, wenn man diese Minen heute 
entfernt?“
Zwar ist kein Zivilist je durch eine der 
Minen verletzt worden. Und den rund 
3000 Bewohnern der Inseln wäre es auch 
lieber, die Sprengsätze blieben, wo sie sind. 
Das behauptet jedenfalls eine Abgeordne-
te des Lokalparlaments. Aber mit ihrem 
Beitritt zum Abkommen von Ottawa hat -
te sich die britische Regierung 1997 ver-
pflichtet, alle Minen auf ihren Territorien 
zu räumen. 
Die Folgen einer Räumung wären 
gravierend. Weil viele Sprengkörper nicht 
mehr exakt dort liegen, wo die Argentinier 
sie auf ihren Karten einst eingezeichnet 
hatten, müsste die gesamte Dünenland -
schaft vielleicht sogar mit gepanzerten Ma- 
schinen umgegraben werden. Dann wäre 
das Ökosystem zerstört – und der Krieg 
hätte die Bucht nach über 30 Jahren doch 
noch in ein Trümmerfeld verwandelt.
F A L K L A N D I N S E L N
PARADIES IM 
MINENFELD
In gesperrten Strandabschnitten 
auf den Falklands leben Tausende 
Pinguine. Ihr Lebensraum ist 
bedroht – denn die Sprengsätze 
müssen geborgen werden
In der Yorke Bay landeten
einst argentinische Truppen, 
heute geht es friedlicher zu
GEO 08 2017Horizonte28
 Vor zwei Jahren studierte die Niederländerin Marije de 
Groot, heute 23, in Istanbul. Nach dem Semester brach sie mit 
zwei Freunden von Antalya aus auf eine Wanderung auf. Doch 
schon am ersten Tag kamen sie von der Strecke ab.
GEO: Frau de Groot, wie ist das passiert?
MARIJE DE GROOT: Es war ein schöner Tag, wir waren am Strand 
und sind spät aufgebrochen. Irgendwann war es komplett dunkel, 
und wir konnten die Lichter unseres Zielorts immer noch nicht 
ausmachen. Da haben wir eine dumme Entscheidung getroffen.
Sieben Tage lang verschollen 
Es war keine schwierige Route. Doch eine einzige falsche Entscheidung kostete drei 
Erasmus- Studenten beim Wandern in der Türkei beinahe das Leben
Was haben Sie getan?
Wir sahen die Lichter eines Dorfes am Strand und dachten: „Das 
Meer ist nah, wir schlagen uns zur Küste durch.“ Doch irgend-
wann ging es nicht weiter, der Weg endete an einem Abgrund. 
Wir übernachteten dort, im Freien.
Und fanden nicht mehr zurück?
Am nächsten Tag fing es an zu regnen. Sehr heftig und sehr lang. 
Auf einmal verwandelte sich das leere Flussbett, an dem wir uns 
orientiert hatten, in viele kleine Flüsse, die in unterschiedliche 
Richtungen liefen. Ab diesem Moment hatten wir uns verirrt, 
außerdem war es sehr kalt. Wir suchten in einer Höhle Schutz.
Wie lange blieben Sie dort?
Zwei oder drei Tage, genau kann ich es nicht sagen, die Zeit 
verschwimmt, wenn ich zurückdenke. Irgendwann merkten wir: 
Wenn wir hier sitzen bleiben, kommen wir nie mehr nach Hau -
se. Wir liefen los, versuchten, auf höher gelegene Punkte mit 
Handy-Empfang zu gelangen.
Wann spürten Sie zum ersten Mal Hunger?
Vor allem am dritten Tag fühlte ich mich schwach und hungrig, 
danach ging es merkwürdigerweise besser. Vielleicht merkte ich, 
wie nutzlos es war, mich auf den Hunger zu konzentrieren. Ich 
habe auch immer wieder eine Art wilde Bohnen gegessen.
Mehr Essbares gab es nicht?
Ich vertrug die Bohnen gut, deshalb bin ich bei ihnen geblieben. 
Einem meiner Freunde wurde von ihnen übel, er hat dann In -
sekten gegessen. Wasser gab es zum Glück genug.
Woher wussten Sie, wie man sich in der Wildnis verhält?
Ein paar Tricks kannten wir aus Überlebenssendungen aus dem 
Fernsehen. Wir urinierten in Flaschen, um uns an ihnen zu wär -
men. Und ich hatte irgendwo aufgeschnappt, dass der Mensch 
sieben Tage ohne Nahrung auskommen kann. Das hat mir Mut 
gemacht.
Wie wurden Sie gerettet?
Am siebten Tag probierten wir ein letztes Mal unsere Telefone. 
Eigentlichwaren die Akkus längst leer, doch wie durch ein Wun-
der funktionierte eines trotzdem. Wir beschrieben die Gegend, 
alles, woran wir uns erinnern konnten. Am nächsten Tag wurden 
wir entdeckt und per Seil in einen Hubschrauber gezogen.
Dachten Sie an einem Punkt auch einmal: „Wir schaffen 
es nicht mehr zurück“?
Ja, vor allem am Ende. Da halluzinierten wir schon, ich hörte 
Menschen singen und verstand erst nach Stunden, dass das über -
haupt nicht möglich war. Doch immer, wenn einer nicht mehr 
konnte, haben die beiden anderen ihn wieder aufgebaut. Ich 
glaube, das hat uns gerettet.
Am Ende ging das 
Abenteuer für 
Marije de Groot 
glücklich aus
Au
tor
en
 K
os
mo
s +
 H
or
izo
nte
: F
erd
ina
nd
 D
yc
k, 
Je
nn
y N
ied
ers
tad
t
GEO 08 2017Horizonte30
W I E W A R ’ S ?
Mehr spannende 
Geschichten auf 
www.kfw.de/stories
kfw.de
zur Datenautobahn? Die KfW fördert 
die Digitalisierung.
In den Jahren 2013 bis 2015 haben 83 % der deutschen Mittelständler Digitalisierungsprojekte durch-
geführt. Als eine der weltweit führenden Förderbanken unterstützt die KfW Unternehmen bei der 
Digitalisierung – z. B. bei der Industrie 4.0. Denn automatisierte und digital vernetzte Systeme fördern 
nachhaltig zu verbessern.
Mehr erfahren: www.kfw.de/stories/digitalisierung
Das Aïr-Gebirge: Wer hier herrscht, kontrolliert 
die Routen für Migranten, Schmuggler, Abenteurer. 
Weil sich Islamisten in der Region breitmachen, 
bauen die USA nun einen Drohnenflughafen. 
Wird der Sahel bald zum Schlachtfeld? Ein Mann 
stellt sich der drohenden Eskalation entgegen
Der 
Friedenssucher 
in der Wüste
N I G E R
Text: Michael Stührenberg, Fotos: Christopher Pillitz
Rhissa Feltou, Bürgermeister 
von Agadez, kontrolliert 
die Lage im Aïr-Gebirge. In 
der glutheißen Gegend haben 
sich früher Aufständische 
verschanzt, etwa der Tuareg -
führer Mano Dayak, dessen 
Sohn Mawli, ganz in Weiß, nun 
den Bürgermeister begleitet
32
GEO 08 2017 33
Als Rhissa Feltou im Wadi 
Tiden ankommt, einem 
Trockental im Aïr-Gebirge, 
wird er von den Tuareg 
mit Gastfreundschaft empfan -
gen. Doch er kann sich der 
Unterstützung der Nomaden 
nicht sicher sein. Sie haben 
in seinem Kampf gegen 
Schmugg ler viel zu verlieren 
GEO 08 201734
35
Vor wenigen Jahren verdienten 
die Einwohner von Agadez 
gut an den Migranten. Seit die EU 
den Kampf gegen Menschen -
schmuggler unterstützt, suchen 
manche neue Geldquellen: Sie 
machen sich auf in die Wüste, um 
dort nach Gold zu graben GEO 08 2017
37
In der verwinkelten Altstadt 
von Agadez sind auch 
tagsüber Frauen in bunten 
Gewändern zu sehen. Vom 
fanatischen Islam, den 
die Salafisten-Brigaden in 
der Region propagieren, 
halten die meisten Bewohner 
der Stadt wenig GEO 08 2017
39
K Ö N N T E N H I E R R E B E L L E N Ü B E R L E B E N ? 
Rhissa Feltou, der Bürgermeister von Agadez, blickt in 
die höllische Landschaft des Aïr: schwarze Kiesel, schwar- 
ze Felsbrocken, schwarze Berge – ein gewaltiger Back-
ofen aus Basalt. 
Der Wind: so erfrischend wie der Hauch eines 
Schweißbrenners. 
43 Grad heiß soll es an diesem Tag im Norden Ni-
gers werden. 43 Grad im Schatten, doch davon gibt es 
keinen. Nicht ein Baum, so weit das Auge reicht. Nur 
hier und da ein Dornbusch von so kläglicher Belaubung, 
dass nicht einmal ein Wüstenfuchs unter ihm Schutz vor 
der Sonne suchen würde.
Rhissa Feltou sieht aus, als hätte ihn ein 
zorniger Dschinn aus seinem Rathaus entführt 
und in diesem verbrannten Nichts ausgesetzt. 
Sein boubou, sein pfirsichfarbenes Gewand, lässt 
ihn doppelt so breit wie in Wirklichkeit erschei -
nen, fast übernatürlich. Fährt der Wind darun -
ter, bläht er den boubou auf wie einen Ballon. 
Als könnte der Bürgermeister jeden Augenblick 
davonfliegen. 
„Glaubst du, Rebellen könnten es hier aus-
halten?“, wiederholt Rhissa Feltou seine Frage. 
Hier im Aïr, einem Gebirge größer als die Niederlande 
und Belgien zusammen? 
Kaum vorstellbar, sich in dieser Einöde durchzu-
schlagen. Dennoch: Mit Unterstützung von Nomaden 
aus den Wadis, den Trockentälern der Sahara, könnten 
Aufständische sich tatsächlich in diesen Bergen einnisten. 
Das weiß ich aus eigener Erfahrung. 
Vor einem Vierteljahrhundert habe ich hier einige 
Zeit mit Tuaregrebellen verbracht, die einen aussichts-
losen Kampf um ihre Unabhängigkeit ausfochten. Die 
Regierungstruppen wagten sich damals nicht ins Aïr- 
Gebirge. Manchmal näherten sie sich über die offene 
Sandwüste Ténéré, wo sie mit ihren Pick-ups 
und Panzerwagen im Notfall schnell die Flucht 
ergreifen konnten. Am Fuß der Berge angekom-
men, feuerte die Armee mit Artillerie blind in 
die Richtung, wo sie unser Lager vermutete. Ver- 
gebene Mühe. 
Doch heute ist alles anders.
Es gibt einen Grund dafür, dass wir uns an 
diesem brennend heißen Tag aufgemacht haben 
ins Aïr-Gebirge: Rhissa Feltou will sich einen 
Eindruck von diesem Terrain verschaffen, das 
schon bald wieder zu einem Schlachtfeld wer-
den könnte. 
Denn in allen Ecken der Region sammeln 
derzeit die Islamisten Anhänger für ihre Truppen. Und 
am Stadtrand von Agadez baut die US Army nun, fast 
unbemerkt von der Weltöffentlichkeit, eine riesige Mi-
litärbasis, die – nach Dschibuti – vermutlich zweitgrößte 
in Afrika. 
Das investigative Internetportal „The Intercept“ 
meldet, in Agadez sollen Drohnen vom Typ MQ-9 Rea -
per in Stellung gebracht werden. Niger ist demnach das 
einzige Land in Nordwestafrika, das der Stationierung 
dieser Reaper-Drohnen zugestimmt hat. 
Der Reaper, auf deutsch „Sensenmann“, ist eine flie-
gende, unbemannte Kampfmaschine, ähnlich jener Pre-
dator-Drohne, die über Pakistan Angst und Schrecken 
verbreitet. Nur tödlicher, mit längerer Reichweite. 
Ideal, um ein unwegsames Gebiet wie das Aïr-Ge-
birge zu beherrschen. 
Ideal auch, um aus großer Höhe ein brennendes 
Streichholz in ein offenes Pulverfass zu werfen. 
K
In der Mittagshitze 
entspannt sich 
Rhissa Feltou, der 
Bürgermeister von 
Agadez, im Hof 
seines Hauses. Seine 
Stadt, früher auch 
als Abenteuerspielplatz 
bei Sahara-Reisenden 
beliebt, rückt jetzt 
mehr und mehr in den 
Fokus der Weltpolitik
GEO 08 201740
I
I N D E R S A H E L Z O N E führt das Abendland 
heute Krieg an verschiedenen Fronten und be-
nutzt dafür Namen, die friedlich klingen. Die 
Amerikaner, die ihr Areal in der Wüste jenseits 
des Internationalen Flughafens Mano Dayak 
für sich abgegrenzt haben, räumen allenfalls ein, 
„Aufklärungsflüge“ zu planen. Doch ihre Basis 
ist abgeschottet, und jeder Versuch, zum Droh-
nenflughafen vorzudringen, scheitert an Mili-
tärkontrollen. In der Stadt lässt sich kaum ein 
US-Soldat blicken. 
Auch die Europäer wirken hier in Agadez wie Ge-
spenster, die im klimatisierten Geländewagen mit ver-
riegelten Türen durch die Stadt fahren und dann darauf 
warten, dass sich das schwere Metalltor von EUCAP 
Sahel Niger für sie öffnet. Der Name bezeichnet eine 
vorgeblich „zivile Mission“ der Europäischen Union. Ihr 
Sitz in Agadez ähnelt jedoch eher einer Militär -
festung: umgeben von einer hohen Mauer, be-
wehrt mit rasierklingenscharfem Stacheldraht. 
EUCAP Sahel Niger bildet nigrische Sol -
daten und Polizisten aus, damit diese in Agadez 
keine Migranten mehr aus Westafrika zum 
Mittelmeer durchlassen. Und damit sie Nigers 
Wüstengrenzen zu Algerien und Libyen unter 
Kontrolle bekommen. Dort werden ungestört 
Drogen geschmuggelt und Waffen. Es sind li-
bysche Kalaschnikows und Panzerfäuste, die seit 
dem Sturz von Muammar al-Gaddafi 2011 in 
die Hände islamistischer Terroristen gelangen. 
Die Sahelzone droht zu einem Brandherd 
zu werden, wieder einmal. 
Bisher betrifft dies vor allem Mali, Nigers Nachbar-land im Westen. Dort starben bereits 118 Blauhelmsol-
daten beim Versuch, den Vormarsch der Dschihadisten 
zu stoppen. Das macht Mali zur tödlichsten Friedens -
mission der UN.
Das 27 Meter hohe 
Minarett der Großen 
Moschee von Agadez, 
aus Lehm errichtet, 
überragt die Altstadt. 
Teile der über 500 Jahre 
alten Stadt stehen als 
Unesco-Weltkulturerbe 
unter Schutz. Seit 
Unruhen die Region 
erschüttern, kommen 
kaum noch Touristen
GEO 08 2017 41( W E I T E R A U F S E I T E 4 4 )
GEO 08 201742
Eine Kamelkarawane hat sich 
aus dem Aïr-Gebirge aufge -
macht nach Agadez. Die alten 
Handelsrouten haben noch 
Bestand, doch junge Tuareg 
zeigen wenig Neigung, sich 
den Dromedaren anzuver -
trauen – sie suchen lieber das 
schnelle Geld, das sich mit 
Pick-ups verdienen lässt
Sind die Drohnen aus Agadez also für die Islamisten 
in Mali bestimmt? 
In Pakistan haben die fliegenden US-Kampfmaschi -
nen Hunderte Zivilisten getötet, ohne die Islamisten zu 
stoppen. Und wenn die Drohnen erst über dem Aïr-Ge -
birge kreisen, werden sie dann auch die heiligen Krieger 
von al-Qaidas Sahara-Ableger AQIM ins Visier 
nehmen? Oder Boko Haram, das den Norden 
Nigerias, aber auch Gebiete im Niger terrorisiert? 
Werden sie für Ruhe sorgen – oder den Islamis-
ten von Ansarul Islam noch mehr Zulauf ver-
schaffen, jener neuen Terrortruppe in Burkina 
Faso, das vor Kurzem noch als eines der fried-
lichsten Länder Afrikas galt? 
Agadez, einst ein verschlafener Grenzort 
zwischen Sahel und Sahara, wo fröhliche Tou-
risten zu Jeep- und Motorradtouren in die Wüs -
te aufbrachen, hat sich zu einem Brennpunkt 
der Weltpolitik entwickelt. Hier laufen strategi-
sche Fäden zusammen, die in Washington, Pa-
ris, Berlin und Brüssel gesponnen werden. 
Und deren lose Enden nun in der Hand eines Bür -
germeisters baumeln, der sich nichts inniger wünscht als 
Frieden für seine geliebte Stadt. 
L
L I E B E Z U A G A D E Z , das gebe ich zu, fällt einem 
Fremden heute nicht leicht. Ganz anders war dies vor 30 
Jahren, als „Nigers Tor zur Wüste“ noch liebenswert ver-
rückt erschien. Mit Originalen wie Abdelkader, den alle 
„Danger“ nannten. In seinem Schuppen am Markt bot er 
gebrauchte Ski und Snowboards zum Verkauf an. In der 
Hoffnung, dass ein Tourist Lust verspüren würde, die 
Bretter an den Dünenhängen der Ténéré auszuprobieren. 
Die Ausgelassenheit verzog sich mit Beginn der 
Tuaregrebellion Anfang der 1990er Jahre. Rhissa Feltou 
studierte zu jener Zeit Jura in Straßburg; dort wurde aus 
dem Nomadenjungen ein Mann von Welt: selbstsicher, 
charmant, voller Vertrauen in seine Fähigkeiten als glo-
balisierter Nomade mit diplomatischem Geschick. 
Feltou kehrte aus Frankreich zurück, nahm seine 
Kinder und deren französische Mutter mit. Es hielt ihn 
nicht in Europa. Und er blieb auch, als seine Kinder und 
ihre Mutter 2007 in ihre Heimat zurückkehrten. Weil 
seine Sehnsucht nach Agadez stärker war. Seit sechs 
Jahren regiert er als Bürgermeister, und er wird nie müde, 
mir die Schönheit der wohl 500 Jahre alten Karawanen-
kreuzung vor Augen führen zu wollen. Ein paar Tage vor 
unserem Ausflug in die Wüste zog er mich hinauf in die 
Spitze des Minaretts der Freitagsmoschee. Wie jedes 
Mal, wenn ich nach Agadez komme. 
Wir quetschten uns durch schmale Gänge und nied -
rige Tunnel, streckenweise auf allen vieren. Rhissa Fel-
tous prächtiger boubou war mit rotem Staub bedeckt, der 
Turban völlig verrutscht. Aufgeschreckte Fledermäuse 
waren uns ins Gesicht geflattert.
„Weißt du, dass dieser Turm 27 Meter hoch ist?“, 
fragte Feltou oben, ohne die Antwort abzuwarten. Der 
Bürgermeister breitete die Arme über der bröckelnden 
Brüstung aus – wie ein morgenländischer Prinz, 
der das Reich zu seinen Füßen am liebsten um-
armen würde. 
„Agadez!“, rief Feltou aus, „Hauptstadt der 
Tuareg!“
Aus der Minarettspitze konnte ich erken -
nen, wie weit die Stadt in die Wüste ausgeufert 
war. Seit meinem letzten Besuch, scheint mir, 
ist die Bevölkerung hier explodiert. Wie viele 
Einwohner es nun wohl sind, 300 000? Viel-
leicht noch mehr. Die meisten sind allerdings 
zugewanderte Hausa aus Nigers Süden. In der 
Hauptstadt der Tuareg sind die sesshaft gewor-
denen Nomaden längst in der Minderheit.
Architektonisch drückt sich Agadez in klobigen 
Quadern aus. In der Altstadt um die Moschee sind dies 
einstöckige, sieben, acht Meter hohe Häuser aus banco, 
einer Mischung aus Lehm, Pflanzenfasern und Kuhmist. 
Ganz Agadez lebt in den Farben des banco; je nach 
Sonnenstand leuchtet die Stadt hellbraun, ockergelb oder 
sanft rosafarben. Ihre Schönheit ist fragil: Unermüdlich 
arbeiten die Maurer gegen die Erosion der Stadt an, 
denn jede Regenzeit weicht den banco auf, rundet bedroh- 
lich die Kanten und Ecken der Quader, verdünnt deren 
Mauern und Flachdächer.
Auf diese Flachdächer fliehen die Bewohner vor der 
Hitze der engen Gassen. Hier spielt sich nach Sonnen -
untergang das Leben ab. 
A
A M A B E N D N A C H U N S E R E R Minarettbesteigung 
bekam Rhissa Feltou auf seinem Flachdach Besuch von 
einem Mann, der seinen Namen nicht verraten will. 
„Dies ist nicht mehr unser Agadez“, beschwerte sich 
der Targi* bei seinem Bürgermeister. „Hier bestimmen 
jetzt die kufr.“ Was „Ungläubiger“ heißt, im Munde eines 
Targi jedoch Weiße schlechthin meint. 
„Seit die kufr hier das Sagen haben, sind wir Bettler!“
Wir lagen ausgestreckt auf Matratzen, die ein Karree 
um eine geflochtene Bastmatte bildeten. In deren Mitte 
stand der Feuerkorb mit glühenden Holzkohlen, darauf 
das obligate Teekännchen. Ein leichter Wind streichelte 
die Haut, über uns tauchten die ersten Sterne auf. 
Unten vor dem Haus parkte der Pick-up des Besu -
chers. Jahrelang hatte dieser Wagen seinen Besitzer 
ernährt, beim Transport von Migranten durch die Wüs -
te nach Libyen. Jeden Montagmittag war noch bis vor 
Die Tuareg 
sind die 
Wächter 
am Tor zur 
Wüste
44 GEO 08 2017*männl. Singularform von Tuareg 
ALGERIEN
NIGER
MAURETANIEN
MALI
BURKINA
FASO
SENEGAL
ELFENBEIN-
KÜSTE GHANA
BENINGUINEA
MAROKKO
ITALIENSPANIEN
LIBYEN
TSCHAD
NIGERIA
Agadez
Tamanrasset
Gao
Kano
DirkouAïr
Abidjan
Tema
zentrale und westliche Flüchtlings-Tuareggebiet
Accra
Ghat
Sabha
BengasiOuargla
Lampedusa
Sizilien
Sardinien
Sirte
M i t t e l m e e r
T é
n é
r é
500 km
Niame
Bamako
Tripolis
TunisAlgier
Ouagadougou
Lagos
Conakry
T u a r e g
AQIM
(al-Qaida)
AQIM
(al-Qaida)
AQIM
(al-Qaida)
Ansar
al-Scharia
Islamischer
Staat
Islamischer
Staat
Boko
Haram
Boko
Haram
Ansarul
Islam
von militanten Gruppierungen
MEHR ALS 330 000 MENSCHEN versuchten im Jahr 2016, 
über die Region Agadez nach Europa zu kommen – obwohl 
die Regierung von Niger Menschenschmuggel im Mai 2015 
unter Strafe gestellt hatte. Daraufhin erhöhten sich vor allem 
die Preise für den Transport – und der Profit für die Schmug -
gler. Die Logistik existiert seit Jahrhunderten: Einst zogen 
Kamelkarawanen durch die Wüste, um Gold und Sklaven 
nach Nordafrika zu bringen. Nun lässt sich auf dem Weg von 
Nigeria nach Libyen viel Geld mit Migranten verdienen. 
Bislang hat die EU den nigrischen Staat mit insgesamt 
750 Millionen Euro unterstützt. Projekte für bessere Bildung 
und Infrastruktur sollen die Menschen zum Bleiben bewe -
gen. Die Soldaten Nigers werden ebenfalls besser ausgebil -
det – auch um das Land vor Terror zu schützen. Denn durch 
den Schmuggel gelangen Waffen zu Terrororganisationen 
wie al-Qaida und Boko Haram. Neben Perspektivlosig- 
keit sind die Islamisten für viele Menschen in der Region 
ein Grund für die Flucht nach Norden. Alessandra Röder
Alte Routen, neue Handelsgüter
Früher brachten die Karawanen Salz aus der Wüste nach Agadez; heutehaben sich etliche 
Nomaden auf den Schmuggel von Menschen und Waffen spezialisiert
S A H A R A
GEO-Grafik
GEO 08 2017 45( W E I T E R A U F S E I T E 4 8 )
Eine schwer bewaffnete 
Militärpatrouille auf dem Weg 
ins Aïr. Auch viele Tuareg 
sind in der nigrischen Armee 
integriert. Sie gelten als loyal, 
auch im Kampf gegen Isla- 
misten. Was aber, wenn sich 
die Gewichte in einem 
Drohnenkrieg verschöben?
GEO 08 201746
47
wenigen Monaten eine ansehnliche Flotte von 
Pick-ups aus dem Stadtzentrum gestartet. Vor 
den Augen aller, besonders der Polizisten und 
Zollbeamten, die vor dem Massenstart ihren 
Anteil kassierten. Bis 2016 waren jedes Jahr weit 
mehr als hunderttausend Westafrikaner – über -
wiegend aus Nigeria, Ghana, Gambia und der 
Elfenbeinküste – über Agadez zum Mittelmeer 
gelangt. 
„Seit dem Verschwinden des Tourismus ha-
ben wir Schleuser die Stadt ernährt!“, rief der 
frustrierte Transportunternehmer. 
Er rechnete mir seinen ehemaligen Gewinn 
im Dreisatz vor: 150 000 Francs CFA, also um-
gerechnet 230 Euro pro Passagier. Bei 20 Migranten pro 
Wagen, multipliziert mit mindestens zwei Fahrten im 
Monat, machte das um die 10 000 Euro. 
„Und jetzt werden wir wie Verbrecher behandelt!“ 
Mehr als hundert seiner Kollegen säßen hinter Git -
tern. Weil es nun dieses Gesetz gegen Schleuser gebe. 
„Und dahinter stecken die Ungläubigen!“
Das ist nicht zu bestreiten. Die ranghöchs -
te kufr bei der Formulierung des Migrations-
stopps ist Angela Merkel. Deutschland, so die 
Kanzlerin Anfang dieses Jahres auf einem EU- 
Gipfel in Malta, habe „mit dem, was wir in 
Agadez tun, sehr viel daran mitgearbeitet und 
arbeitet weiter daran mit, dass wir den Men-
schen schon in Niger als Transitland wieder eine 
Perspektive geben und dort schon die illegale 
Migration bekämpfen“.
Soll heißen: Die Europäische Union und 
die Deutsche Gesellschaft für Internationale 
Zusammenarbeit (GIZ) geben Hunderte Mil -
lionen Euro dafür aus, dass Niger seine Saharagrenzen 
dicht macht. „Migrationspartnerschaft“ heißt der Deal 
im EU-Jargon. 
Im Gegenzug verspricht Europa Finanz- und Wirt -
schaftshilfe für Agadez und seine Region. Damit dort 
der Volkszorn nicht überkocht. 
Agadez wächst rasch; 
nicht einmal der Bürger- 
meister weiß, wie viele 
Bewohner heute in 
der Stadt leben. Neben 
den Tuareg, die hier 
sesshaft wurden, ziehen 
Menschen aus dem 
Migranten, die auf 
dem Weg nach Europa 
hängen bleiben
GEO 08 201748
Aber wie lassen sich die fehlenden Einkünfte der 
Schleuser ersetzen? 
Eines Morgens stellte mir Rhissa Feltou seine neu 
gegründete Straßenfegerbrigade für ein sauberes Agadez 
vor. Finanziert wird sie von der EU, deren Sternenkranz 
auf Plakaten und Arbeitskitteln im Viertel um das Mi -
narett leuchten. Der Bürgermeister erklärte, wo gefegt 
werden solle, wohin mit dem Dreck. Und an mich ge-
wandt: „Das Ziel dieser Aktion ist es, Arbeitsplätze zu 
schaffen. Jeder Feger bekommt 2000 CFA pro Tag.“ 
Das sind umgerechnet drei Euro. Ob das ausreiche, 
um die Herzen der Stadt zu gewinnen? 
In Agadez, meinte der Bürgermeister, sei auch das 
„recht viel Geld“. 
Für einen armen Altstadtbewohner vielleicht. Aber 
bestimmt nicht für einen Tuareg mit Pick-up und einer 
Kalaschnikow auf dem Beifahrersitz. 
„Ich werde nicht mehr lange tatenlos hier herumsit -
zen“, warnte der Besucher auf Rhissa Feltous Dach. 
Was er damit sagen wollte, blieb unserer Vorstel-
lung überlassen. Die Alternativen zu seiner „Tatenlo-
sigkeit“ sind hinreichend bekannt; im Wesentlichen gibt 
es vier: Der Schleuser kann weiter Menschen schmug-
geln, nur mit höherem Risiko – nicht mehr von 
Agadez aus, sondern mit heimlicher Abfahrt am 
Wüstenrand. Kundschaft gibt es reichlich in den 
„Ghettos“, den Häusern für hängen gebliebene 
Migranten. 
Eine zweite Verdienstmöglichkeit für Ex- 
Schleuser sind Drogen- und Waffenschmuggel. 
Oder, drittens, die Goldsuche in der Ténéré- 
Wüste. Dort ähnelt Nigers Norden zunehmend 
dem Wilden Westen. Wer fündig wird, versucht 
oft, seine Nuggets nach Agadez zu schaffen, um 
sie dort zu verkaufen. 
Was zur vierten Alternative für den Targi auf 
Rhissa Feltous Dach führt: Überfälle auf Gold-
sucher. Allgemeiner gefasst: die Jagd auf Beute jeglicher 
Art. Sehr begehrt sind zum Beispiel Ungläubige, die als 
Geiseln an al-Qaida verkauft werden. 
Der perfekte Arbeitsplatz für Banditen ist das Aïr- 
Gebirge. Potenzielle Opfer bewegen sich dort auf Pisten 
ohne Ausweichmöglichkeiten. Und perfekte Orte für 
Hinterhalte gibt es massenhaft. 
Deshalb sind wir nicht allein ins Aïr-Gebirge auf -
gebrochen: Auf unserer Fahrt durch die basaltschwarze 
Hölle begleiten uns zwei Pick-ups, beide mit aufmon-
tiertem Maschinengewehr und je acht Soldaten.
O
O H N E M I L I T Ä R S C H U T Z dürfen Ausländer Aga- 
dez nicht mehr in Richtung Wüste verlassen. Der erste 
Pick-up fährt vor uns, der zweite sichert die Nachhut. 
Wir wirbeln eine Menge Staub auf; im Geländewagen 
des Bürgermeisters reisen wir mit heruntergekurbelten 
Fensterscheiben, das Turbantuch zum Schutz um Kopf, 
Mund und Nase gewickelt. 
Unser erster Besuch gilt dem Grab von Mano Dayak, 
dem Kommandanten der Tuaregrebellion der 1990er 
Jahre. Die Grabstätte liegt in einer Einöde aus roter 
Stauberde und schwarzem Schotter, doch in Sichtweite 
des von grünen Bäumen gesäumten Wadi Tiden, eines 
100 Kilometer langen Trockentals. In der Regenzeit zwi-
schen Juni und September sammelt sich dort das von 
den Granit- und Basalthängen herabrinnende Wasser. 
So werden die Wadis für wenige Tage, manchmal auch 
nur für Stunden, zu Flüssen, an deren Ufern ein wenig 
Grün sprießt und Menschen sich ansiedeln. 
In dieser Welt natürlicher Knappheit, aber ohne 
materielles und kulturelles Elend, wurde Mano Dayak 
geboren: „ungefähr 1950“, präzise Geburtsregister gab es 
in der Kolonialzeit für Nomaden nicht. 
Bei meinem letzten Besuch vor mehr als zehn Jahren 
stand ich vor fünf gleich großen, mit Steinen der Um-
gebung bedeckten Gräbern: für die fünf Insassen einer 
Cessna, die am 15. Dezember 1995 zu Füßen des Mont 
Bagzane gegen einen Felsen geprallt und ver-
brannt war. Dayak war unter den Opfern.
Wahrscheinlich war es ein Unfall. Doch 
die meisten Tuareg glauben noch immer an 
Sabotage. 
Inzwischen ist Dayaks Grab mit Marmor 
bedeckt. Freunde haben ihn aus Kogo, den 
„blauen Bergen“, herbeigeschafft. Einer jener 
Orte in der Ténéré, die Mano Dayak liebte. 
Dennoch ist dies kein tröstender Anblick 
für mich. Die Erinnerung schmerzt unvermin -
dert stark. 
Ein Projekt, das Hoffnung 
mische werden von der 
EU dafür bezahlt, die 
Straßen von Agadez zu 
kehren. Die Frauen 
bekommen dafür umge 
rechnet drei Euro am 
Tag – das sei gutes Geld, 
findet Bürgermeister 
Rhissa Feltou beim 
Besuch der Brigade
GEO 08 2017 49
Ich hatte für Mano Dayak seine Autobiografie „Tou- 
areg, la tragédie“ verfasst. Ich war dem Rebellenführer 
damals für eine Zeit in die Berge gefolgt, ohne dass mich 
die politische Agenda der Tuareg allzu sehr interes sierte. 
Aber ich sah in Mano Dayak einen Freund, dessen Leben 
als Nomade der Moderne mich faszinierte. 
Dayak beschäftigte stets die Frage, ob die 
Tuareg, denen die Kolonialherren keinen eige-
nen Staat hinterlassen hatten, ein ähnliches 
Schicksal erleiden wie die Kurden: von allen 
betrogen, einschließlich von sich selbst. 
Vielleicht hätte die Geschichte Nigers ei -
nen besseren Lauf genommen, wäre Mano Da-
yak damals nicht umgekommen. Vielleicht aber 
sind die Mächte der Geschichte stärker als die 
Kraft von Einzelnen. Diese Frage muss sich 
auch Rhissa Feltou stellen, der ein Neffe von 
Mano Dayak ist: Kann ein Einzelner in die 
Weltläufe eingreifen? 
Kann ein Bürgermeister seine Stadt retten? 
N
N A C H D E MB E S U C H A M G R A B bringt uns Rhissa 
Feltou zu einer Lagerstätte im Wadi Tiden, wo wir die 
Nacht verbringen.
Erst scheint es dort, als sei im Leben der Tuareg 
noch alles beim Alten. Unser Gastgeber Ibrahim bietet 
uns Tee an, gießt ihn aus dem in Schulterhöhe gehalte-
nen Kännchen zielgenau in das schmale Teeglas auf 
Hüfthöhe. Wenige Schritte entfernt steht Ibrahims ehan, 
das traditionelle Tuaregzelt. In der Kosmogonie der No-
maden verkörpert es das Zentrum der Welt. 
Häuser? Die seien nur „Gräber von Lebenden“, sa-
gen die Tuareg verächtlich. 
In weichem Sand ausgestreckt, blicken wir in den 
Himmel über der Sahara. Direkt über uns Orion; 
nagh, Karawanenführer, nennen ihn die Tuareg. Weil 
sich dieses Sternenbild in Winternächten über der Sa -
linenoase Bilma erhebt. Dadurch weist Orion den aus 
dem Aïr aufbrechenden Karawanen den Weg zum Salz 
der Ténéré. 
Nichts in dieser Welt scheint sich seit meiner Zeit 
bei den Rebellen im Aïr verändert zu haben. Doch dann 
sehe ich die drei Lastkamele, die träge durchs Wadi 
stampfen. Sie zupfen mit den Zähnen Blätter von den 
Bäumen, deren Äste vom hohen Ufer über das trockene 
Flussbett ragen. 
„Meine Kamele“, sagt Ibrahim stolz. 
„Sind sie schon aus Bilma zurück?“, frage ich. 
„Nein, sie gehen nicht auf Karawane.“ 
Warum nicht? 
„Unsere Söhne wollen den langen Marsch durch die 
Wüste nicht mehr auf sich nehmen.“ 
Zu viele Strapazen und Entbehrungen für ein biss -
chen Salz und Hirse! Die Jugend wolle lieber schnelles 
Geld mit Pick-ups verdienen. 
Ibrahim erzählt wie einer aus altem Schrot und 
Korn. Dabei dürfte auch er kaum älter als 40 Jahre sein. 
„Wir führen heute ein anderes Leben“, räumt er ein. 
„Nicht mehr wie echte Nomaden. Zum Einkau -
fen fahren wir nach Agadez.“
Nun erkenne ich am Fuß der Bäume auch 
seinen geparkten Pick-up. Und daneben das 
Haus aus banco. Auf dem Dach eine Parabol-
antenne. Drinnen der Fernseher, vor dem um 
diese Zeit die Kinder hocken. 
Ein „Grab für Lebende“, die keine Noma-
den mehr sind.
In dieser Nacht aber wolle er wie ein 
 Nomade schlafen, verkündet Ibrahim, und ver-
abschiedet sich ins ehan. Und Rhissa Feltou 
beginnt mit leiser Stimme, unangenehme Zu -
sammenhänge zu erklären. 
Dass nämlich Ibrahim zur Generation der ishomar 
gehöre. Der Ausdruck stammt von den Vätern, den alten 
Nomaden. Abgeleitet ist er von chômeur, französisch für 
Arbeitsloser. Er war abfällig gemeint und sollte bedeuten, 
dass ihre Söhne, die vor den Dürren der 1970er und 
1980er Jahre nach Libyen geflohen waren, bei ihrer Rück-
kehr nach Niger und Mali für keine nützliche Arbeit 
mehr zu gebrauchen waren. Nur noch zum Umgang mit 
Kalaschnikow und Panzerfaust. 
Gaddafi hatte die Jungen mit offenen Armen emp -
fangen und sie in seine Islamische Legion gesteckt. Die 
jungen Tuareg hatten als Kanonenfutter für Libyens 
militärische Abenteuer im Tschad, ja sogar als Leihgabe 
an die Palästinensische Befreiungsorganisation im Liba-
non herhalten müssen. 
In ihre Heimat kehrten sie mit dem Plan zurück, im 
Norden Malis und Nigers einen Tuaregstaat aus dem 
Sand zu stampfen. Ihnen diesen Unsinn auszureden, 
 hatte Mano Dayak Schätze von Geduld gekostet: Zum 
einen war das Land der Tuareg nur eine öllose Wüste. 
Und zum anderen besaßen die Bewohner dieser Wüste 
keinerlei Kenntnisse und Geschicke, die zur Organisa-
tion eines Staates notwendig gewesen wären.
Nach dem Tod ihres Anführers konnten die ishomar 
immerhin noch von dem Friedensvertrag profitieren, den 
Dayak mit dem Staate Niger ausgehandelt hatte. Hun -
derte ließen sich in Armee, Gendarmerie und Zoll in -
tegrieren. Andere hingegen wurden zu Glücksrittern. 
Wie jene, die 2007 eine „zweite Tuaregrebellion“ anzet-
telten, die im Sande verlief.
„Und jetzt haben wir es mit der nächsten Generation 
zu tun“, schließt Rhissa Feltou. „Mit den Kindern der 
ishomar. Sie sind noch gefährlicher als ihre Väter. Weil 
sie nicht mehr wissen, was asheq bedeutet – selbst wenn 
sie dieses Wort ständig im Munde führen!“
Die jungen 
Nomaden 
scheuen 
die Mühen 
der Wüste 
GEO 08 201750
Asheq ist der Schlüssel zum Verständnis der Tuareg-
kultur. Es bedeutet die Summe aller ethischen Werte, die 
das Verhalten eines Targi bestimmen sollten. Sein Sym-
bol ist der tagelmust, der traditionelle Turban, den ein 
Nomade und Krieger ab seinem 15. Lebensjahr trägt. 
Asheq fordert von den Tuareg Mut und Tapferkeit im 
Kampf, vor allem aber gebietet er, Schwächere zu schüt-
zen. Nichts gilt den Nomaden als so unverzeihlich wie 
Gewalt gegenüber Frauen und Kindern.
Davon jedoch sind die Söhne der ishomar weiter 
entfernt als Orion vom Wadi Tiden. Viele haben sich 
Terroristen angeschlossen, etwa der Dschihadistentrup-
pe Ansar Dine, die monatelang Timbuktu beherrscht 
hatte. Als französische Truppen die Stadt 2013 befreiten, 
hörte man zahllose Geschichten über junge Tuareg, die 
schwarze Frauen vergewaltigt hatten. 
Ich frage Rhissa Feltou, was genau er im Aïr-Ge-
birge suche. 
Er suche eine Antwort auf die Frage, ob es 
Dschihadisten gelingen kann, die Heimat der 
Tuareg zu infiltrieren, die Welt von ehemaligen 
Nomaden, die nun in Häusern leben und Fern -
sehen schauen. 
„Dass sie es versuchen, daran besteht kein 
Zweifel“, sagt Feltou. Gelingt ihr Vorhaben, 
wird die Lage in Agadez zum Albtraum. 
„Wer das Aïr beherrscht“, weiß Feltou, „kon-
trolliert Nigers Norden.“ 
A
A M M O R G E N unserer Abreise aus dem Ge-
birge promenieren Ibrahims Kamele noch immer zwi-
schen den ehan-Zelten. Zwei Mädchen hüten Ziegen, 
kleine Kinder spielen im Sand. Rhissa Feltou ruft die 
Männer aus unserer Wadi-Nachbarschaft zusammen. 
Einer bringt sein Teekännchen und glühende Holzkohle 
mit. Wir setzen uns auf den Boden, die Runde diskutiert 
auf tamasheq, der Sprache der Tuareg. 
„Sie sagen, Islam sei das Gegenteil von Islamismus“, 
resümiert Feltou für mich auf Französisch: weil Reli- 
gion nicht zu Krieg anstiften dürfe, sondern stets dem 
Frieden dienen müsse. Ab und zu würden ihre Vettern 
aus Mali zu Besuch kommen. Aber wenn diese vom 
„neuen Islam“ erzählten, würden die Männer im Wadi 
nur aus Höflichkeit zuhören. „Nicht einer von denen ist 
bereit, sich den Islamisten anzuschließen“, betont der 
erleichterte Bürgermeister.
Einer der Tuareg aus unserer Militäreskorte sagt, er 
kenne mich von früher. Mohamed Almahadi war Frei-
heitskämpfer; seit er als Soldat in Nigers Armee dient, 
wurde sein mickeriger Sold nie erhöht. Er ist ein ruhiger 
Mann von 43 Jahren, der nur redet, wenn er etwas zu 
sagen hat.
„Du musst etwas Wichtiges wissen“, kündigt 
er an. „Die in die Armee integrierten Rebellen 
sind absolut loyal. Gibt es einen Angriff isla-
mistischer Tuareg aus Mali, kämpfen wir gegen 
sie. Und für Niger.“
Aber wer weiß schon, was die Zukunft 
bringt? Schon die Gegenwart ist kompliziert. 
Was, wenn ein Kamikazebomber den neuen 
Drohnenstützpunkt der Amerikaner angreift? 
Und dabei den Verdacht entstehen lässt, Sym-
pathisanten und Helfer in der Bevölkerung zu 
haben? 
Wenn die Soldaten in Agadez dann ähnlich 
wie in Bagdad oder Kabul reagieren, dann sind 
„Kollateralschäden“ unter Tuaregzivilisten kaum zu ver-
meiden. 
Mohamed Almahadi wischt sich mit dem Zipfel 
seines grünen Armeeturbans den Schweiß von der Stirn. 
„Dann“, sagt er nachdenklich, „würde auch für uns hier 
wieder alles anders aussehen.“ 
Dann könnte die Region zum Schauplatz eines end -
losen Konfliktes werden, in dem die Nomaden erneut 
aufgerieben werden könnten. Eine neue Rebellion wäre 
der Albtraum des Bürgermeisters von Agadez. 
„Wir wollen immer nur das Beste für unser Agadez“, 
beschwört Rhissa Feltou. „Wir haben doch nur diese 
eine Stadt.“
Rhissa Feltou besucht 
seinen 90-jährigen Vater 
Feltou Mohamed 
Dayak im Wadi Tiden 
nördlich von Agadez. 
Der Sohn studierte Jurain Straßburg; doch in 
Frankreich hielt es ihn 
nicht: Seine Verbunden -
heit mit dem Lebensstil 
der Tuareg brachte ihn 
zurück nach Agadez
MICHAEL STÜHRENBERG
zehnten für GEO als Reporter um die Welt, ist vor allem 
in Afrika und Lateinamerika unterwegs. Was er und 
der nicht minder weit gereiste Fotograf CHRISTOPHER 
PILLITZ auf ihrer Recherche in Agadez erlebten, lesen 
Sie auf Seite 6 in der Rubrik „Unterwegs“. 
GEO 08 2017 51
LOB DER TORHEIT
Wahnwitzige Konstruktionen, absurde Kletterübungen, riskantes Werkeln – im Internet, 
aber nicht nur dort, zeigt sich der Mensch als unbedachtes Wesen: Auch die Klügsten lassen 
sich zu Eseleien hinreißen. Das endet oft böse. Und doch hat die Evolution die Unvernunft 
nicht ausgerottet. Bietet sie womöglich Vorteile? Ist es manchmal weise, töricht zu handeln?
P S Y C H O L O G I E
GEO 08 201752
GEO 08 2017 53
V O R E I N I G E N J A H R E N
mens Larry Walters 42 heliumgefüllte Wetterballons 
an einen Gartenstuhl. Er setzte sich hinein und kapp
te das Tau, das den Stuhl am Boden hielt. 
Dann stieg er in den Himmel auf. 
Die Berichte darüber, was danach passierte, wi
dersprechen sich in Details. Doch grob muss Folgen
des geschehen sein: Der 33 jährige Walters hatte für 
seine Exkursion Sandwiches, einige Flaschen Bier 
und ein Luftgewehr eingepackt. Mit der Waffe woll
te er die Heliumballons einen nach dem anderen 
abschießen, um so sachte zu landen. Dummerweise 
ließ er das Gewehr während des Flugs fallen. Piloten, 
die am nahe gelegenen Los Angeles International 
Airport starteten, sahen den Gartenstuhlflieger hilflos 
rund vier Kilometer hoch am Himmel schweben und 
alarmierten die Polizei. Die fand Walters schließlich 
nahe dem Boden, verheddert in einer Hochspan
nungsleitung. 
Die gute Nachricht: Walters war unverletzt. Die 
schlechte: Er wurde verhaftet.
Eine rundherum idiotische Aktion also. Nur: 
Walters sah das völlig anders. Er fand das Unterfan
gen sinnvoll, ja offenbar nötig. Gefragt, was er sich 
um Himmels willen bei der Sache gedacht habe, hatte 
V
Text: UTE EBERLE
Der Mensch neigt zur »mentalen Abkürzung«. 
Und wenn er eine Aktion nicht gründlich durch- 
denkt, gelangt er auf Abwege
GEO 08 201754
er angeblich geantwortet: „Ein Mann kann nicht ein
fach nur herumsitzen.“
Eine bemerkenswerte Weltsicht, man könnte 
auch sagen, ein erschreckender Realitätsverlust, vor 
allem aber eine Anschauung, mit der Larry Walters 
nicht allein ist auf der Welt. Von den vielen, die sich 
zu ähnlichen Torheiten hinreißen lassen, haben indes 
nicht alle so viel Glück wie er. 
Der Anführer einer christlichen Sekte etwa übte 
in der Badewanne, wie Jesus auf dem Wasser zu ge
hen. Er starb, als er auf einem Stück Seife ausrutschte. 
win Award“, der alljährlich Aktionen kürt, bei denen 
sich Menschen auf besonders dämliche Weise selbst 
ums Leben bringen.
Ein anderer Preisträger, ein 28 jähriger Lastwa
genfahrer, wollte demonstrieren, dass sein „Spion
Kugelschreiber“ in Wirklichkeit eine funktionsfähige 
Pistole war. Er hielt sie sich an den Kopf und drückte 
ab. Und er hatte recht: Die Waffe funktionierte.
I S T E S N I C H T E R S T A U N L I C H ? Nach Jahr
hunderttausenden der Evolution benimmt sich der 
Mensch noch immer regelmäßig töricht. Wieso sind 
Erbanlagen, die Dummheiten begünstigen, nicht aus
gemerzt worden? Wo doch ihre Träger sich hartnäckig 
selbst aus dem Genpool katapultieren. 
Unvernunft schadet, aber sie ist offenbar nicht 
auszurotten. Übersehen wir also vielleicht etwas? Hat 
Torheit versteckte gute Seiten? Ist es möglicherweise 
manchmal klug, dumm zu handeln? 
Lange haben Wissenschaftler das untere Ende 
der mentalen Leistungsskala gemieden. Sie richteten 
ihr Augenmerk lieber auf das obere Ende, auf Ursa
chen und Folgen eines hohen Intelligenzquotienten 
(IQ). So zeigten Studien etwa, dass Menschen mit 
einem höheren IQ im Durchschnitt älter werden, ge
sünder bleiben und besser verdienen. 
Aber es gibt auch Hinweise, dass die Fähigkeit 
zu abstraktem, rationalem Denken – und das misst 
der IQ am ehesten – nicht immer mit vernünftigem 
Handeln einhergeht. Zum Beispiel verdienen sehr 
kluge Menschen zwar mehr, überziehen aber ihre 
Kreditkarte öfter und geraten häufiger mit den Zah
lungen in Verzug als normal intelligente.
Und obwohl sie insgesamt gesünder sind, rauchen 
Menschen weit oben in der IQ Skala eher, betrinken 
sich häufiger oder greifen öfter zu Drogen.
Und manchmal sterben sie früher. Forscher in Edinburgh fanden dies 
heraus, als sie die IQ Tests von schottischen Soldaten auswerteten, die in 
den Zweiten Weltkrieg gezogen waren. Jene, die fielen, hatten im Mittel 
einen höheren Wert erzielt als jene, die überlebten. Niemand weiß, warum 
das so ist.
Fast könnte man sagen: Intelligente Menschen sind schlauer, stellen 
sich allerdings oft dümmer an.
Aber was meinen wir eigentlich, wenn wir sagen, dass jemand „dumm“ 
handelt? Törichtes Verhalten präzise zu definieren, fällt schwer. Agiert je
mand kurzsichtig und bedenkt nicht die langfristigen Folgen seines Tuns? 
Geht er zu viele – oder vielleicht zu wenige – Risiken ein? Steckt eine Art 
mentale Blockade dahinter? 
E H E R S A R K A S T I S C H E A B H A N D L U N G E N wie die des italienischen 
Wirtschaftshistorikers Carlo Cipolla halfen bei der Beantwortung dieser 
Fragen nicht weiter. Cipolla formulierte fünf „Grundlegende Gesetze zur 
menschlichen Dummheit“. Gesetz Nummer eins: „Jeder unterschätzt immer 
und unvermeidlich die Zahl der dummen Menschen, die in Umlauf sind.“ 
Und entsprechend dem fünften Gesetz ist „eine törichte Person gefährlicher 
als ein Bandit“. 
Ernsthaftere Untersuchungen stellten Forscher erst in jüngerer Zeit an. 
Der Psychologe Balazs Aczel von der Eötvös Loránd
pest etwa versuchte zunächst einmal herauszufinden, was wir unter Torheit 
überhaupt verstehen. In seiner Studie mit dem Titel „Was ist dumm?“ ließ 
Was ist das eigentlich – Dummheit? Sie auf einen Begriff 
zu bringen, fällt uns schwer. Trotzdem erkennen wir törichtes 
Handeln auf den allerersten Blick 
»Es gibt allemal einen Narren 
mehr, als jeder glaubt«
G E O R G C H R I S T O P H L I C H T E N B E R G ( 1 7 4 2 – 1 7 9 9 )
GEO 08 2017 55
er Testpersonen anhand von 180 Anekdoten beurtei-
len, ob sich die Protagonisten idiotisch benommen 
hätten, und fragte nach den psychologischen Faktoren, 
die dahintersteckten. 
Dabei stellte er fest, dass die Urteile überraschend 
einstimmig ausfielen. Es mag Menschen also schwer-
fallen, Dummheit zu definieren. Aber sie erkennen 
sie ohne Weiteres. 
Aus den Antworten seiner Probanden las Aczel 
drei Kategorien an Dummheit heraus. Und nur bei 
der ersten war der entscheidende Faktor, dass die Be-
treffenden einen klassischen Denkfehler gemacht hat- 
ten, ihnen also etwa ein mentaler Flüchtigkeitsfehler 
unterlaufen war oder sie einen veritablen geistigen 
Aussetzer erlebt hatten. 
So etwas kann katastrophal enden. Vor einigen 
Jahren gewann den Darwin Award ein Bungee-Sprin- 
ger, der sein Seil sorgfältig auf die Höhe der Brücke 
zuschnitt, von der er springen wollte, dabei aber ver-
gaß, dass das Band elastisch war. Er starb, als er auf 
dem Boden aufprallte.
Diese erste Kategorie Aczels überschneidet sich 
mit einem Phänomen, auf das auch andere Forscher 
gestoßen sind: Fehlurteile und irrationales Handeln 
gehen oft darauf zurück, dass Menschen ihre vorhan-
dene Intelligenz nicht optimal einsetzen. Sie neigen 
dazu, „geistige Abkürzungen“ zu nehmen. Statt eine 
Sache gründlich zu durchdenken, wischen sie mental 
oberflächlich darüber hinweg, lassen sich vom Kontext 
beeinflussen und gelangen so zu falschen Schlussfol-
gerungen.
F R A G T M A N Ä R Z T E , was sie von einer Behandlungsmethode gegen 
eine tödliche Krankheit halten, die 200 von 600 Betroffenen das Lebenretten kann, sehen sie die Sache vergleichsweise positiv. Hören sie aber, dass 
bei der Therapie 400 der 600 Kranken sterben werden, reagieren sie eher 
ablehnend. Obwohl beide Szenarien identisch sind.
In Aczels zweiter Kategorie der Torheiten mag der Einzelne durchaus 
ahnen, dass er gegen seine eigenen Interessen handelt. Trotzdem kann er 
nicht widerstehen, geradezu zwanghaft stolpert er ins Desaster.
Viele politische Skandale scheinen diesem Muster zu folgen. Man denke 
an den US-Politiker Anthony Weiner, der schlüpfrige Bilder von sich an 
Frauen verschickte, die er im Internet getroffen hatte.
Grauenhaft endete die Kombination aus mentalem Kurzschluss und 
unstillbarer Sucht bei einem Mann namens Abraham Mosley in Florida. Er 
starb, als er sich nach einer Operation wegen Kehlkopfkrebs eine Zigarette 
anzünden wollte und dabei der Verband um seinen Hals Feuer fing. Die 
Flammen griffen auf den Schlafanzug des 64-Jährigen über, doch weil Mos-
ley nach dem Eingriff keine Stimmbänder mehr hatte, konnte er nicht um 
Hilfe rufen. 
Torheit und Fortschritt sind einander 
manchmal verwirrend ähnlich: Einige blöde Ideen 
haben zu großartigen Innovationen geführt
Wer sich dumm anstellt, katapultiert sich 
manchmal sogar aus dem Leben. Aber wieso 
stirbt die Torheit dann nicht aus? 
F R I E D R I C H H E I N R I C H J A C O B I ( 1 7 4 3 – 1 8 1 9 )
»In der Dummheit ist eine 
Zuversicht, worüber man rasend 
werden möchte«
GEO 08 201756
»ICH HAB DAS ALLES IM GRIFF«
GEO 08 2017 57
Als Königsklasse der Torheiten stellte sich in der 
ungarischen Studie die dritte Kategorie heraus – die 
Teilnehmer bewerteten das jeweilige Verhalten jeden-
falls als besonders doof. Dabei handelte es sich um 
Aktionen, bei denen das Denken der Betreffenden 
eine ganz eigene Qualität zu gewinnen scheint. Wie 
bei den Einbrechern, die Handys stehlen wollten, 
stattdessen aber – weil sie den Unterschied nicht (er-)
kannten – Navigationsgeräte mit eingebauter Ortung 
mitnahmen. Da sie die Geräte nicht abstellten, konnte 
die Polizei sie orten und festnehmen. Aczel spricht 
in solchen Fällen von „zuversichtlicher Ignoranz“.
Der Begriff geht indirekt auf einen Bankräuber 
namens McArthur Wheeler zurück. Wheeler überfiel 
Mitte der 1990er Jahre in Pittsburgh an einem Tag 
zwei Banken. Bemerkenswert war vor allem, wie er 
dies tat. Er war eher klein gebaut, wog aber gut zwei-
einhalb Zentner und war damit von auffälliger Statur. 
Trotzdem gab er sich keine Mühe, sich zu verkleiden 
oder auch nur sein Gesicht zu bedecken. Mehr noch: 
Der 45-Jährige lächelte sogar direkt in die Überwa-
chungskameras. 
Noch am gleichen Abend wurde Wheeler gefasst. Er schien verdattert. 
„Ich hatte doch den Saft aufgetragen“, stammelte er. Wie sich herausstellte, 
hatte der Kriminelle geglaubt, dass die Kameras sein Gesicht nicht aufzeich-
nen konnten, weil er es mit Zitronensaft eingerieben hatte.
Vielleicht war Wheeler auf diese Idee gekommen, weil sich der Saft als 
unsichtbare Tinte verwenden lässt. Völlig überzeugt von seiner Eingebung 
war er, nachdem er sie getestet hatte: Er hatte sich die Flüssigkeit ins Gesicht 
geschmiert und mit einer Sofortbildkamera ein Foto von sich geschossen – 
auf dem er nicht zu sehen war. Es ist nicht klar, wie dies geschehen konnte. 
Möglicherweise hatte Wheeler falsch gezielt. Der Saft habe ihm in den 
Augen gebrannt, sodass er nicht viel sehen konnte, erzählte er.
D A V I D D U N N I N G , heute Professor für Psychologie an der Universität 
von Michigan, las von dem ungeschickten Räuber. Die Geschichte brachte 
ihn ins Grübeln. Wenn McArthur Wheeler zu töricht war, eine Bank zu 
überfallen, war er dann vielleicht auch zu töricht, zu erkennen, wie dumm 
er sich angestellt hatte? 
Gemeinsam mit seinem Doktoranden Justin Kruger testete der Psycho -
loge seine Idee. Die beiden ließen Studenten Aufgaben in logischem Denken 
und englischer Grammatik lösen. Anschließend sollten die Probanden ihr 
Können einschätzen. 
Dabei stellte sich heraus, dass Studenten, die in den Tests schlecht 
abschnitten, ihre Fähigkeiten weit überschätzten – in weit höherem Maß 
als jene, die bessere Leistungen gezeigt hatten. Einige der besten tendierten 
sogar dazu, sich zu unterschätzen. 
Dunning und Kruger schlossen daraus: Menschen sind oft ahnungslos 
und zuversichtlich zugleich, und das in umgekehrter Proportionalität. Das 
heißt: Gerade wenn wir in einer Sache wenig kompetent sind, trauen wir 
uns besonders frohgemut zu, dass wir sie im Griff haben. „Zuversichtliche 
Ignoranz“ eben.
Dieser Effekt führt auch dazu, dass Medizinstudenten, die eine Me -
thode neu erlernen, sich meist schnell zutrauen, sie anderen Neulingen bei-
zubringen. Selbst wenn ihre Mentoren finden, dass sie noch nicht einmal 
weit genug sind, um sie selbst unbeaufsichtigt einzusetzen.
Der Dunning-Kruger-Effekt – wie er getauft wurde – gesellt sich zu 
der Beobachtung, dass Menschen generell unrealistisch hohe Erwartungen 
»Eine törichte Person 
ist der gefährlichste 
Menschentyp«
C A R L O C I P O L L A ( 1 9 2 2 – 2 0 0 0 )
Vor allem Männer kommen häufig 
auf bescheuerte Ideen. Wollen sie damit 
Frauen beeindrucken? 
GEO 08 201758
D
an ihre Fähigkeiten und Zukunftsaussichten hegen. 
So glaubt fast jeder, dass er länger leben wird als der 
Durchschnitt – obwohl dies statistisch gesehen un -
möglich ist. Oder dass er besser Auto fährt: In Um-
fragen schätzen gewöhnlich mehr als 90 Prozent der 
Fahrer ihre eigenen Fertigkeiten am Steuer als über-
durchschnittlich ein. 
Anders gesagt: In jedem von uns steckt ein 
McArthur Wheeler. So wie er besitzen wir alle das 
Potenzial, uns vorzumachen, dass wir kompetenter 
sind, als es den Tatsachen entspricht. Dass bei den 
Dingen, die wir tun, nichts schiefgehen kann. Dass 
wir vielleicht sogar als Einzige einen todsicheren Weg 
gefunden haben, das System zu überlisten. 
„Wir sind alle zuversichtliche Idioten“, sagt David 
Dunning.
Das kann eine großartige Sache sein. Das Leben 
macht mehr Spaß, wenn man die eigene Person ver-
klärt. Es gibt Ausnahmen, Menschen, die sich selbst 
nüchtern sehen; realistisch einschätzen, dass sie nichts 
Besonderes sind. Sie sitzen häufig im Wartezimmer 
von Psychiatern. Ärzte sprechen von „depressivem 
Realismus“. Er gilt als charakteristisches Symptom 
krankhafter Melancholie.
U N B E D A R F T E S V O R A N M A R S C H I E R E N ist 
gut für die berufliche Laufbahn. „Individuen, die viel 
von sich halten, ob das nun objektiv angemessen ist 
oder nicht, erreichen gewöhnlich mehr“, schreibt der 
Ökonom und Philosoph Tyler Cowen.
Selbstvertrauen hilft, Prüfungen zu meistern und 
andere zu beeindrucken. Übersteigerter Glaube an 
sich selbst ist geradezu ein Urcharakteristikum von 
Firmengründern. Viele scheitern zwar, andere aber 
heimsen immense Erfolge und Reichtum ein. 
Zum Funktionieren eines Unternehmens kann 
obendrein das ignorante Verhalten seiner Mitarbeiter 
beitragen. André Spicer von der Cass Business School 
in London und Mats Alvesson von der Universität 
im schwedischen Lund untersuchten jahrelang Fir -
men und ihre Arbeitskräfte. „Anfangs dachten wir, 
dass vermutlich die klügsten Angestellten Karriere 
machen. Aber dem war nicht so“, schreibt Spicer. 
Investmentbanken, PR-Agenturen und Bera -
tungsunternehmen etwa suchten nach hochintelligen -
ten Talenten, aber sobald die eingestellt waren, war 
ihre kritische Intelligenz, also das, was sie auszeichne-
te, plötzlich abgeschaltet. Organisatorische Zwänge 
Die hohe Intelligenz des Menschen geht nicht not- 
wendig mit vernünftigem Handeln einher. Manchmal 
sieht es so aus, als ob gerade die Schlauen sich 
besonders dumm anstellen
GEO 08 2017 59
Gerade wenn wir wenig 
Kompetenz haben, trauen wir 
uns besonders viel zu. Die Folge: 
sinnig unser Unterfangen ist
In Unternehmen verlierenhochintelligente Mitarbeiter 
oft ihren kritischen Geist: 
»Funktionelle Dummheit« setzt 
sich durch
GEO 08 201760
A B E R E S G I B T N O C H E I N E N weiteren Grund, 
törichten Aktionen Raum in unserem Leben zu lassen. 
Denn Dummheit und Fortschritt sind sich oft „zum 
Verwechseln ähnlich“, wie der österreichische Schrift
steller Robert Musil bemerkte. Ein dämlicher Schnit
nen führen. 
So wie 1879, als der Chemiker Constantin Fahl
berg mit Teerderivaten im Labor arbeitete und abends 
Brot aß. Fahlberg bemerkte, dass das Brot überra
schend süß schmeckte, und erkannte, dass er verse
hentlich Chemikalien verzehrt hatte, die noch an 
seinen Fingern klebten. Er ging der Sache nach, kam 
dem Zuckerersatzstoff Saccharin auf die Spur und 
wurde damit berühmt.
Oder man denke an die Geschichte des als Kind 
erblindeten Daniel Kish, der probierte, mit der Zunge 
zu schnalzen und über das Echo zu hören, wo ihm 
Hindernisse im Weg stehen. 
Ein Blinder, der eine Fledermaus imitiert und auf 
ter auf den nächsten Darwin Award. Doch die Or
tungsmethode des Amerikaners funktioniert derart 
gut, dass Sehbehinderte in mittlerweile mehr als 40 Ländern sich mittels 
Echosinn orientieren. 
Der Philosoph Ludwig Wittgenstein soll einmal gesagt haben: „Wenn 
die Menschen nicht manchmal Dummheiten machten, geschähe überhaupt 
nichts Gescheites.“
D A S S E S D E M M E N S C H E N S C H W E R F Ä L L T , seinen Hang zur Tor
heit abzulegen, mag obendrein – versteckte – genetische Gründe haben. So 
wertete eine 2014 im „British Medical Journal“ veröffentlichte Studie sämt
liche Darwin Awards der vergangenen 20 Jahre aus. Heraus kam, dass fast 
90 Prozent der „Gewinner“ männlich sind.
Der Reigen reicht vom Teilnehmer einer Motorraddemonstration gegen 
Helmzwang, der während der Protestfahrt stürzte und starb, weil er keinen 
Helm trug, bis zu den drei Barbesuchern, die ein Trinkspiel veranstalteten, 
bei dem sie abwechselnd einen Schnaps kippten und auf eine nicht explo
dierte Landmine stampften. Als die schließlich hochging, zerstörte sie die 
Bar und tötete die drei Trinker.
Die Studie war eher scherzhaft gedacht, hat aber eine ernste Basis. Ge
rade junge Männer neigen häufig dazu, waghalsig zu agieren. Und sie tun 
das vermutlich, weil es sich für sie oft genug auszahlt. Sie können damit 
ihren Mut beweisen und sich unter Altersgenossen Ansehen verschaffen. 
Und sie können damit: Frauen beeindrucken.
Von der Risikofreude der männlichen Hasardeure profitiert womög
wieder Individuen finden, die den Mut haben, Neuland zu betreten. 
und die jeweilige Unternehmenskultur trieben ihnen 
das Querdenken aus.
Das Positive für das Unternehmen: Dank der 
„funktionellen Dummheit“, wie Spicer und Alveson 
das Phänomen nennen, läuft das Geschäft reibungs
loser und effizienter. Wenn Mitarbeiter darauf ver
zichten, Dinge immer wieder zu hinterfragen und 
darauf zu bestehen, Strategien und Projekte kritisch 
abzuklopfen, sind sie effizienter. Reibungsverluste und 
Verunsicherung werden vermieden. Darum schätzen 
viele Chefs „funktionell dumme“ Angestellte und 
befördern sie. Die anderen sind unbequem und haben 
das Nachsehen. 
A
In unserem Gehirn konkurrieren stets mehrere Handlungs -
muster um die Ausführung. Ein ungünstiger Sinnesreiz kann 
dazu führen, dass die falsche Strategie gewinnt
»Wenn die Menschen nicht manch-
mal Dummheiten machten, geschähe 
überhaupt nichts Gescheites«
L U D W I G W I T T G E N S T E I N ( 1 8 8 9 – 1 9 5 1 )
GEO 08 2017 61
D U M M H E I T S C H A D E T D E M J E N I G E N , dem 
sie unterläuft: Sein Pech, könnte man sagen. Aber 
manchmal hat Dummheit auch Folgen weit über den 
Einzelnen hinaus. Etwa wenn Impfverweigerer wider 
besseres medizinisches Wissen sich und ihren Kindern 
die Immunisierung vorenthalten und damit andere 
gefährden. Oder wenn Großbanken die Welt in eine 
Wirtschaftskrise stürzen, weil ihre Anlageexperten in 
kollektiver Ignoranz versäumt haben, Finanzprodukte 
gewissenhaft zu hinterfragen.
Die große Frage lautet: Lassen sich die großen, 
bedrohlichen individuellen und kollektiven Dummhei- 
ten vermeiden? Ist es möglich, auf gute Weise töricht 
zu sein und die Nachteile zu minimieren? 
Blindes Selbstvertrauen könne Menschen helfen, 
Ziele zu meistern, die sonst unerreichbar blieben, sagt 
Dunning. So gesehen könnte es manchmal „närrisch 
sein, weise zu denken“.
Angenommen, jemand bricht zu einer Skiexpe-
dition zum Nordpol auf. Während er sich auf den 
Brettern durch den Schnee schiebt, ist zuversichtliche 
Ignoranz die bestmögliche Geisteshaltung. Aber nie-
mand würde sich wünschen, dass er inkompetent oder 
mit blindem Optimismus geplant hat, welche Aus -
rüstung er für die Expedition braucht. Wenn es darum 
geht, Strategien auszuarbeiten und weitreichende Ent- 
scheidungen zu fällen, ist es besser, alle Eventualitäten 
gründlich abzuwägen.
Weise planen, blauäugig handeln – so lautet also 
das Idealrezept. Doch wohl niemand weiß, wie sich 
das bewerkstelligen lässt. Zumal der Einzelne für 
»Aber so ist’s: je reicher 
die Narrheit, desto größer 
das Glück«
E R A S M U S V O N R O T T E R D A M ( U M 1 4 6 6 – 1 5 3 6 )
Manch einer mag ahnen, dass seine 
Aktion nicht gut ausgehen wird. Trotzdem 
begeht er die Torheit – wie unter Zwang
Wie wir Ausrutscher
vermeiden
Fehler sind wichtig, damit wir aus 
starren Denkmustern ausbrechen können. 
Doch oft sind sie unnötig – und dann 
helfen ein paar Regeln, sie zu umgehen 
Sich konzentrieren – nur nicht zu viel
Oft versagen uns unter Druck die 
Nerven, weil wir unser Handeln zu sehr 
überdenken. Wir begünstigen Fehler, 
wenn wir sie zu aktiv vermeiden wollen. 
Besser: Ver lassen Sie sich auf Ihre 
Automatismen und machen Sie sich klar, 
dass Druck nichts an der eigentlichen 
Handlung ändert.
Pausen einlegen – zur richtigen Zeit
Fehler entstehen, wenn wir überlastet 
sind. In Pausen ordnen wir Gedanken neu 
und finden bessere Lösungen: ohne den 
Rhythmus aus An- und Entspannung keine 
Höchstleistung! Planen Sie Auszeiten 
ein – sie sind Teil Ihres Arbeitsprozesses.
Kontrollieren – aber nicht alles
Je mehr wir kontrolliert werden, desto 
fehleranfälliger werden wir. Dies liegt 
daran, dass für Bewegungen zustän dige 
Hirnregionen gehemmt werden, wenn 
Beobachter uns genau auf die Finger 
sehen. Das spricht dafür, Freiräume zu 
lassen: Natürlich muss das Ergebnis 
einer Handlung überprüft werden, aber 
erst am Ende. Vorher gilt: Kontrolle ist 
gut, Vertrauen ist besser.
Üben Sie – auch den Fehler
Um Fehler zu vermeiden, üben Sie die 
Handlung (zum Beispiel einen Vortrag 
zu halten). Doch üben Sie auch, wie Sie 
mit einem Fehler umgehen. Wenn Sie 
sich bei Ihrem Probevortrag verhaspeln, 
trainieren Sie ein souveränes Ausweich -
manöver, statt von vorn zu beginnen. 
Es gibt keinen unprofessionellen Fehler, 
sondern nur einen unprofessionellen 
Umgang damit.
BESSER DENKEN
GEO 08 201762
»ACH WAS! DAS HÄLT SCHON«
GEO 08 2017 63
 gewöhnlich nicht bemerkt, wann er die Grenze zur 
Torheit überschreitet. Es liegt in der Natur der Sache, 
dass wir in jenen Momenten, in denen wir dem dum
men Bankräuber McArthur Wheeler am meisten 
ähneln, am wenigsten an unserem Tun zweifeln. 
Der beste Rat, den Dunning geben kann: auf 
andere achten. Rat einholen. Prüfen, ob die eigene 
Strategie auffallend davon abweicht, wie die Dinge 
räuber, der sich Zitronensaft ins Gesicht schmiert, 
kann es sich lohnen, den Plan zu überdenken.
O F T L Ä S S T S I C H allerdings erst im Rückblick 
entscheiden, ob eine Aktion tatsächlich dumm ist 
oder vielleicht unerkannt brillant. Oder auch beides. 
So glaubte vor 100 Jahren kaum jemand ernsthaft, 
dass der Mensch einmal ins All reisen könnte. Das 
hielt drei Freunde in Baltimore 1928 indes nicht davon 
ab, eine Rakete für einenFlug zum Planeten Venus 
zu bauen. 
Über acht Monate errichteten die Männer – ein 
Schreiner, ein Steinmetz und ein Mathematiker – ein 
sieben Meter hohes Gefährt aus Eisenstangen, das 
sie mit lackiertem Segeltuch bespannten. Um das 
Raumschiff zu isolieren und Trinkwasser an Bord zu 
haben, kleideten sie das Innere mit gefüllten Rohren 
aus. Das Projekt kostete sie rund 5000 Dollar (nach 
heutigem Wert rund 70 000 Euro).
Die Männer bauten die fertige Rakete auf dem 
Bürgersteig in einem Wohnviertel auf. Einer von ih
nen kletterte als Pilot hinein. Seine Ausrüstung be
stand aus ein paar Taschenlampen und einem Erste
Hilfe Kasten. Als das Triebwerk startete, züngelten 
Flammen um die Konstruktion und schwarze Rauch
wolken wallten so dick über die Straße, dass der Ver
kehr anhalten musste. Die Rakete hob nie ab. Enttäuscht gaben die drei 
Männer auf. 
Ein paar Monate später startete ein anderer Raketenbauer einige Hun
dert Kilometer nordöstlich von Baltimore seine eigene Raumkapsel. Der 
Ingenieur hatte viel Forschung investiert, trotzdem verlachten ihn viele. 
Seine Rakete hob tatsächlich ab, flog aber nur wenige Hundert Meter weit. 
Die Lokalzeitung spottete: „Rakete, die zum Mond fliegen soll, verpasst 
Ziel um 238 799 ½ Meilen.“
er gilt heute als einer der Begründer der Raumfahrt.
Wie lassen sich die schlimmsten 
Absurditäten verhindern? Ganz 
einfach: die Folgen durchdenken, 
bis ins Detail 
M A R I E V O N E B N E R - E S C H E N B A C H ( 1 8 3 0 – 1 9 1 6 )
»Alberne Leute sagen 
Dummheiten, gescheite Leute 
machen sie«
UTE EBERLE beging mit 23 Jahren eine Torheit – zumindest sahen das 
damals Freunde und Familie so: Sie heiratete einen Mann, den sie erst sechs 
Monate kannte. Heute, 22 Jahre später, ist sie weiterhin mit ihm zusammen. 
GEO 08 201764
O
K U R Z V O R M I T T E R N A C H T am 19. Mai 2012 
in München. Finale der Champions League, Bayern 
München gegen Chelsea London. Es steht unent -
schieden im Elfmeterschießen, und Bastian Schwein-
steiger muss als letzter Schütze 
das tun, was in drei Vierteln aller 
Fälle gelingt und für einen Welt-
klassefußballer wie ihn keine gro-
ße Kunst ist: Er muss treffen, ein 
motorisches Kinderspiel – eigent-
lich. Doch er verschießt, der Ball 
knallt gegen den Pfosten, Bayern 
München verliert. 
Keine vier Wochen zuvor hat-
te Schweinsteiger den letzten Elf-
meter im Halbfinale gegen Real 
Madrid eiskalt versenkt.
Eben noch ein gefeierter Elf -
meterheld, dann die tragische Fi-
gur im großen Finale. „Ist doch 
nur menschlich“, werden Sie sa-
gen, „Fehler passieren nun einmal.“ 
Schließlich bauen wir ständig 
kleine Missgeschicke in unsere 
Abläufe ein. Fast scheint es, als wäre das Gehirn genau 
das, was wir in unserer auf Effizienz und Perfektion 
getrimmten Welt nicht benötigen: schusselig, schlam-
pig und alles andere als akkurat. Wie oft wünschen 
wir, uns besser zu konzentrieren, wie oft rutscht uns 
ein Flüchtigkeitsfehler durch oder sind wir von un-
seren Dummheiten genervt. 
Kein Wunder, dass wir Fehler radikal bekämpfen 
und nicht tolerieren. Ein Tippfehler im Bewerbungs -
schreiben? Keine gute Idee. Den Namen des Gegen-
übers vergessen? Ziemlich peinlich. Wer Fehler macht, 
ist ein geistiger Verlierer. Oder 
was soll gar gut daran sein, wenn 
unser Gehirn solchen mentalen 
Mist baut und uns immer wieder 
im Stich lässt?
Viele stellen sich vor, dass das 
Gehirn beim Denken und Han -
deln vorgeht wie ein hierarchisch 
organisierter Betrieb: Der Boss 
sagt, wo es langgeht, und delegiert 
die Angelegenheit an die anderen 
Abteilungen, bis jeder weiß, was 
er zu tun hat. Aus A folgt B. 
Wenn am Schluss ein Fehler pas-
siert ist, muss vorher etwas schief-
gelaufen sein. Schließlich folgt 
alles einer linearen Logik. Meis-
tens jedenfalls.
Doch das Gehirn funktio -
niert anders. Unsere Handlungen 
werden nicht vorher exakt geplant und dann penibel 
ausgeführt. Vielmehr herrscht in unseren Nervennetz-
werken ein ziemliches Durcheinander an unterschied-
lichen Handlungsmustern, von denen sich auch mal 
ein falsches durchsetzen kann.
Unser Denkorgan ist alles andere als perfekt: Es ist ungenau, 
schlampig und liebt den Fehler. Doch der Lapsus im Gehirn 
hat Methode. Nur so bleiben wir Maschinen überlegen. Die mögen 
reibungslos arbeiten – kreativ aber sind sie nicht 
WARUM DIE 
SCHWÄCHEN DES GEHIRNS 
UNSERE STÄRKEN SIND
N E U R O B I O L O G I E
Wenn wir einen 
Flüchtigkeitsfehler 
begehen, registriert 
das Gehirn den 
Schnitzer, noch 
bevor er uns be- 
wusst wird. Sofort 
fällt im Stirnhirn 
das elektrische 
Potenzial ab. Die 
Folge: Die Aufmerk -
samkeit steigt 
Text : HENNING BECK
DR. HENNING BECK 
ist Neuro wissenschaftler 
und GEO-Kolumnist 
(Seite 112) . In seinem 
Buch „Irren ist nützlich“ 
erkundet er die Mängel 
des Gehirns.
GEO 08 2017 65
rierenden Muster überlagert – und der Fehler rutscht 
uns prompt heraus. 
Um das zu vermeiden, kontrolliert eine angren
zende Hirnregion, was in den Basalganglien vor sich 
geht: die vordere Gürtelrinde (Gyrus cinguli), die mit 
dem planenden Stirnhirn verbunden ist. Die Gürtel
rinde unterdrückt falsche Handlungsmuster und be
günstigt diejenigen, die mit dem 
doch ist dieser Filter nicht perfekt, 
und je mehr Sinnesreize auf uns 
einstürmen, desto eher rutscht ein 
inkorrektes Muster durch.
Nach einem Fehler sorgt die 
Gürtelrinde zusammen mit vorde
ren Hirnregionen dafür, dass der 
gleiche Patzer nicht noch einmal 
passiert. Trotzdem bleibt das Ge
hirn bei seinem grundlegenden 
Denkprinzip: Es lässt ein dynami
sches Durcheinander an möglichen 
Handlungen zu, bis sich eine Vari
ante durchsetzt – manchmal halt 
eine falsche. 
Das ist unangenehm und gleichzeitig wunderbar. 
Denn Fehler machen zu können ist die Vorbedingung 
für neue Ideen.
M
M A I 1 9 9 7 , die mentale Vormachtstellung der 
Menschheit steht auf dem Spiel. Garri Kasparow, 
weltbester Schachspieler, erhebt sich vom Brett und 
gibt auf: Zum ersten Mal besiegt ein Schachcompu
ter, nämlich Deep Blue von IBM, einen amtierenden 
Weltmeister über mehrere Partien. 
Bemerkenswert ist, wie der Computer zum Sieg 
kam: Denn in der zweiten Partie machte Deep Blue 
einen Zug, den Kasparow vorher noch nie gesehen 
hatte, einen unlogischen Zug, der dem Computer auf 
den ersten Blick einen Nachteil brachte. Vielleicht 
das erste Aufblitzen echter Maschinenkreativität? 
Kasparow war irritiert, er kam aus dem Rhythmus 
und verlor. 
Als die Techniker später die Rechenprotokolle 
auswerteten, stellte sich heraus: Im konkreten Mo
ment des „unmaschinellen“ Zugs war die Maschine 
überlastet gewesen. Um das Spiel überhaupt fortzu
setzen, hatte das Programm einen Zufallszug ausge
wählt. Es war ein Fehler, der den Sieg über Kasparow 
brachte – und gleichzeitig wahrscheinlich der einzige 
(und letzte) Moment in der Computergeschichte, in 
dem eine Maschine wirklich kreativ war.
Wenn man wissenschaftlich untersuchen will, 
auf welche Weise das Gehirn Aussetzer produziert, 
benötigt man nur zwei Dinge: eine Aufgabe und eine 
gaben, bei denen unter Zeitdruck auf Signale reagiert 
werden muss, reichen dann aus, um bei einem Pro
banden fehlerhafte Handlungen zu erzeugen. 
Eine solche Aufgabe könnte 
lauten, bei einem zentral auf einem 
Bildschirm eingeblendeten V mit 
tralen W mit links. Um den Test zu 
erschweren, tauchen außerdem Stör 
buchstaben (sogenannte Flanker) 
auf – fertig ist der Eriksen Flan
ker Test, der 1974 von Barbara und 
Charles Eriksen entwickelt wurde:
WWVWW
VVWVV
VVVWW
WVWVW
Auch wer sich vornimmt, nur 
auf den zentralen Buchstaben zu 
achten, kommt mitunter durchein
ander und drückt falsch. Doch war um ist das so?
Bevor das Gehirn eine Aktion initiiert, legt es 
zunächst ein Handlungsziel fest, beispielsweise: Bei 
einem zentralenV drücke mit rechts. Dafür zuständig 
sind vordere Hirnregionen (im präfrontalen Kortex), 
in denen bewusste Aufmerksamkeitsprozesse verar
beitet werden. Gleichzeitig trifft in den Sehzentren 
des Hinterkopfs eine Vielzahl an optischen Sinnes
reizen ein. Ob wir ein V oder ein W auf dem Bild
schirm sehen, ist da schon klar. Nicht jedoch, wie wir 
handeln sollen, denn dazu muss die Bildinformation 
mit dem Handlungsziel verglichen werden.
Etwa auf halber Strecke zwischen dem Stirnhirn 
und der Sehrinde liegt eine Region, die man Basal
trale (basale) Verschaltungsstellen zwischen Hirnre
gionen. Hier werden die Sinnesreize mit unserem 
Handlungsziel in Einklang gebracht und verschiede
ne Handlungsmuster geformt.
Fehler passieren an dieser zentralen Stelle, wenn 
die unterschiedlichen Handlungsmuster miteinander 
konkurrieren. So könnte bei der Buchstabenfolge 
WVWVW ein Muster lauten: „Drück rechts, du 
siehst gerade ein V.“ Oder: „So viele W auf dem Bild
schirm, drück mal links.“ Oder: „Die Zeit läuft gleich 
ab, drück irgendwas.“ 
Vielleicht begünstigt ein bestimmter Sinnesreiz 
ein bestimmtes Muster, obwohl es falsch ist. Dann 
kann es so stark werden, dass es die anderen konkur
Unter Druck, etwa 
in einer Prüfung, 
steigt häufig die 
Fehlerrate: Wenn 
die Angst vor 
dem Versagen uns 
packt, werden 
jene Hirnzentren 
aktiviert, die auch 
für Schmerzemp -
findung zuständig 
sind. Das bindet 
Denkressourcen, 
die für die Aufga- 
ben fehlen
Ein Schachcomputer 
irritiert den 
amtierenden Welt -
meister – mit einem 
unlogischen Zug 
GEO 08 201766
DIE ZUKUNFT GEHÖRT ALLEN
Die genannten Features sind teilweise optional bzw. in höheren Ausstattungen verfügbar. 1Die Nutzung der OnStar Services 
erfordert eine Aktivierung, einen Vertrag mit der OnStar Europe Ltd. und ist abhängig von Netzabdeckung und Verfügbarkeit. 
Der WLAN Hotspot erfordert einen Vertrag mit dem mit OnStar kooperierenden Netzbetreiber. Im Anschluss an die jeweiligen 
Testphasen werden die OnStar Services kostenpflichtig. Die Leistungsumfänge der entgeltpflichtigen Leistungen können sich 
von denjenigen in den kostenlosen Testphasen unterscheiden. Informationen zu Details und Kosten unter www.opel.de/onstar. 
Es gelten die jeweiligen allgemeinen Geschäftsbedingungen. Abb. zeigt Sonderausstattung.
Der neue Opel
INSIGNIA
 Klassenbestes LED Matrix Licht
 Automatischer Notbremsassistent mit Fußgängererkennung
 24 Stunden Persönlicher Assistent und WLAN Hotspot1
Heute sind Schachprogramme unschlagbar. 
Computer besiegen uns in Go und Poker. Aber nicht 
weil sie das Spiel kreativ interpretieren, sondern weil 
sie eben keine Fehler mehr machen. Gegen einen 
Menschen ist das eine prima Strategie, denn uns un
terlaufen ständig Fehler. Doch unsere Stärke liegt 
woanders: Wir können ein neues Spiel erfinden, mit 
neuen Regeln und Figuren. Und dann setzen wir uns 
mit ein paar Freunden hin und probieren es aus. 
Würden wir immer schnell, fehlerfrei und perfekt 
handeln, wären wir sicher äußerst intelligent. Intelli
genz reicht aber nicht, um die Welt 
zu verändern. Denn dazu muss man 
ab und an etwas Neues wagen, ohne 
vorher zu wissen, ob es gut geht. 
Sprich: Man muss sich trauen, Feh
ler zu machen. Das Gehirn kalku
liert dieses fehlerhafte Denken sys
tematisch ein und ist dadurch mehr 
als nur perfekt: Es ist anpassungs
fähig. Denn pure Perfektion mach
te uns letztendlich so leistungsfähig 
wie ein monokultiviertes Getreide
schnell kaputt, wenn sich eine Klei
nigkeit ändert.
Dennoch hätten viele Menschen 
gern ein fehlerfreies Gehirn – vergessen dabei aller
dings, was dieses auch wäre: langweilig, vorhersehbar 
und wenig kreativ. Umgekehrt wäre ein permanent 
Mist bauendes Denkorgan auch nicht besonders nütz
lich. „Jetzt trau ich mich mal, einen Fehler zu machen“ 
könnten auch berühmte letzte Worte sein. Es ist die 
raffinierte Balance, die unser Gehirn so überlegen 
bedingungen klar sind – dann wieder verrückt und 
ineffizient genug, ebendiese Rahmenbedingungen 
infrage zu stellen und Denk regeln zu brechen. 
V
V I E L E D I S R U P T I V E G E S C H Ä F T S M O D E L L E 
der heutigen Zeit sind durch solche Regelbrüche ent
standen: Der Fahrdienstleister Uber hinterfragt, ob 
man Taxifahrer überhaupt noch braucht. Der Nach
richtendienst Snapchat bricht mit dem Prinzip, Nach
richten dauerhaft zu speichern. Und die Reiseplatt
form Airbnb wendet sich von der Grundregel des 
Hotelgewerbes ab, dass Reisende ein Hotel für eine 
Übernachtung brauchen. Heute optimieren auf Per
fektion getrimmte Algorithmen die Geschäftsabläufe 
der IT Unternehmen, doch deren kontraintuitive Ge 
schäftsidee konnten sie nicht erahnen. Und auch nicht, 
ob diese Firmen in fünf Jahren bankrott oder Welt
marktführer sind. 
Dass wir in Zukunft wenig Angst haben müssen, 
von künstlicher Intelligenz ersetzt zu werden, liegt 
deswegen nicht daran, dass wir schneller, perfekter 
oder intelligenter wären als Maschinen. Sondern am 
Gegenteil: Wir sind unpräzise, langsam und fehlerhaft. 
Genau deswegen können wir die Welt verändern.
Anstatt Ausrutscher prinzipiell zu verteufeln, 
sollten wir uns klarmachen, was sie auch sind: die 
geheime Stärke unseres Denkens. Denn wo bliebe 
ohne sie der Raum für Freiheit, für 
Mut und Heldentaten? Für die 
Draufgänger, die Erfinder und Ent
decker? Für die Verrückten und 
anfangs Belächelten, deren Ideen 
vielleicht kompletter Unsinn sind – 
und manchmal doch die Welt um
krempeln? Für die Regelbrecher 
und Visionäre, die niemals wirklich 
sicher sind, ob ihre Ideen bahnbre
chend oder Quatsch sind?
Nur dadurch, dass wir Fehler 
machen können und in unserem 
Denken gezielt einkalkulieren, sind 
wesen: Wir sind frei, weil wir die 
Grundsätze unseres Lebens ändern können. Wir sind 
kreativ, weil wir uns nicht immer an feste Regeln bin
den lassen. Und wir sind humorvoll, weil uns jeder 
unerwartete Bruch unserer Erwartung, jede Überra
schung in Erstaunen versetzt. Es sind diese Regelbrü
che und Veränderungen, die unser Leben bereichern. 
Eine fehlerfreie Welt mag perfekt sein, doch sie wäre 
auch das Ende allen Fortschritts. Denn wenn alles 
perfekt ist, wohin solltest du dann noch schreiten?
Zum Glück sind wir viel zu neugierig, um uns 
mit dem Perfekten zu begnügen. Und noch etwas hat 
die Erforschung menschlicher Fehler gezeigt: Bei 
deren Entstehung spielen viele Hirnregionen eine 
Rolle. Doch eine fehlt: die Region für Angst. Denn 
eine eingebaute Angst vor dem Fehler haben wir nicht, 
sie wird uns erst im Laufe der Zeit beigebracht. 
Kein Kind überlegt, ob es gleich auf der Nase 
liegt, wenn es mit dem Laufen beginnt. Wie oft sind 
wir hingefallen – und wieder aufgestanden. Gerade 
deswegen sollten wir nie den Mut verlieren, etwas 
Neues auszuprobieren. Denn etwas zu machen ist 
wichtiger, als es perfekt zu machen. Oder wie es der 
Weltfußballspieler Roberto Baggio sagte, nachdem er 
im WM Finale 1994 für Italien den wichtigsten aller 
Elfmeter verschossen hatte: „Elfmeter vergeben nur 
diejenigen, die den Mut haben, sie zu schießen.“
Schüler lernen 
eine neue mathe- 
matische Methode 
leichter, wenn 
sie sich an dem 
Problem zunächst 
allein versuchen, 
ohne vorher instru- 
iert zu werden. 
Die Fehler, die sie 
begehen, helfen 
ihnen, die Lösung 
besser zu verstehen
»Jetzt trau ich mich 
mal, einen Fehler 
zu machen« könnten 
auch berühmte 
letzte Worte sein
GEO 08 201768
Heft oder Abo bestellen unter 040/5555 89 90 oder auf www.walden-magazin.de
Für Männer. Für draußen.
Das Magazin.
Jetzt im 
Handel!
Mi
t A
l pen
panor a ma
z u m Au s k l a
p p
e n
Die besten
 
BERGHÜ
TTEN
Da und schon wieder weg: 
Höchstens zehn Sekunden 
braucht ein Maulwurf, 
um sich in lockere Erde 
einzugraben. Wer ihnfangen 
will, muss also schnell sein GEO 08 201770
 
Der Maulwurf ist ein walzenförmiger, schaufelhändiger 
Tunnelbohrer, perfekt angepasst an das Leben unter Tage – 
und der natürliche Feind des gepflegten Grüns. 
Menschen rücken dem Buddler mit fast allen Mitteln 
zu Leibe: ein Bericht von der Rasenfront 
Gärtner gegen
Grabowski
A R T E N S C H U T Z
Fotos: Solvin Zankl 71
U S D E M K O F F E R R A D I O 
klingt ein Lied von Vicky Lean- 
dros, als Pahlke sagt, er sei ei-
gentlich gegen Gift. Erstens, weil er kein 
Tierquäler sei. Zweitens, weil man sich die 
Böden kontaminiere. Und es natürlich Un -
sinn sei, einen Feind zu bekämpfen, wenn 
man sich am Ende selbst schädigt. 
38 Maulwurfshügel hat er in diesem 
Frühjahr in seinem Garten gezählt. An 
einigen Stellen hat sich der Rasen immer 
noch nicht erholt. 
Pahlke sagt: „Lieber einmal radikal, 
und denn ist Schluss!“ 
Gegen die Flugzeuge kann er nichts 
tun, alle zwei Minuten zerschneidet das 
Geräusch tief fliegender Maschinen die 
Stille der Kleingartenkolonie im Norden 
Berlins. Bernd Pahlke stört auch kaum 
mehr, dass er die Kerosinrückstände von 
seinem Obst („’ne richtige Ölschicht“) 
abwaschen muss. Aber es gibt Dinge, an 
die wird er sich nie gewöhnen. Und jeder, 
der sich seinem Grundstück nähert, ob 
Mensch oder Tier, sollte das auch wissen: 
Hier steht jemand, der wehrhaft ist.
Das Verhältnis von Mensch und 
Maulwurf ist angespannt, das kann man 
sagen. Beide, Gärtner und Maulwurf, gra-
ben bekanntlich gern. Allerdings haben sie 
radikal unterschiedliche Ansichten über 
das ideale Erscheinungsbild einer Grün-
fläche. 
Ein Maulwurf weiß nichts von akku-
raten Beetkanten, gleichmäßig gewachse-
nem Zierrasen – und dem Wunsch des 
Menschen, die Natur so zu zügeln, dass sie 
ihm ausschließlich das schenkt, was er von 
ihr will. Wenn der Maulwurf auf den 
Menschen trifft, entwickelt sich daher sel-
Mit seinen winzigen Augen 
kann der Maulwurf nur hell 
und dunkel unterscheiden. 
Wichtiger beim Wühlen sind 
seine rosige Rüsselscheibe 
und die Sinneshaare an 
seiner Schnauze. Sie liefern 
dem Tier ein genaues Bild 
seiner Umgebung und zeigen 
ameisen und Insektenlarven 
stecken, die er beim 
Tunnelbau ausgräbt. Vor 
allem aber frisst er den bei 
Gärtnern sehr beliebten 
Regenwurm. Ihn beißt er ins 
Vorderende und lähmt damit 
die Beute: So bleiben die 
Vorräte frisch, aber können 
nicht fliehen
Text: ANDREAS WENDEROTH
GEO 08 201772
A
„Wer den unter Artenschutz gestellt 
hat, hatte wahrscheinlich Mitleid, weil er 
blind ist“ – Maulwürfe können zwar her-
vorragend hören, aber nur hell und dunkel 
unterscheiden. 
„Oder er war selbst blind“: Denn sonst 
hätte er ja sehen können, wie das Tier im 
Garten wütet. 
Und statt ausschließlich Schädlinge 
zu fressen wie Engerlinge, Schnakenlarven 
oder Schnecken, vergreift der Maulwurf 
sich mit allergrößtem Appetit an wertvol-
len Regenwürmern, die den Boden auflo-
ckern sollen. 
Meist attackiert der Maulwurf vor -
mittags so gegen halb zehn Pahlkes Gar-
ten und Pahlkes Ordnungssinn. 
Dann bebt sanft der Boden, bröckelt, 
hebt sich: Erde türmt sich zu einem Hügel, 
25 Zentimeter im Durchmesser und fast 
ten eine Liebesgeschichte. In der Regel 
geht es um stetig wiederkehrendes Klein-
gärtnerleid. Und um Abschreckung, Auf-
rüstung und Wut, die manchmal so weiß -
glühend wird, dass sogar Blut fließt. 
I N 7 5 - J Ä H R I G E R Detmolder 
war zum Beispiel dabei beobach-
tet worden, wie er einen Maul-
wurf mit einer Apparatur erschlug, die die 
„Bild“-Zeitung zum Begriff „Killerforke“ 
verleitete – einem Holzstiel, an dessen 
Ende eine Metallplatte mit 30 Zentimeter 
langen Eisennägeln befestigt war. In erster 
Instanz wurde der Rentner zu 1500 Euro 
Strafe verurteilt. 
In einem Wald bei Olpe wiederum 
fand ein Förster einen toten Maulwurf. 
Mit den Hinterfüßen war er an bunte Luft- 
ballons gefesselt, dazu ein handgeschrie-
benes Schild: „Vorsicht, ich stehe unter 
Naturschutz“; als Kommentar zu einer Vor- 
schrift, die nicht wenigen Kleingärtnern, 
sagen wir mal, etwas aufstößt. 
Nach Anlage 1 der Bundesartenschutz- 
verordnung ist es verboten, dem Europä-
ischen Maulwurf „nachzustellen, ihn zu 
fangen, zu verletzen oder zu töten“; bei 
Verstößen droht ein Bußgeld. Talpa euro-
paea nimmt damit nicht einmal eine Son -
derrolle ein, alle heimischen Säugetiere 
genießen denselben Schutzstatus; ausge-
nommen sind lediglich „Schädlinge“ wie 
etwa Wühlmäuse. 
„Also, wer muss hier eigentlich vor 
wem geschützt werden?“, fragt sich Pahlke, 
der eigentlich anders heißt, aber wegen 
etwaiger strafrechtlicher Konsequenzen so 
genannt werden möchte – und erst recht 
nicht fotografiert werden will. 
73
E
ebenso hoch (Gift für Pahlkes Rasenmä
herblätter! Vor allem die ausgeworfenen 
Steine!). Im Aushub liegt das Loch, um 
das es dem Maulwurf eigentlich geht. Es 
irdisches Tunnelsystem, das er unermüd
lich patrouilliert und verbessert, um seinen 
Appetit zu stillen. 
Sein Stoffwechsel ist so rasant, dass 
er jeden Tag eine Menge an Kleingetier 
verspeisen muss, die mindestens der Hälf
te seines Körpergewichts von rund 100 
Gramm entspricht. Bereits nach einem 
Tag ohne Nahrung kann er verhungern. 
Vor allem aber arbeitet er, um nicht zu 
ersticken. Weil in den engen Gängen die 
Konzentration von Kohlendioxid hoch ist, 
stoffgehalt aber niedrig, muss das Tierchen 
für Frischluft sorgen, sprich: neue Hügel 
buddeln. Mit bis zu sieben Metern pro 
Stunde gräbt sich ein Maulwurf durchs 
Erdreich. 
Da sein Fell keinen Strich hat, kann 
er sich dabei vorwärts wie rückwärts
schieben, die Frisur sitzt. 
Wird er müde, hält er ein Nickerchen 
in extra angelegten Schlafkammern. Am 
Nachmittag dann legt er eine zweite 
Schicht ein, vergrößert den ersten Haufen, 
errichtet einen neuen oder, wenn er gut 
drauf ist, gleich mehrere. 
Der Druck, den seine fünffingrigen 
Grabschaufeln und der Zusatzdaumen auf 
die Erde ausüben, entspricht dem bis zum 
20 Fachen seines ei genen Körpergewichts. 
Wollte ein Mensch Ähnliches vollbringen, 
müsste er auf allen vieren satte 1200 Kilo
gramm vor sich herschieben. 
I G E N T L I C H K Ö N N T E Pahl
ke die Sache ruhig angehen las
sen. Der Garten erdet ihn, hier 
kommt er seit fast 20 Jahren zur Ruhe, 
während er den Pflanzen beim Wachsen 
zuschaut. Drei bis vier Stunden täglich 
wühlt er mit bloßen Händen in der Erde, 
harkt und wässert und empfindet tiefes 
Glück dabei.
Zwischen Gartenzaun und Regenton
ne hat er sich das sprichwörtliche kleine 
Paradies erschaffen: Der Duft von Rosen 
mischt sich in feinem Verhältnis mit dem 
tronenmelisse. 
Neben zwei Reihen Möhren wachsen 
Zwiebeln (und halten so die Möhrenfliege 
fern, die den Zwiebelduft nicht schätzt), 
die Gurken hat er exakt zwischen den 
Bohnen platziert (um Bohnenschädlinge 
GEO 08 201774
E
strauch lässt sein Rhododendron gerade 
ein bisschen den Kopf hängen, obwohl er 
genug Wasser bekommt. Vermutlich weil 
eine Linde versucht, sich zwischen die 
Wurzeln zu drängen. Pahlke wird ihr den 
Weg weisen. Wie allem, das unbefugt ver
sucht, sich in seinem Reich breitzumachen.
„Verstehense mich nicht falsch“, sagt 
er und zieht an der Selbstgedrehten, er 
hasse den Maulwurf nicht: „Er nervt mich 
nur.“ Und füge ihm außerdem persönlich 
Schaden zu. Auf dem Acker kann der 
Maulwurf seinetwegen 1000 Hügel bauen, 
was außerhalb seines Gartens passiert, in
teressiert Pahlke nicht. „Aber im Garten, 
da muss man den Anfängen wehren!“ 
„Sehense“, sagt er und zeigt mit inne
rer Erregung die Handy Fotos, die die 
Erdbahnen auf der Grasnarbe dokumen
tieren: „Hier fängt er an, zieht sich hier 
hoch, und geht dann hier rüber.“ Als der 
finger Riesenkirsche näherte, gingen bei 
Pahlke die Warnblinkeran: Wenn er unter 
den Baum vorstieße, griffe er auch die 
Wurzeln an. Nicht gezielt wie die Wühl
maus, die sie auffrisst; eher zerkratzt der 
Maulwurf sie mit seinen scharfen Krallen. 
Sozusagen ein Kollateralschaden seiner 
unterirdischen Buddelei. 
V E N W A C H T M A N N I S T seit 
mehreren Jahren als Landesgar
tenfachberater im Landesverband 
Berlin der Gartenfreunde zuständig für die 
Sorgen von rund 70 000 Kleingärtnern – 
und damit automatisch auch für den 
Maulwurf. Meistens wird er von Gärtnern 
konsultiert, die bereits alles probiert haben: 
Dem Gärtner mögen 
angesichts eines frischen 
Maulwurfshaufens die Haare 
zu Berge stehen, seinem 
Gegner wachsen sie immer 
senkrecht: Weil sein Fell 
keinen Strich hat, ist 
Grabowski mit dem Hintern 
zuerst fast genauso 
schnell wie mit dem Kopf 
voran. Mit dem nackten, 
mit Tasthaaren besetzten 
Schwanz hält er im Rück -
wärtsgang den Kontakt zum 
Erdreich: Dessen Länge 
von zwei bis vier Zentimetern 
entspricht ungefähr 
dem Radius der Tunnel
75
S
Buttersäure in die Gänge schütten, Kai-
serkronen pflanzen, Hunde- und Katzen -
haare oder mit Lavendelöl, wahlweise mit 
Petroleum getränkte Lappen in die Löcher 
stopfen. 
Manche stecken solarbetriebene Ul-
traschallgeräte in den Rasen, die hochfre-
quente Töne aussenden und die Sven 
Wachtmann, der sie hören kann, „derma-
ßen auf die Kette gehen“, dass er diese 
akustischen Maulwurfsscheuchen gleich 
als Erstes abstellt, wenn er in einem Gar-
ten auf sie trifft.
In der Regel breitet Wachtmann vor 
den Rat suchenden Gartenfreunden aus, 
was legal möglich ist. 
Das Problem: Die meisten Mittel 
wirken nur manchmal. Auch weil Maul-
würfe individuell zum Beispiel auf Gerü-
che reagieren. Was dem einen stinkt, lässt 
den anderen kalt. Merke: Kein Maulwurf 
gleicht dem anderen. Und er bleibt am 
Ende immer Sieger im Kampf um die Ra -
senfläche. Wenn der Gegner, sprich: Gärt-
ner, nicht foult ... 
Natürlich gibt es effektive Möglich-
keiten, das Tier loszuwerden, Zinkphos-
phid zum Beispiel. Aber um das zu benut-
zen, braucht man eine selten ausgestellte 
Ausnahmegenehmigung, die zum Töten 
des Tieres berechtigt. Das ist sonst strafbar 
und wird teuer: Maulwurfsmord kann bis 
zu 50 000 Euro kosten. 
Wer also keinen Golf- oder Fußball -
platz betreibt oder die Rasenflächen um 
den Bundestag pflegt, sollte ausschließlich 
mit legalen „Vergrämungsartikeln“ operie-
ren, rät Wachtmann, der das raten muss. 
„Das sind keine Tötungsmittel“, sagt 
er und macht dann eine Andeutung, die 
man als versteckten Tipp verstehen könn-
te: „Was für Wühlmäuse schädlich ist, wird 
für’n Maulwurf höchstwahrscheinlich auch 
nicht gut sein ...“ 
Wühlmausportionsköder auf Pflanzen- 
basis zum Beispiel. An die allerdings geht 
der Maulwurf als bekennender Fleisch-
fresser höchstens versehentlich ran. „Kann 
funktionieren“, sagt Wachtmann, „Beto-
nung auf kann.“
„Fallen mit Selbstschussautomatik 
sind besser.“ Wachtmann redet sich lang-
sam warm. „Sind aber natürlich sehr um-
stritten.“ 
Und auch nicht ganz ungefährlich: 
Ein Achtjähriger, der damit spielte, löste 
eine Druckwelle aus, die in seiner Bauch-
decke ein zwei Quadratzentimeter großes 
Loch hinterließ. „Ist wirklich nicht ohne“, 
sagt Wachtmann. 
GEO 08 201776
1
1
2
34
5
5
6
6
1 Maulwurfshügel . 2 eingestürzte Gänge . 3 laubgepolsterter Wohnkessel mit Jungtieren . 4 Jagdgang
5 Vorratskammmer . 6 eingemauerte Regenwürmer 
Untertagebau
So wohnt der Wühler in der Tiefe 
unter dem Rasen
Gartenzaun hinweg mit einem Journalis -
ten. Da gibt es dann plötzlich nur noch 
Maulwurfsfreunde in der Kolonie, die an-
geblich einfach warten, bis das Tierchen 
von allein verschwindet. Nur wenige wa-
gen sich ein bisschen aus der Deckung: 
„Der Schweinekerl macht alles kaputt!“ 
Aber dann heißt es über die Hecke 
(maximale Höhe laut Kleingartenordnung: 
1,25 Meter): „Ich scheiß keinen an hier 
drin!“ Angeblich hat dann der Hund ge -
reicht, um den Maulwurf zu vertreiben. 
Oder die Schwiegermutter. 
„Von der Sache her“, sagt Pahlke, der 
seine Sätze häufig mit „von der Sache her“ 
einleitet, „von der Sache her ist der Maul-
wurf eigentlich niedlich.“ So ein kleines 
Wesen in seinem Stoff-Fell, die patschigen 
Pfötchen, mit denen er unaufhörlich bud -
deln will. Die kleine spitze Nase und die 
R A G T M A N Gartenfreund Pahl- 
ke nach einer geeigneten Metho -
de, sich des Maulwurfs zu erweh-
ren, deutet er energisch auf den Spaten, 
der hinten am Schuppen lehnt: „Meine 
Devise: Guckt er raus, kriegt er eine vorn 
Kopp!“ Man muss gut hinschauen können, 
geduldig und regungslos sein. 
In der Regel sitzt Pahlke also auf dem 
Gartenstuhl zwischen Regentonne und 
Hollywoodschaukel und schaut, ob sich 
irgendwo ein bisschen Erde nach oben 
bewegt. „Dann brauchen Sie bloß noch 
warten.“ Der klassische Dreier akkord: an-
schleichen, ausholen, beherzt zuschlagen. 
Pahlke sagt, er sei nicht der Einzige, 
der es so handhabt: „90 Prozent hier in der 
Anlage sagen: Spaten, und das war’s!“ Al-
lerdings sprechen die meisten natürlich 
nicht darüber. Erst recht nicht über den 
Wie behaglich, wie 
geruhsam: Der Maulwurf 
zieht trockene Blätter 
viele Meter weit durch die 
Gänge, um mit ihnen sein 
Nest auszupolstern. 
Die Maulwürfin bringt 
dort einmal im Jahr 
zwei bis sieben Jungtiere 
zur Welt. Sie leben nur 
wenige Monate im Revier 
der Mutter und machen 
sich im Sommer auf, ein 
eigenes Gangsystem zu 
ergraben, das sich je nach 
Geschlecht des Tieres und 
Qualität des Bodens viele 
Hundert Quadratmeter unter 
der Erde ausbreiten kann. 
Im Spätwinter sammelt der 
Maulwurf gelähmte Regen -
würmer in Vorratskam- 
mern oder drückt sie in die 
Tunnelwände
SCHÖNER WOHNEN
77
F
fast blinden Augen, immer ein bisschen 
verklebt, als würde er unter einer chroni-
schen Bindehautentzündung leiden. Pahl -
kes Enkelin jedenfalls war hingerissen, als 
er neulich mal einen mit blanken Händen 
gefangen hatte. 44 spitze Zähnchen hat 
der Maulwurf, aber wenn man beherzt um 
den Körper greift, weiß Pahlke, „dann ist 
der Kopf ja blockiert.“
„Opa, machste den jetzt tot?“, hat die 
Enkelin etwas ängstlich gefragt, als sie auf 
den Maulwurf in seiner Hand blickte, und 
Pahlke hat natürlich geschwindelt: „Nein, 
mach ich nicht!“ Kann doch das Mädchen 
nicht erschüttern, die noch an das Gute 
glaubt, an die Harmonie von Mensch und 
Tier. Hat ihm also gesagt, dass der Maul-
wurf ein Nutztier ist, weil sie das ja auch 
in der Schule lernen: „Obwohl es natürlich 
Schwachsinn ist.“ 
Unter den aufmerksamen Blicken der 
Enkelin hat er den Maulwurf schließlich 
jenseits der Gartenkolonie, hinten an den 
Feldern, wieder ausgesetzt. Und sich nicht 
anmerken lassen, dass er, wäre die Enkelin 
nicht dabei gewesen, vermutlich anders 
verfahren wäre.
„Wenn der Maulwurf was Neues fin-
det, wo er sich wohlfühlt“, sagt Pahlke, „ist 
er weg.“ Es sei denn, der Nachbar beginnt, 
ihm zuzusetzen. „Dann versucht er, in die 
alte Gegend zurückzugehen.“ So kann ein 
gelöst scheinendes Problem jederzeit wie-
derkehren. 
Man muss sich also nicht nur vor den 
Maulwürfen in Acht nehmen, sondern 
auch vor den Nachbarn. Und zwar sowohl 
vor solchen, die nichts gegen den Maul-
wurf tun, als auch vor jenen, die ihn ver-
treiben. 
Mit seinen kräftigen Vorder -
armen löst der Maulwurf die 
Erde und schiebt sie in 
esslöffelgroßen Portionen 
rund 15 Liter für einen 
durchschnittlich großen 
Hügel. Daraus schaut er nur 
selten und kurz hervor: 
Denn neben dem deutschen 
Kleingärtner lauern über 
dem Rasen auch Füchse, 
Störche, Katzen, Marder, 
Bussarde. Und denen drohen, 
anders als dem Menschen, 
keine 50 000 Euro Strafe für 
Maulwurfsmord
78 GEO 08 2017Effektiver sei da Karbid („Wasser rein 
und gasen lassen“), mit dem Nachteil, dass 
es hin und wieder zu Explosionen kommt; 
überirdisch allerdings. „Da lacht der sich 
unten in der Erde doch kaputt drüber.“
Am späten Nachmittag ertönt aus Par- 
zelle 234-B ein gellender Wutschrei: „Das 
kann doch nicht wahr sein!“ 
Am Gewächshaus, wo Pahlke gestern 
ein neues Stück Rasen ausgesät hat, ist wie 
von Geisterhand geschaffen ein Hügel er-
schienen. Frisch aufgeworfene Erde, die 
sich vorzüglich als Blumenerde eignen wür- 
de, in diesem Moment nur ein schwacher 
Trost für Pahlke. 
Vielleicht, überlegt er, ist der Maul-
wurf zum Nachbarn abgehauen? Nein, 
tadellos der Rasen, kein einziger Haufen. 
Das Tier muss noch in der Nähe sein. 
Die Sonne steht schon tief, als Bernd 
Pahlke zum Geräteschuppen geht und den 
Spaten holt. 
L L Z U V I E L Wirksames gibt 
es nach Meinung von Pahlke so-
wieso nicht. Manche sagen, ein 
Hund sei gut. Aber sein Rocky ist schon 
zehn Jahre lang mit im Garten, und als 
Maulwurfsjäger fiel der Langhaardackel 
bislang wenig auf. Umgedrehte Flaschen, 
die man in den Boden steckt, greifen ge-
nauso wenig wie Sachen, die dem Tier 
angeblich stinken, abgeschnittene Stachel-
beerzweige und ähnliche Späße. 
Denn der Maulwurf, sagt Pahlke, ist 
schlau: verstopft einfach die Gänge, aus 
denen Gefahr droht. Früher sei es zum 
Beispiel in der Kolonie sehr verbreitet ge-
wesen, das Mofa auf den Rasen zu schie-
ben, den Auspuff mit einem Schlauch zu 
verbinden und die Abgase in die Löcher 
zu leiten – bis der Tank leer war. Gebracht 
hat’s wenig. 
SOLVIN ZANKL versorgte seinen Maulwurf regelmäßig mit 
frischen Regenwürmern. Sein Besucher lernte schnell, nach entsprechenden 
Geräuschen die Futterstelle auf neue Leckerbissen zu kontrollieren. 
ANDREAS WENDEROTH brauchte lange, bis er auf verschlungenen Wegen 
jemanden fand, der ihm vom Kampf Mensch gegen Maulwurf erzählen wollte – unter 
dem Siegel absoluter Anonymität.
79
A
E
E M P A T H I E , D I E F Ä H I G K E I T also, sich einfüh-
len zu können, die Perspektive des anderen einzuneh-
men, gilt als soziales Allheilmittel. Einander verstehen, 
Beziehungen kitten, Flüchtlinge integrieren – überall 
soll Empathie helfen, das menschliche Zusammen-
leben zu verbessern. Es gibt einen regelrechten Em-
pathie-Hype, selbst in der Wissenschaft.
Evolutionsforscher wie Michael Tomasello oder 
Robin Dunbar argumentieren, dass unsere Spezies 
ihren Gruppenzusammenhalt stärken und die Kom -
munikation verbessern konnte, weil sie ihre empathi-
schen Fähigkeiten vertiefte. Für Philosophen wie 
Martha Nussbaum und Psychologen wie Steven Pin -
ker ist Empathie das Mittel für eine bessere, eine 
friedfertigere Gesellschaft.
Ich möchte Sie davon überzeugen, dass Empathie 
weit weniger positiv auf das menschliche Zusammen-
sein einwirkt als vielfach angenommen. 
Empathie ist zwar schön, denn sie lässt uns mit-
erleben, was andere fühlen. Aber gut für die anderen 
ist sie überraschenderweise nur selten. Im Gegenteil: 
Aus Empathie geschehen schreckliche Dinge. Des-
halb habe ich zwei Vorbehalte und drei Einwände 
gegen sie vorzubringen. 
Mein erster Vorbehalt: Der empathische Mensch 
kann sich im anderen verlieren. Das mag wunderbar 
sein in der Liebe, führt aber unter ungünstigen Um -
ständen zur Aufgabe der eigenen Identität. Ein ex -
tremes Beispiel: Geiseln können sich die Interessen 
„ihres“ Geiselnehmers so sehr zu eigen machen, dass 
sie sich noch vor Gericht für diesen einsetzen (das 
sogenannte Stockholm-Syndrom). Die weniger dras -
tischen Fälle, in denen empathische Menschen ihre 
eigenen Interessen aus den Augen verlieren, sind zahl-
los – etwa wenn sie sich von Kollegen ausnutzen las-
sen oder die Meinung eines Gesprächspartners unre -
flektiert übernehmen. 
Mein zweiter Vorbehalt: Empathie geht oft mit 
Selbstglorifizierung einher. Selbstverständlich führt 
Empathie auch dazu, dass Menschen anderen in Not 
uneigennützig beispringen. Doch es ist ebenso mög-
lich, dass sie sich vor allem in die Rolle des Helfers 
imaginieren, sich mit der Heldengestalt identifizieren, 
statt mit den Hilfsbedürftigen zu fühlen. Das zielt 
allein auf Dank und Anerkennung. Bleibt der Dank 
aus, kann Hilfsbereitschaft schnell in Ressentiment 
umschlagen. Dieser Effekt war in Deutschland im 
Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise zu beobach -
ten, als viele sich vor allem selber als Helfer in der Not 
feiern wollten.
Ich komme nun zu meinen drei Einwänden. 
Diese beziehen sich auf Verhaltensformen, in denen 
»Empathie ist gefährlich«
Sich in andere hineinzuversetzen, mag 
edel erscheinen – ist aber auch egoistisch, so die These des 
Kognitionsforschers Fritz Breithaupt
FORUM
GEO 08 201780
Empathie unmittelbar Handlungen hervorruft, die 
sich für andere als schädlich erweisen.
Erstens: Empathie mündet sehr oft in Fehlurtei -
len. Wir sind soziale Wesen, die stets danach streben, 
Teil einer Gemeinschaft zu sein. Was dazu führt, 
dass wir schnell Partei ergreifen. Wenn zwei sich strei-
ten oder wenn wir einem Sportereignis beiwohnen, 
entscheiden wir uns für die eine oder andere Seite. 
Und dann laden wir diese Parteinahme mit Empathie 
auf. Wir fühlen mit unserer Seite. Wir beginnen, 
schwarz-weiß zu malen und das Gute (bei uns) wie 
das Schlechte (bei den anderen) zu betonen. Ein ge-
fährlicher Mechanismus, der in Fanatismus münden 
kann, in der Radikalisierung politischer oder religiö-
ser Gruppen. So entstehen aus Empathie Terroristen. 
Zweitens: Empathie führt zu sozialem Vampiris-
mus. Und zwar dann, wenn ein Mensch durch Über -
identifikation von und durch einen anderen lebt und 
diesen dabei emotional aussaugt. Stalker gehören in 
diese Kategorie, aber auch Helikopter-Eltern. Jene 
also, die nicht von ihren Kindern lassen können, die-
se überbehüten und gängeln, vorgeblich weil sie das 
Allerbeste wollen. Doch unter der Hand geht es ihnen 
darum, ein besseres, ein erfolgreicheres Leben mitzu-
erleben; eines, dass ihnen selbst vielleicht versagt war. 
Sie stellen die Kinder in ihren Dienst.
Drittens: Aus Empathie kann Sadismus entste -
hen. Empathischer Sadismus bedeutet, dass jemand 
eine Gefahr- oder Leidenssituation 
für einen anderen herbeiführt, fördert 
oder toleriert, damit er Empathie mit 
dem Opfer fühlen kann. Es muss sich 
dabei nicht unbedingt gleich um kri -
minelle Psychopathen handeln. Es 
kann eine Motivation auch für Mob -
bing sein, für das öffentliche Bloßstel-
len anderer, für übermäßige Kritik. 
Gefühle sind ein 
schlechter Kompass
Der amerikanische Philosoph Jesse 
Prinz vertritt die Auffassung, dass 
Empathie regelmäßig zu ungerechten 
Urteilen führe. Denn empathisch mo -
tiviert entschieden wir uns im Zwei-
felsfalle stets für jene, die wir besser 
verstehen, die uns näher sind: etwa 
Menschen unserer eigenen Hautfarbe. 
Und der kanadische Psychologe 
Paul Bloom sieht eine Parallele zwi-
schen Empathie und „Taschenlampenblick“: Der Fo-
kus liegt auf einem kleinen Ausschnitt der Realität, 
alles ringsum bleibt im Dunkeln. Für kurze Zeit fühlt 
man mit, hilft dem anderen vielleicht, aber eben nur 
für den Moment – und ohne das Gesamtbild vor 
Augen zu haben. Empathie ist hinderlich, wenn es 
darum geht, das große Ganze zu erkennen und die 
wahren Probleme anzugehen.
Empathie ist gut für den, der sie empfindet (so -
fern er nicht unter dem Stockholm-Syndrom leidet). 
Ich beobachte, wie eine Freundin ein autistisches 
Kind erzieht, und bin beseelt von ihrer emotionalen 
Hingabe. Ich lese einen spannenden Roman und ver -
schmelze genussvoll mit der Hauptfigur. Für mich ist 
das großartig, ich lebe mehr als ein Leben. Ich lerne 
und bin emotional angeregt. 
Aber hilft das anderen? Meistens eher nicht. 
Selbstverständlich ist Empathie auch dazu geeignet, 
das Miteinander zu vertiefenund eine Gemeinschaft 
durch Verstehen zu verdichten. Doch allzu viel Hoff-
nung auf eine bessere Welt durch Empathie sollten 
wir uns nicht machen. 
U
U N D W A S F O L G T aus dieser Erkenntnis? Paul 
Bloom hat vorgeschlagen, größere Zuversicht in die 
rationale Urteilskraft der Menschen zu setzen. Wir 
können Handlungen schließlich sehr wohl moralisch 
bewerten, ohne uns in die Position dessen zu verset-
zen, der von ihnen betroffen ist. Um zu erkennen, dass 
es nicht in Ordnung ist, jemandem das letzte Hemd 
zu stehlen, müssen wir uns nicht erst 
in das Opfer einfühlen. Wir können 
auch so erkennen, was eine verwerf-
liche Tat ist.
Doch ganz so optimistisch wie 
Bloom bin ich nicht. Vielleicht hat es 
mit der deutschen Geschichte zu tun, 
dass ich die Vernunft der aufgeklär-
ten Menschen für anfällig halte. Ich 
würde eher auf ein starkes Moralemp- 
finden setzen. 
Moral ist mehr als ein Gefühl, 
aber dennoch nicht immer rational. 
Eine der moralischen Instanzen, die 
heute vernachlässigt wird, ist die so-
genannte innere Stimme. Die innere 
Stimme verfolgt uns als schlechtes 
Gewissen und macht uns Vorwürfe, 
wenn wir etwas Falsches tun. Ich wür- 
de mir wünschen, dass wir stärker auf 
sie hören. 
Und wir sollten uns mehr Ge -
danken darüber machen, wie sich das 
Wirgefühl stärken lässt. Ich meine ein Wir, dass of-
fen auch für andere ist. Denn noch vor der Empathie 
gibt es das Zuhören und die Aufmerksamkeit dem 
anderen gegenüber. 
FRITZ BREITHAUPT,
tionswissenschaftler, lehrt an der 
Universität von Bloomington in 
Indiana. Sein Buch „Die dunklen 
Seiten der Empathie“ ist im 
Suhrkamp Verlag erschienen.
GEO 08 2017 81
Trotz
GEO 08 20178282
und Vorurteil D E U T S C H E G E S C H I C H T E
Vor 25 Jahren warfen Jugendliche in Rostock-Lichtenhagen Brandsätze 
in ein Wohnheim für Asyl bewerber. Seitdem gilt der Ort vielen als 
Synonym der Schande. Was hat sich seither verändert, wie leben die 
Lichtenhäger heute? GEO-Autor Christoph Dorner hat sich drei Monate 
lang in einem der Hochhäuser des Viertels einquartiert
Einblicke und 
Ausblicke aus dem 
Sonnenblumen -
haus: Es dauert 
lange, bis die 
Lichtenhäger den 
Reporter in ihre 
Wohnungen 
lassen. Zu groß 
ist das Misstrauen 
gegenüber den 
Medien
Fotos: Birte Kaufmann und Ina Schoenenburg 8383
Der Brink 
An einem Mittwochnachmittag im April 2017 war 
der Wille zur Zerstörung zurück in Rostock-Lichten -
hagen. In Schrittgeschwindigkeit bahnte er sich seinen 
Weg über den Lichtenhäger Brink, den denkmalge -
schützten Boulevard des Stadtteils, der schnurgerade 
durch einen Plattenbau-Canyon führt. 
Er schob sich vorbei an blühenden Kirschbäumen, 
Ginsterbüschen und kahlen Rabatten. Vorbei an den 
sieben Brunnenbecken, deren Abdeckhauben von 
Graffiti befallen waren. Vorbei an einer Ladenruine, 
die einmal eine Buchhandlung war, und am Imbiss 
eines wackeren Vietnamesen, bei dem sich die Anwoh- 
ner abends öfter Bier, Schnaps und Zigaretten mit -
nehmen als gebratene Nudeln mit Hühnerfleisch. 
Ein Mädchen mit Schulranzen und ein Rentner 
mit blauer Schiffermütze auf dem Kopf traten ehr -
fürchtig einen Schritt zur Seite. Als die Kaltfräse, eine 
rote Baumaschine mit Kettenantrieb und der Statur 
einer Lokomotive, auf dem zentralen Platz des Brinks 
angekommen war, begann sie ihr Zerstörungswerk, 
zerbröselte kalt tosend ein Schachfeld aus Betonplat-
ten unter sich. 
Seit der Wende war der 500 Meter lange Lich-
tenhäger Brink, Lebensader des Stadtteils, verfallen: 
die Geschäfte geschlossen, die Grünanlagen verwil-
dert. Immer wieder waren Delegationen der Hanse -
stadt Rostock gekommen, über den Brink gegangen, 
hatten Mängellisten geschrieben, Sanierungskonzep-
te, Förderanträge. 
Letztlich passierte nichts, weil kein Geld da war. 
Zumindest kein Geld für Lichtenhagen.
Nun wurde der Brink aber endlich doch saniert. 
Die Kaltfräse zerstörte alte Betonplatten, doch eigent -
lich war sie ein Bote der Erneuerung für einen Stadt -
teil, der seit einem Vierteljahrhundert dazu verurteilt 
war, in seiner Vergangenheit festzuhängen. 
Denn so wie der Brink ein Schandfleck war in 
Lichtenhagen, so war Lichtenhagen selbst als Ort 
deutscher Schande verschrien. Seit jenen unheilvollen 
Sommertagen vor 25 Jahren.
Der Abend im August 1992A n einem schwülen Samstagabend im Au-gust 1992 versammeln sich 2000 Men-schen vor dem Sonnenblumenhaus in Lichtenhagen. Sie sind wütend, weil seit 
Wochen Flüchtlinge aus Rumänien vor dem elfge-
schossigen Plattenbau kampieren. 
Rostocker Jugendliche zertrümmern die Gehweg- 
platten vor dem Sonnenblumenhaus. Die herausgebro- 
chenen Steine werfen sie in die Fenster der Zentralen 
Aufnahmestelle für Asylbewerber. 
Es ist der Auftakt für ein Volksfest des Hasses. 
Auch an den folgenden Tagen beklatschen Tau-
sende Anwohner und Schaulustige den Mob, dem 
sich an den folgenden Tagen Rechtsextreme aus dem 
gesamten Bundesgebiet anschließen. Sie stärken sich 
bei der herbeigekarrten Imbissbude „Happi, Happi 
bei Api“, stimmen in den Chor mit ein: „Deutschland 
den Deutschen, Ausländer raus.“ 
In der dritten Nacht brennt das Wohnheim der 
Vietnamesen, ehemalige DDR-Vertragsarbeiter, im 
Sonnenblumenhaus. Etwa 120 Menschen entkommen 
dem Tod nur knapp über das Dach. 
Rostock-Lichtenhagen wird zur Chiffre für of -
fen ausgelebten Fremdenhass im wiedervereinigten 
Deutschland. Der Bundestag verschärft daraufhin das 
Asylrecht. 
Offenbar werden nicht die Täter als Problem ge-
sehen, sondern die Opfer.
D
Christa und Franz 
Stepanek gehören 
zu den Ureinwoh -
nern im Stadtteil, 
leben seit fast 40 
Jahren im Sonnen -
blumenhaus
84
ten; draußen vor dem Fenster kreisten und krächzten 
die Möwen. Bei günstigem Wind hörte ich das Auf -
einanderkrachen schwerer Eisenteile von den Werften 
an der Mündung der Warnow. 
Von der Wohnung im vierten Stock hatte ich 
gute Sicht auf den Brink. Sobald die Sonne heraus-
kam, bevölkerten Familien die Spielplätze. Die Alten 
hängten ihre Wäsche draußen an die Wäscheleinen, 
ganz so wie früher, in der DDR.
In zwanzig Minuten war ich mit dem Fahrrad 
am Ostseestrand bei Warnemünde, mit der S-Bahn 
zügig in der Rostocker Innenstadt. Dort traf ich Men -
schen, die sich viele Gedanken über die Erinnerungs-
kultur zum Pogrom von 1992 machten. So hatte sich 
das offenbar seit Jahren verfestigt: dass sie in Rostock 
Für den Stadtteil und seine Bewohner blieb seit -
dem das Stigma. Der Rapper Marteria, der in der 
Nachbarschaft aufgewachsen war, dichtete in seiner 
Ode an seine Heimatstadt: „Deine Feinde kennen 
dich genau, doch sehen in dir nur dein brennendes 
Haus.“ 
Ich wollte mehr sehen als das brennende Haus. 
Ich wollte verstehen, was damals passiert war, und 
warum Lichtenhagen seine bösen Geister nur schwer 
los wird. 
Und ich wollte wissen: Kann das wieder passieren?
Also wohnte ich drei Monate in Lichtenhagen. 
Anfang Februar 2017 zog ich in eine Zweiraumwoh-
nung in der Wolgaster Straße. Ein vom Meer kom -
mender Nebel verschluckte manchmal die Plattenbau-
Im Frühjahr, 
wenn die Bäume 
blühen, wirkt 
der Lichtenhäger 
Brink am ver- 
söhnlichsten auf 
trotz der Schmie- 
rereien an den 
Wänden
GEO 08 2017 85
mahnend zurückschauen wollten. Und in Lichtenha -
gen lieber nach vorn.
Im Stadtteil selbst war die Kontaktaufnahme 
schwierig. Ein Bewohner des Sonnenblumenhauses, 
bei dem ich klingelte, kam im Freizeitanzug hinunter 
zur Eingangstür, nur um eines klarzustellen: „Hier im 
Haus redet niemand mit der Presse.“ 
Ich besuchte Sitzungen des Ortsbeirats, das Stadt- 
teilbegegnungszentrum, die Stadtmission auf dem 
Brink. Alle Menschen dort hatten Sehnsucht nach 
Aufbruchstimmung. 
Aber wenn ich Lichtenhagen als Suchbegriff im 
Internet eingab, fand ich nur Fotos von den Straßen -
schlachtenvor dem Sonnenblumenhaus. 
Fotos von Kindern, die Journalisten – wohl auch 
für Geld – den Hitlergruß zeigten. Fotos von 1992.
Armdrücken mit AbrissbirneMan hatte mich gewarnt vor der einzigen Kneipe in Lichtenhagen: Im Krug sä -ßen die „Übriggebliebenen“. Gleich am ersten Abend baute sich ein betrunke -
nes Männlein mit schiefer Nase am holzvertäfelten 
Tresen vor mir auf und entbot ungefragt einen lächer-
lichen Hitlergruß, als wäre es Charlie Chaplin in „Der 
große Diktator“. Später am Abend wurde das Männ -
lein mit Gewalt aus der Kneipe geworfen, jedoch 
nicht wegen des Hitlergrußes. 
Nach dieser Nacht gab ich mich lieber nicht als 
Journalist zu erkennen. Als neues Gesicht hatte man 
es im Krug schon schwer genug. 
„Dir ist schon klar, dass das eine Kneipe für 
Rechtsextreme ist“, fragte mich ein Zecher mit Glat -
ze und Jeansjacke nach ein paar Abenden, an denen 
ich mich mit einem alten Seemann über die DDR 
unterhalten hatte. Ich ging eingeschüchtert und kam 
wieder, wurde zum Armdrücken herausgefordert und 
hatte nach Sekunden gegen einen Mann verloren, den 
sie „Abrissbirne“ nannten, was gut passte. 
Der Krug war kein freundlicher Ort. 
Hier wurde geflucht, wenn ein Spiel von Hansa 
Rostock im Fernsehen lief und der eingewechselte 
„Neger“ den Ball nicht abspielte. Hier hauten Männer 
der Barfrau auf den Hintern, und sie ließ es geschehen. 
Doch für manche war die Kneipe ein Zuhause. 
Ich schaute mir Zahlen an: In sämtlichen Statis -
tiken der Hansestadt Rostock lag Lichtenhagen in 
der Gegenwart im Mittelfeld. Als hätten sich seine 
Bewohner stillschweigend darauf geeinigt, bloß nie 
wieder negativ auffallen zu wollen. 
Etwa jeder Fünfte im Wahlkreis Rostock I, zu 
dem Lichtenhagen zählt, hatte bei der Landtagswahl 
2016 AfD gewählt, wie der Durchschnitt Mecklen-
burg-Vorpommerns. Leer stehende Wohnungen gab 
es fast keine. Die Einkommen waren niedrig, doch 
die Arbeitslosigkeit sank und lag unter zehn Prozent. 
Nur der Ausländeranteil, der hatte sich seit 1992 
ungefähr versechsfacht. Auf 7,7 Prozent, mehr nicht, 
in Berlin sind es durchschnittlich 30 Prozent. Lich-
tenhagen war seit 1992 vor allem älter geworden. In 
die Eckläden auf dem Brink zogen Pflegedienste ein. 
M I T 3 5 9 W O H N U N G E N in sieben Aufgängen und 
gut 700 Bewohnern ist das Sonnenblumenhaus ein 
Monolith. Aus dem Fenster in der obersten Etage 
konnte ich die Ostsee sehen. Als blaues Band, verziert 
mit Containerfrachtschiffen, lag sie am Horizont. 
saßen die Rentner Dieter Hagen und Günther 
 Struppe. Vor ihnen auf dem Tisch eine Flasche Bier, 
hinter ihnen eine Vitrine mit einer drapierten Mine -
raliensammlung. Beide gehörten 1979 zu den ersten 
Mietern, die ins Haus eingezogen waren. Mit heraus -
forderndem Blick warteten sie darauf, dass ich ihnen 
Stichworte lieferte. 
Struppe hatte die Ausschreitungen von seinem 
Balkon im fünften Stock aus beobachtet, mit einem 
Gefühl der Ohnmacht, behauptete er. 
Was hätte er allein schon ausrichten können? 
„Wer hat bei solchen Zuständen schon das Zeug 
zum Helden“, fragte er und sagte leise: „Ich nicht.“
Das Verbrechen sei nicht in Lichtenhagen, son-
dern in den Amtsstuben ausgeheckt worden, sagte 
Hagen und zitierte bebend aus Schillers „Glocke“: 
„Weh denen, die dem Ewigblinden des Lichtes Him -
melsfackel leihn. Sie strahlt ihm nicht, sie kann nur 
zünden, und äschert Städt’ und Länder ein.“ 
Als das Kampfgeschehen unten auf der Wiese 
eskalierte, brachte Hagen erst einmal sein Auto in 
Sicherheit. 
hagen Mitte der 
1990er Jahre 
leerte, wurden 
die Platten 
bauten saniert. 
schönerung wirkt 
aber eher hilflos
»Wer von uns 
hat bei solchen 
Zuständen 
schon das Zeug 
zum Helden? 
Ich nicht«
G Ü N T H E R S T R U P P E , Z E I T Z E U G E U N D 
M I E T E R I M S O N N E N B L U M E N H A U S
86
Ein Traum von UtopiaD ass Lichtenhagen einmal zum Inbegriff einer gescheiterten Vorstadt werden soll-te, wäre Christoph Weinhold nie in den Sinn gekommen. Weinhold, heute 74 Jah-
re alt, fiel das Gehen mittlerweile schwer. Trotzdem 
führte er mich an einem nasskalten Februarabend 
über den Brink. 
Er erzählte mir von den Anfängen: wie er als 
Architekturstudent aus Sachsen nach Rostock gekom -
men war. Sich erst in eine Frau, dann in die spröde 
Landschaft Mecklenburgs verguckt hatte. Christoph 
Weinhold landete bei den Stadtplanern, dort ließen 
sie den jungen Mann machen, den die radikalen ur -
banen Utopien von Oscar Niemeyer und Le Corbu -
sier faszinierten: Wohnhäuser waren pure Funktion, 
Wohnmaschinen ohne Ornamente.
Ab den 1950er Jahren hatte die DDR eine Han -
delsflotte aufgebaut. Am Überseehafen und in den 
Werften wuchs der Bedarf an Arbeitskräften. Neun 
Stadtteile mit Zehntausenden Wohnungen wurden 
in industrieller Fertigbauweise hochgezogen. Der 
neue Stadtteil Lichtenhagen, den Weinhold mit sei -
nen Kollegen plante, sollte eine lebenswerte Heimat 
für etwa 22 000 Menschen werden. 
1974 zogen die ersten Bewohner ein. Dass der 
Stadtteil noch eine Großbaustelle war, auf der sie 
noch Monate den Arbeitsweg zur S-Bahn in Gum -
mistiefeln zurücklegen mussten, störte die Neuan-
kömmlinge nicht. Ihre Wohnungen hatten Fernhei -
zung, Bad und fließendes warmes Wasser, während 
viele Altbauten in der im Krieg zerbombten Innen -
stadt verfielen. Nach den Plänen der Partei sollte 
Rostock das „Tor zur Welt“ werden. 
Später ging es abwärts.
Christoph Weinhold zeigte mir die Stelle auf 
dem Brink, an der sich einmal das mondäne Café 
Möweneck befand, das nach der Wende abgerissen 
wurde. Wo ein „Brunnen der Begegnung“ gebaut wer-
den sollte, dessen Pläne Anfang der 1990er in der 
Schublade verschwanden. Wo einmal eine Minigolf-
anlage war, für die sich schon zu DDR-Zeiten nie -
mand fand, der am Wochenende Schläger und Bälle 
ausgab, ohne dafür Geld zu verlangen. 
Als die Wirtschaft der DDR in die Knie ging 
und das Volk auf die Straße, um das System zu stür-
zen, änderte sich in Lichtenhagen alles. 
N A C H D E R W I E D E R V E R E I N I G U N G werden 
die aufgeblähten volkseigenen Betriebe Rostocks von 
der Treuhand abgewickelt. Die Lichtenhäger, eben 
noch Speerspitze des Sozialismus, leben nun plötzlich 
in einem Problembezirk mit vielen Arbeitslosen. Was 
sich dadurch bemerkbar macht, dass die Politik bei 
ihnen Probleme ablädt. 
Für junge 
Menschen kann 
das Leben in 
Lichtenhagen 
heute einsam sein. 
Viele Familien 
mit Kindern sind 
aus dem Stadt- 
teil weggezogen
87
Im Dezember 1990 wird die Zentrale Aufnahme-
stelle für Asylbewerber, die ZAst, im Sonnenblumen-
haus eingerichtet, eine einzigartige Dummheit, findet 
Wolfgang Richter, damals Ausländerbeauftragter der 
Stadt. Im Sommer 1991 fertigt er einen Briefentwurf 
für den Rostocker Oberbürgermeister an, der an den 
Innenminister in Schwerin geschickt werden soll. Er 
schreibt, dass „gewalttätige Auseinandersetzungen bis 
hin zu Tötungsdelikten nicht auszuschließen sind“. 
Vor dem Sonnenblumenhaus prügeln sich zu dieser 
Zeit bereits deutsche Jugendliche mit Asylsuchenden. 
Ab Ostern 1992 stranden immer mehr rumänische 
Flüchtlinge vor dem Sonnenblumenhaus, weil sie in 
der ZAst nicht mehr registriert werden. Die Stadtver -
waltung reagiert nicht auf den Wunsch der Anwohner, 
wenigstens mobile Toiletten aufzustellen. Die Presse 
schreibt von Flüchtlingen, die angeblich Möwen grillen. 
Am Tag vor Beginn der Ausschreitungen veröf-
fentlicht die „Ostsee-Zeitung“ einen Bericht, in dem 
Lichtenhäger Jugendliche ankündigen, die Roma am 
Wochenende „aufzuklatschen“. Dann fliegen Brand-
sätze in die zerborstenen Scheiben. 
Die unsichtbaren VietnamesenA n einem Samstagmittag im April 2017 war Nguyen Do Thinh wieder im bren -nenden Sonnenblumenhaus. Er saß in der Teeküche eines bereits zugesperrten 
Tabak- und Zeitschriftengeschäfts in Lichtenhagen,in dem er arbeitete, trank sein zweites Bier und erin-
nerte sich. 
Er hört wieder die Beifall klatschende Menge, die 
Schreie: „Wir kriegen euch alle.“ 
Seniorenfasching 
im Begegnungs -
zentrum: Längst 
dominieren im 
Stadtteil die älte- 
ren Bewohner
88
Er spürt den Rauch in die oberen Stockwerke 
dringen. Er sieht eine Gestalt das Treppenhaus hin -
aufkommen, in die siebte Etage, in der sie sich ver-
barrikadiert haben. Wo sie in der Falle sitzen. 
Er überlegt kurz, ob er das könnte: einen anderen 
Menschen töten, bevor er getötet wird. 
Es ist dann keine rechte Glatze, die aus dem 
Rauch vor Thinh auftaucht, sondern ein bekiffter 
Jugendlicher, der den Vietnamesen beistehen will. 
Ihn müssen sie auf ihrer Flucht vor den Flammen 
auch noch mitschleppen, neben zwei schwangeren 
Frauen und den Kindern. Wie sie es schaffen, die 
Stahltür zum Dach aufzubrechen, weiß Thinh bis 
heute nicht. Einige Bilder aus der Nacht des 
Thinh war einmal der einzige vietnamesische 
Vertragsarbeiter gewesen, der zu DDR-Zeiten in Ros -
tock einen Meisterbrief machte. Nach dem Pogrom 
gründete er mit seinen Landsleuten den Begegnungs -
verein Diên Hông. Thinh wurde zu einer Stimme 
gegen Alltagsrassimus. Bald fühlte er sich wie ein 
Politiker. Dabei wäre er lieber Ingenieur geworden.
„Du bist immer für alle anderen da, nur für deine 
Familie nicht“, sagt seine Frau eines Tages zu Thinh. 
Die Ehe zerbrach. 
Seit April 2017 arbeitete er in dem Tabak- und 
Zeitungsladen in Lichtenhagen, weil er Geld verdie-
nen musste. Kam ein dummer Spruch, „Warum dau-
ert das so lange? Kann der Vietnamese nicht rechnen?“, 
überlegte er es sich zweimal, den Mann zur Rede zu 
stellen. Es waren doch auch Kunden. 
In Rostock lautet ein Kompliment über die Viet -
namesen: „Die siehst du gar nicht.“ Nguyen Do Thinh 
war im Begriff, wieder unsichtbar zu werden. 
Die Entfremdete und der PolizistI ch saß bei Rosemarie Melzer am Küchentisch. Ihr schossen augenblicklich Tränen in die Au-gen, wenn sie von den Kindern erzählte, die in der Feuernacht vor ihrer Tür stehen. Die Viet-
namesen und ihre einheimischen Unterstützer laufen 
damals etwa hundert Meter über das Dach, brechen 
die Dachluke in der Mecklenburger Allee 15 auf und 
klingeln an den Türen der Hausbewohner. 
Erst die Melzers in der untersten Etage lassen 
die verängstigten Frauen und ihre Kinder in ihre 
Wohnung. 
1997 zogen die Melzers in ein Einfamilienhaus 
im benachbarten Dorf Elmenhorst, weil sie es in 
Lichtenhagen nicht mehr aushielten. Das Vertrauen 
in die Hausgemeinschaft war weg. In einem Fernseh-
beitrag erkannte Melzer eine ehemalige Nachbarin 
wieder, die den Randalierern damals applaudiert hat-
te und sich nun als kritische Zeitzeugin präsentierte. 
Manchmal, da träumt Rosemarie Melzer noch 
von der Schlacht vor ihrem Fenster und den Hub -
schraubern am Himmel. Nach Lichtenhagen fährt sie 
bis heute nur, wenn es nicht anders geht. 
Ich fuhr nach Kiel zu Oliver Pohl, den sein Ein-
satz als Polizist in Lichtenhagen derart mitgenommen 
Zu DDR-Zeiten galten 
Lichtenhagens Plattenbau -
ten als Sinnbild für ge -
lungene Stadtplanung. Die 
Wohnungen sind wieder 
begehrt, auch wegen der 
Nähe zur Ostsee
»Ich 
überlegte: 
Könnte ich 
jemanden 
töten, bevor 
ich getötet 
werde?«
NG U Y E N D O T H I N H E R I N N E R T S I C H 
A N D I E N A C H T I M B R E N N E N D E N H A U S
GEO 08 2017 89( W E I T E R A U F S E I T E 9 2 )
90
Ein Kompliment 
für die Vietnamesen 
in Lichtenhagen 
lautet: »Die siehst 
du gar nicht.« Das 
gilt auch für Quynh 
im Asia-Imbiss an 
der Bützower Straße
GEO 08 2017 91
5 km
GEO-Graf ik
Lichten-
hagen GroßKlein
Evers-
hagen
Rostock
Warnemünde
Mitte
O s t s
e e
W
a rnow
hatte, dass er kündigte und Krankenpfleger wurde. 
Pohl, 46, saß an einem Dienstagabend im März 2017 
in einem Studentencafé in der Kieler Innenstadt und 
erinnerte sich noch genau, wo ihn damals der Anruf 
 erreichte: Er spielt an dem Montagabend gerade Thea- 
ter in Mölln. 
Gegen 22 Uhr fährt Pohl mit seinem roten Polo 
Fox die Auffahrt hoch, als ihm seine Schwiegermut-
ter entgegengelaufen kommt: „Du musst sofort in die 
Kaserne.“ 
Pohl ist zu dieser Zeit ein 21-jähriger Beamter 
beim Bundesgrenzschutz in Schleswig-Holstein. Er 
ist im Nahkampf ausgebildet, verheiratet und hat eine 
vier Wochen alte Tochter, Merle-Marie. Pohl kennt 
die entfesselte Gewalt auf deutschen Straßen: Er hat 
den Häuserkampf zwischen Hausbesetzern und der 
Polizei in Hamburg und Berlin miterlebt, war bei 
Einsätzen gegen Hooligans im Osten und bei den 
rassistischen Ausschreitungen in Hoyerswerda im Sep- 
tember 1991 dabei. 
Doch etwas ist anders in der Nacht von Lichten -
hagen: Pohl erinnerte sich an die Hektik in der Ka -
serne, an das Briefing, in dem von „bürgerkriegsähn-
lichen Zuständen“ die Rede ist. An die Kälte auf dem 
Flug von Lübeck-Blankensee nach Rostock. 
Im Hubschrauber denkt Pohl an seine schlafende 
Tochter. Es sind die Minuten, in denen sein Trauma 
beginnt, glaubt er heute. Die Vietnamesen um Nguyen 
Do Thinh sind bereits mit Bussen weggebracht wor -
den, als Pohl sich in die Polizeikette vor dem Sonnen-
blumenhaus einreiht. 
Steine regnen auf die Polizisten ein, sie kauern 
hinter ihren Schilden. Im Nahkampf mit hasserfüllten 
Männern, die nicht älter sind als er, geht Pohls Schlag- 
stock zu Bruch. 
Was ihn aber am meisten aus dem Konzept 
bringt, sind die Menschen hinter ihm. Anwohner auf 
den Balkonen des Sonnenblumenhauses stacheln die 
Meute an. 
Bei dem Polizeieinsatz geht fast alles schief. Der 
Einsatzleiter fordert zu spät Verstärkung an, weil er 
denkt, „am Montag gehen die Randalierer wieder 
arbeiten“, wie er das aus Westdeutschland gewohnt 
ist. Warum sich aber zwei Hamburger Hundertschaf -
ten in der Brandnacht vom Sonnenblumenhaus zu -
rückziehen, ohne dass frische Einheiten bereitstehen, 
kann er auch heute noch nicht erklären. 
Ein einheimischer Polizist, der in diesen Nächten 
ebenfalls in Lichtenhagen im Einsatz ist, kam der 
Wahrheit wohl am nächsten, als er mir sagte: „Wir 
haben alle deutsch gesprochen, doch wir haben uns 
nicht verstanden.“ Doch viele Lichtenhäger wollten 
nach all den Enttäuschungen der Wendejahre lieber 
an eine politische Verschwörung glauben. 
Oliver Pohl bleibt drei weitere Tage in Lichten-
hagen, bis die Ausschreitungen abebben. In seiner 
Einheit wird danach kein Wort über den Einsatz 
gesprochen. 
D I E B E L A S T U N G S S T Ö R U N G kommt bei Pohl 
in den folgenden Wochen. Nachts schreckt er hoch, 
hört die Schreie der Angreifer aus Lichtenhagen, hat 
Herzrasen, Schweißausbrüche. Pohl schlittert in eine 
Sinnkrise, doch beim Arbeitsamt raten sie ihm davon 
ab, sein Beamtenverhältnis zu beenden. 
In sein Tagebuch schreibt er: „Ich fühle mich wie 
ein Stück Scheiße mit Helm drauf.“ 
An der Abendschule belegt er Kurse in Psycho-
logie und Pädagogik, dann kündigt er doch beim 
Bundesgrenzschutz. 
Pohl machte danach eine Ausbildung zum Kran -
kenpfleger und Rettungssanitäter. Vier Jahre arbeite-
te er im Krankenhaus, ehe er in seinen alten Beruf 
zurückkehrte und Kriminalbeamter wurde. Seine 
Tochter Merle-Marie ist mittlerweile selbst Mutter. 
Und Pohl arbeitet an einem Lesetheaterstück für 
»Manchmal 
träume ich 
noch von der 
Schlacht«
R O S E M A R I E M E L Z E R E R L E B T E D I E B R A N D N A C H T 
1 9 9 2 I M S O N N E N B L U M E N H A U S
ROSTOCK-LICHTENHAGEN
Die meisten Platten -
bauten im Rostocker 
Stadtteil Lichtenhagen 
entstanden in den 
1970er Jahren, nahe 
der Ostsee und dem 
Seebad Warnemünde. 
Die Vorstadt sollte 
Wohnraum schaffen 
für die Werktätigen im 
Hafen und in den 
boomenden Werften 
der Hansestadt. 
GEO 08 201792
D E L I N E R O . D E
ANZEIGEDeutsche Gins
5 Continents SiegfriedStubbenhuk No.10 WindspielNiemand
1 0 %
 G U T S C H E I N *
Z U M K E N N E N L E R N E N
C O D E : D E U T S C H E G I N S
Die ganze Genusswelt Europas auf DELINERO.de entdecken und entspannt bestellen.
Schulen, in dem er von einer Vietnamesin aus dem 
Sonnenblumenhaus vor dem Ertrinken gerettet wird. 
Einen Einsatz wie in Lichtenhagen hat er nie 
wieder erlebt. 
Tränen der BefreiungE twa vier Stunden nachdem der Polizist Oli -ver Pohl nach seinem Einsatz entkräftet in einer Rostocker Schulturnhalle einschläft, steht Mai-Phuong Kollath im Erdgeschoss 
des Sonnenblumenhauses, in dem noch kalter Brand-
geruch hängt. 
„Als ich realisiert habe, dass meine Landsleute fort 
sind, habe ich beschlossen, ein politischer Mensch zu 
werden“, erzählte Kollath mir an einem Montag im 
März 2017 in einem schmucklosen Café im Berliner 
Stadtteil Treptow. Seit Herbst 2016 spielt die 54-jäh-
rige Vietnamesin sich selbst auf der Bühne des Ber-
liner Maxim-Gorki-Theaters. Vordergründig geht es 
in dem Stück um weibliche Biografien im Kommu-
nismus; als ehemalige Vertragsarbeiterin spielt sie eine 
der Rollen. Für Kollath werden die Theaterabende 
zur Selbstentfesselung. 
Zu DDR-Zeiten hat sie zehn Jahre im Wohn -
heim im Sonnenblumenhaus gewohnt und in einer 
Großküche für Rostocker Hafenarbeiter gearbeitet. 
Ihre Schwangerschaft musste sie bis zum siebten Mo-
nat geheim halten, damit sie nicht zur Abtreibung 
gezwungen werden konnte. Dann zahlten sie und 
ihr deutscher Mann 8060 Ostmark Vertragsstrafe 
an die vietnamesische Botschaft; daraufhin konnte 
Mai-Phuong Kollath in Deutschland bleiben. 
Im Sommer 1992 eröffnet das Paar ein Lokal auf 
einem Campingplatz bei Rostock, das immer wieder 
von einer Gruppe Neonazis heimgesucht wird, die ihr 
eigenes Bier mitbringen und ausländerfeindliche Pa-
rolen grölen. Schon damals macht Kollath die Erfah-
rung, dass ihre Gäste wegschauen. Doch erst nach 
den Ausschreitungen in Lichtenhagen begreift sie, 
dass sich der Hass auch gegen sie richtet.
Auf der Bühne des Gorki-Theaters bricht Kollath 
jetzt jedes Mal in Tränen aus, wenn sie ihre Lichten-
hagen-Szene spielt. 
Doch es sind Tränen der Befreiung. 
„Ich hatte lange so viel unterdrückte Wut in mir, 
die ich nicht herauslassen konnte“, erzählte Kollath, 
die mittlerweile als interkulturelle Beraterin in Berlin 
arbeitet. Dass sich viele ihrer Landsleute aus Lich-
tenhagen bis heute schämen, Deutschland Kummer 
bereitet zu haben, macht sie immer noch traurig.
Gibt es diese Scham auch auf der anderen Seite?
Der MobW olfgang Richter, der ehemalige Aus-länderbeauftragte, der in der Nacht der Anschläge mit den Vietnamesen im Sonnenblumenhaus eingeschlos-
sen war, spricht sich seit Jahren dafür aus, den Pogrom 
als hiesige Schuld anzuerkennen. In Lichtenhagen ist 
er daher nicht gerade beliebt.
Als im September 2015 wieder Flüchtlinge nach 
Rostock kommen, zeigt die Stadt ein freundliches 
Gesicht. Weil die Verwaltung nicht darauf vorbereitet 
ist, plötzlich Nadelöhr auf der Flüchtlingsroute nach 
Schweden zu sein, koordinieren das linke Jugendalter-
nativzentrum und die eigens gegründete Initiative 
„Rostock hilft“ monatelang die Unterbringung und 
die Weiterfahrt der Flüchtlinge mit Fähren.
Das bürgerschaftliche Engagement ist auch eine 
Antwort auf die Wunde von Lichtenhagen, sagten die 
Flüchtlingshelfer, mit denen ich sprach.
Doch unter „Nie wieder!“ verstanden einige in 
den Rostocker Plattenbauvierteln etwas anderes: Sie 
wollten keine Fremden vor ihrer Tür haben. 
In Evershagen tagte an einem Dienstagabend im 
Januar 2017 der Ortsbeirat im Mehrgenerationenhaus. 
Mit Widerstand war zu rechnen. Auch in Evershagen, 
»Ich hatte so 
viel unter -
drückte Wut 
in mir«
M A I - P H U O N G K O L L A T H A R B E I T E T I H R 
L I C H T E N H A G E N - T R A U M A I M T H E A T E R A U F
Im Krug wird der 
Reporter zum 
Armdrücken gefor- 
dert und bleibt 
chancenlos gegen 
die lokalen Größen
GEO 08 201794
ab 9 
ab 5 
HIER BESTELLEN:
040/55 55 89 90 
www.geo.de/ferienhefte
Die Langeweile kann zu Hause bleiben! 
Mit dem GEOmini Ferienheft und dem GEOlino Machbuch.
einige Straßenbahnstationen von Lichtenhagen ent -
fernt, steht ein Sonnenblumenhaus. Hier hat Joachim 
Gauck zu DDR-Zeiten als Pastor gewirkt. Hier 
wohnt das Flüchtlingsmädchen Reem Sahwil, das 
2015 berühmt wird, weil Angela Merkel es bei einem 
Bürgerdialog zum Weinen bringt. 
Der Islamische Bund wollte ein ehemaliges Kaf-
feehaus im Wohngebiet kaufen, um es als Gebetsraum 
zu nutzen. Die muslimische Gemeinde war deutlich 
gewachsen, seit im Herbst 2015 Flüchtlinge nach 
Rostock gekommen waren. Viele Gläubige mussten 
seitdem im Freien beten, weil im Gebetsraum, einer 
Baracke in der Nähe des Rostocker Hauptbahnhofs, 
nicht genug Platz war. 
Doch die Sitzung hatte kaum begonnen, da ging 
der Tagesordnungspunkt in wüsten Pöbeleien von etwa 
hundert Anwesenden unter. 
Bei einer zweiten Sitzung einen Monat später 
sind die Störer wieder da. Ein Mann von der AfD 
sitzt in der ersten Reihe und fordert einen Bürgerent -
scheid. Hinten stehen Männer mit kurzen Haaren 
und schwarzen Anoraks. Sie hetzen völlig ungeniert: 
„Wir wollen die Scheiße nicht.“ „Die sehen schon an-
ders aus, das ist das Problem.“ „Warum wird das nicht 
im Wald gebaut? Buchenwald.“ „Ich krieg die alle 
unter im Krematorium.“ 
Eine Frau mit kurzen roten Haaren zischt: „Dann 
bekommen wir wieder Zustände wie in Lichtenhagen. 
Und das will doch keiner.“ 
Nie wieder. 
Zwei Wochen später wird die Tür des leer ste-
henden Gebäudes nachts mit Kreuzen beschmiert. Bei 
Facebook schreibt ein User: „Am besten anzünden.“ 
Die Drohung mit einem „neuen Lichtenhagen“ 
gehört in rechten Kreisen zum Standardrepertoire. 
Und die Einschüchterung funktioniert: Als 2011 in 
Evershagen ein interkultureller Garten entstehen soll, 
wird eine Unterschriftenliste gegen das Projekt her-
umgereicht, Anwohner stürmen die Ortsbeiratssit -
zung. Am Ende stimmen die ehrenamtlichen Politi -
ker gegen den Garten. 
In Groß Klein, dem Nachbarstadtteil von Lich -
tenhagen, stehen sich im Sommer 2016 rechte Grup-
pen und Gegendemonstranten vor einer Betreuungs -
einrichtung für minderjährige Flüchtlinge gegenüber. 
Die Stimmung ist aufgeheizt, Rostocks Sozialsenator 
lässt die Jugendlichen auf andere Häuser verteilen. 
Für Rostocks rechtsextreme Szene ist es ein Erfolg. 
A N E I N E M S A M S T A G I M A P R I L veranstalteten 
Rostocker Vereine ein „Frühlingsfest der Kulturen“. 
Die Ortsbeiräte waren gekommen und die Freiwilli -
ge Feuerwehr. Syrische Frauen hatten gebacken, ihre 
Kinder spielten auf der Wiese. Mit allzu vielen Besu-
chern aus Lichtenhagen hatten die Ortsbeiräte oh -
nehin nicht gerechnet; sie wussten, wie reserviert die 
Stimmung gegenüber Flüchtlingen war. Dass am 
Ende aber gar niemand zu dem Fest kam, trotz all der 
Flugblätter, die sie im Wohngebiet in die Briefkästen 
gesteckt hatten, das wurmte Rainer Fabian, den Lei -
ter des Begegnungszentrums, dann doch. 
Stattdessen hatte er wegen des Flugblatts am 
darauffolgenden Montag eine Unterlassungserklärung 
im Briefkasten, weil ein Anwohner schon das Flug-
blatt als Belästigung empfand. 
Die Bilanz nach drei MonatenV ielleicht war es ein Zeichen, dass es in den drei Monaten in Rostock zwar Angriffe auf Migranten und Flüchtlinge gab, je-doch nicht im Stadtteil Lichtenhagen. 
Dort lernten nun auch die ersten syrischen Kinder an 
der Hundertwasser-Gesamtschule Deutsch. 
Wandel braucht Zeit, heißt es. Für einen Ort, der 
so lange im Gestern festhing, war es wohl schwer, 
Fremde auch als Bereicherung zu sehen. 
Sicher war es gut, dass der Brink saniert wurde. 
Vielleicht würde er den Lichtenhägern das Gefühl 
zurückbringen, dass sie nicht bloß eine Rollespielten, 
wenn es darum ging, sich für sie zu schämen. 
CHRISTOPH DORNER wäre am Ende gern noch 
länger in Lichtenhagen geblieben: Er hatte seine 
Joggingstrecke entlang der Ostsee lieb gewonnen. 
Für die Fotografinnen BIRTE KAUFMANN und 
INA SCHOENENBURG lag die Herausforderung 
darin, die Schönheit des Stadtteils hinter all seinen 
Plattenbauten zu suchen.
Vorsichtige 
Annäherung: Bei 
der Party im 
Nordlicht treffen 
sich Tänzer und 
einsame Herzen
GEO 08 201796
Jetzt scannen, lesen und Probeabo bestellen.
Oder direkt unter www.brandeins.de
spezial
D € 14,80 // A € 16,80 // CH sfr 23,00
I € 19,70 // B, NL, LUX € 17,50 // GR € 20,90
—DOCU M E 14 —
SKULPTUR-PROJEKTE M
ÜNSTER
D O C U M E N T A I N A T H E N : Die Reportage vo
m zweiten Standort 
D E R G R O S S E B I L D B E R I C H T A U S 
K A S S E L 
Die Weltkunstschau
PLUS SKULPTUR-PROJEKTE: 
DER RUNDGANG DURCH MÜNSTER
Alle Highlights, Hintergründe, Tipps 
Das Magazin zum
Kunstereignis des Jahres!
 NEU 
Das ART-
Sonderheft jetzt 
am Kiosk
LESEPROBE
E D I T O R I A L
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER, 
endlich ist sie zurück in Kassel! Die Documenta ist heimgekehrt von 
ihrer langen Reise nach Athen, den Erkundungsfahrten zu den Kontinen-
ten der Kunst, durch die staubtrockenen Ebenen der Theorie und über 
die Schlachtfelder und Konfliktgebiete aller Zeiten und Völker. Sie hat sich 
verändert dabei. Wer den poetischen Spaziergang durch die Pavillons 
in der Karlsaue von vor fünf Jahren in Erinnerung hat, wird sie womöglich 
nicht wiedererkennen! So asketisch, so streng, fast verbittert ist sie unter 
der Leitung von Adam Szymczyk in ihrer 14. Ausgabe geworden.
Aber so ist nun mal das Erfolgsprinzip, das die Documenta zur wichtigs -
ten Kunstausstellung weltweit gemacht hat: Mit der künstlerischen Leiterin, 
mit dem Leiter erfindet sie sich immer wieder komplett neu. In einem 
 Prozess von dreieinhalb Jahren zwischen Berufung und Eröffnung hat sie, 
hat er komplette Freiheit und ein Budget ohnegleichen, eine Ausstellung 
zu entwerfen, die den Zustand der Welt reflektiert und den Status der Kunst 
manifestiert. Aus einer Uridee entwickelt sich dabei ein Konzept, es bildet 
sich ein Team, es formuliert sich eine Botschaft, die vermittelt werden will.
Die Documenta 14 hat es sich schwer gemacht mit dem Umzug nach 
Athen, wo sie vom Ort der Krise und dem Ort des Ursprungs der westlichen 
Zivilisation lernen wollte. Und es wurde ihr schwer gemacht. Zur Finanz-
krise, die dazu der Anlass war, kamen das Flüchtlingselend, die Schläge des 
Terror-Wahnsinns und am Ende auch noch ein gewisser Donald Trump. 
Irgendwo auf diesem langen Marsch unter der Peitsche der Ereignisse ist, 
so scheint mir, dieser D ocumenta das Vertrauen in Kraft und Eigenheit 
der Kunst abhanden gekommen. Dazu macht sie es den Besuchern höllisch 
schwer, sich ein eigenes Urteil zu bilden. 
Sie verrät ihm fast nichts über die Künstler 
und postuliert, wo sie denn etwas erklärt, 
oft unausgegoren und dogmatisch.
In diesem Heft wollen wir es Ihnen 
leicht machen: Wir sind mit großem Team 
nach Athen und nach Kassel gefahren und 
dabei, als Ihre Kundschafter, tief in die Aus-
stellung eingetaucht. Wir hatten großartige 
Fotografen dabei, um Ihnen die besten 
 Bilder zu liefern. Alles zu dem Zweck, Ihnen 
Einsicht und bleibende Einblicke in die 
maßgeblichste Kunstausstellung der Welt 
zu geben. Denn das ist D ocumenta : Man 
braucht nicht jede Ausgabe zu lieben – aber 
gesehen haben muss man sie alle!
TIM SOMMER, 
CHEFREDAKTEUR
chefredaktion@art-magazin.de
Von einer langen Reise, die die 
documenta stark verändert hat
Viel mehr als ein »Postskriptum«! Nur alle zehn Jahre 
finden Kasper Königs phänomenale Skulptur-projekte 
in Münster statt. Warum man auch dieses Kunstereignis 
unbedingt erleben sollte, lesen und sehen Sie ab Seite 132.
DOCUMENTA 14
Termine: Athen bis 16. Juli, 
Kassel bis 17. September. 
Geöffnet: täglich 10–20 Uhr. 
Eintritt: Tageskarte 22 Euro, 
(ermäßigt 15 Euro), Zwei- 
Tages-Karte 38 Euro (ermä -
ßigt 27 Euro), Familienkarte 
50 Euro. Kinder bis zehn 
Jahre frei. Abendkarte ab 17 
Uhr 10 Euro (ermäßigt 7 Euro). 
Info: Unser kostenloses 
Service-Booklet und 
weitere Informationen gibt 
es an den Servicepoints 
des Hauptsponsors Spar -
kasse am Friedrichsplatz 
in Kassel und vor dem 
Hauptbahnhof in Münster.
Gruppenbild 
auf Kunst von 
Andreas 
Angelidakis: 
das Team der 
documenta 14 
in Athen
Zur Eröffnung in 
Kassel tanzte 
Alexandra Bach- 
zetsis (in Rot) 
den Sirtaki – und 
ihr Partner 
Adam Szymczyk 
(in Schwarz) fand 
es wunderbar
3
148 Seiten Kunstsommer!
documenta 14 und Skulptur-Projekte 
Münster als Heft im Großformat
HI
GH
LI
GH
TS
Die documenta ist aus Athen heimgekehrt! Hier unser 
großer Rundgang durch die Weltkunstschau in Kassel – geordnet 
nach Stationen, erklärt und versehen mit unserer Bewertung
T E X T E : M I R J A R O S E N A U , R A L F S C H L Ü T E R , T I M S O M M E R , U T E T H O N 
F O T O S : N O R B E R T M I G U L E T Z , H E L E N A S C H Ä T Z L E
Schaulaufen!
Die Stadt als Laufsteg
-
98
HI
GH
LI
GH
TS
Wohnröhren
-
1514
Mit dem Auszug nach Griechenland hat die documenta 
ihren Anspruch auf Welterklärung untermauert. 
Dem Verhängnis einer fatalen Gegenwart will 
Adam Szymczyk neue, offene Räume entgegensetzen. 
Ein Rundgang durch die documenta in Athen
T E X T : R A L F S C H L Ü T E R , F O T O S : J A N N I S C H A V A K I S
Auf dem Filopappou-Hügel: 
Die Künstlerin Rebecca 
Belmore hat ein Flüchtlings- 
zelt aus Marmor gebaut. 
Im Hintergrund die Akropolis
66 67
Der komplette 
Rundgang
Alle Highlights der 
documenta in Kassel 
in exklusiven Bildern 
und Berichten
Die Reportage 
aus Athen
Alles zum zweiten 
Standort der 
documenta in 
Griechenland in einer 
großen Bilderstrecke
Bildstark, kritisch, aktuell: 
das ART -Sonderheft zur d14
Die Ausstellung im 
Magazinformat: Ob als 
Vorbereitung oder 
zur Erinnerung – die-
ses Heft ist Ihr perfekter 
documenta-Katalog! 
Ay e Erkmen
 Außer intellektuellen Bezügen 
bietet der Unterwassersteg 
im Stadthafen ganz simpel auch 
Erfrischung. Es lohnt sich, 
diese Arbeit am Abend zu 
besuchen – bei Sonnenunter-
gang wirkt sie besonders 
magisch! Von 20 bis 12 Uhr ist 
sie allerdings geschlossen 
ON WATER, STADTHAFEN
133
Er erfand die wichtigste 
Weltausstellung moderner 
Kunst: Arnold Bode war ein 
Glücksfall für die Kunstwelt 
und eine Herausforderung 
für seine Heimatstadt Kassel
T E X T : A N G E L I K A K I N D E R M A N N , 
F O T O S : D O C U M E N T A - A R C H I V
104
KR
IT
IK LLinks in der Eingangshalle der Neu --eN Galerie, dem Herzstück dieser docume Nta in Kassel, hängt eine Zeichnung von Gustave Courbet: Zeichnung von Gustave Courbet: Almosen eines Bettlers in Ornans . . Da Courbet (1819 bis 1877) nicht ge --
rade ein zeitgenössischer Künstler ist, den man 
auf der docume Nta erwartet, liest man den Be --
gleittext an der Wand besonders neugierig. Dort 
erfährt man Folgendes: »Am ehesten« lasse sich 
diese Grafit-Zeichnung als »Meditation über die 
Macht des Teilens und der Solidarität verstehen«. Macht des Teilens und der Solidarität verstehen«. 
Damit nehme Courbet »die Dringlichkeit pro --
phetisch vorweg, alternative Ökonomien zu er --
finden und dem neoliberalen Würgegriff auf finden und dem neoliberalen Würgegriff auf 
unsere menschliche Existenz zu entkommen«.
In diesen zwei Sätzen steckt bereits das We --
sentliche, um die Herangehensweise von Adam 
Szymczyk und seinem Kuratorenteam an diese 
Doppel- docume Nta in Athen und Kassel zu ver --
stehen. Aber auch viel, um den Zorn mancher Be --
sucher auf diese 14. Ausgabe zu begreifen.Der be --
lehrende Habitus, mit dem hier erklärt wird, wie 
man Courbets Werk »am ehesten« zu verstehen 
habe, gehört ebenso zu den charakteristischen 
Merkmalen dieser Super-Schau wie die Fixiert --
heit auf moralische Kategorien: Hier die gute 
»Solidarität«, dort der böse »Neoliberalismus«. 
Doch die Erläuterung zu Courbets vielschich --
tiger Skizze zeigt auch die Crux dieser Prediger-tiger Skizze zeigt auch die Crux dieser Prediger-
Haltung: Der gute Sinn verrutscht leicht ins bös 
Absurde. Oder wie wird sonst das Betteln zu einer Absurde. Oder wie wird sonst das Betteln zu einer 
Prophezeiung alternativer Ökonomien? Und wie 
könnte traurige Obdachlosigkeit ein politischer 
Weg sein, um aus dem »neoliberalen Würgegriff« Weg sein, um aus dem »neoliberalen Würgegriff« 
zu entkommen? Manch eine »menschliche Exis --
tenz« stand zur Eröffnung der d14 vor diesen 
Orakeln und lachte spontan los. Das wäre 
nur eine Randnotiz für eine Ausstellung mit über 
160 Künstlern an mehr als 30 verschiedenen 
Orten allein in Kassel, wäre diese gedankliche 
Entgleisung nicht so symptomatisch. 
Denn diese docume Nta ist nicht von der 
Kunst her gedacht, sondern von der Theorie. Das 
zeigten schon die vielen Statements und Essays 
im Vorfeld der ersten Eröffnung Anfang April in 
Athen oder auf den Pressekonferenzen in den 
beiden Städten, wo Szymczyks Kuratoren den 
Journalisten die Globalisierung oder ihren Gen -
der-Standpunkt erklärten. Hier wurde eindeutig 
klargestellt: Im Verständnis des künstlerischen 
Leiters und seines Teams hat Kunst einen Zweck. 
Es gilt, die Besucher einen Unterrichtsstoff zu 
lehren über die Unterdrückung in der Welt, und 
dafür benutzt man Künstler als Lehrmittel. Das 
ist die Schule von Athen und Kassel. 
Nirgends wird dieser didaktische Grundton so 
laut angestimmt wie in der Neue N Galerie. Hier 
sind Raubkunst und Sklaverei, Gender-Fragen 
und Kolonialismus, kulturelle Hegemonie und 
Nationalismus die beherrschenden Themen, für 
die Kunstwerke als Illustration gebraucht werden. 
Da wird etwa in einer umfangreichen Abtei -
lung, in der mit Belegstücken von Georg Wil -
helm Friedrich Hegel und Leo von Klenze bis zu 
Theodor Heuss und Arnold Bode das problemati -
sche Verhältnis von Deutschland zu Griechen -
land thematisiert wird, der ganze Klassizismus 
pauschal als Treibstoff des deutschen Nationalis -
mus denunziert. Denn Johann Joachim Winckel -
manns »Interpretation der griechischen Skulp -
tur als ideale Schönheit« wäre leider »schnell 
politische Realität« im »Kontext des deutschen 
Imperialismus« geworden. Mit der Regentschaft 
des Bayern Otto als König von Griechenland ab 
1832 (also 64 Jahre nach Winckelmanns Tod!) hät -
te sich das klassizistische Projekt erfüllt in der 
»Aneignung Griechenlands als konstitutives 
Symbol« für die »deutsche Kunst und Kultur«. 
Wenige Meter weiter erhält der Künstler 
Ernst Lorenz Böttner (1959 bis 1994) einen sehr 
großen Auftritt, weil er in jungen Jahren beide 
Arme verlor, dann begann, mit Mund und Füßen 
zu malen, und schließlich sein Geschlecht von 
Mann zu Frau wechseln wollte und sich »Loren -
za« nannte. Böttners Leben ist also vor allem 
eine komplexe Geschichte über seinen Kampf 
um Identität. In dieser Thesenschau muss Bött -
ner aber als Kronzeuge für das Anprangern kapi -
talistischer und sexistischer Ausgrenzungsten -
denzen auftreten. Wobei ihm sein künstlerischer 
Wert von den Kuratoren dadurch bestätigt wird, 
dass der Fußmaler mit »performativen Technolo -
gien« an der »Erschaffung einer armlosen Trans -
gender-Subjektivität« gearbeitet habe. Auch hier 
kann man sich trotz der leidvollen Geschichte ein 
Lachen über den Sprachquark kaum verkneifen. 
Diese documenta ist 
nicht von der Kunst 
her gedacht, sondern 
von der Theorie
KUNST-ERZIEHUNG
Keine documenta hatte so große Ambitionen wie diese. Und keine 
hat für den Besucher so hohe Hürden errichtet. Das Hauptproblem aber ist: 
Adam Szymczyk und seine Kuratoren nehmen ihre Thesen wichtiger 
als die Kunst und die Künstler. Warum die d14 gründlich danebengegangen 
ist – und es sich trotzdem lohnt, nach Kassel zu fahren 
Bilderflut, die 
rat- und hilflos 
macht: Michel 
Auders Installa -
tion im ehemaligen 
unterirdischen 
Bahnhof vermengt 
alles Schlechte 
mit allem Bösen
Gustave Courbets 
Skizze eines 
Bettlers, der noch 
was abgibt, wird 
zur prophetischen 
Kapitalismuskritik 
flachgedeutet
K R I T I K : T I L L B R I E G L E B
2726
LESEPROBE
Haltung und 
Hintergrund
Eine umfassende 
Kritik der Ausstellung, 
alles zu den Ideen 
der Macher und 
zur Geschichte der 
Weltkunstschau
Skulptur-
Projekte Münster
Der große Sonderteil 
zum anderen 
Höhepunkt des 
Kunstsommers in 
Deutschland 
J et zt
AM KIOSK ODER 
ZU BESTELLEN
www.art-magazin.d e/documenta
Telefon: 55 55
Exklusiv für Abonnenten 
versandkostenfrei!
Oder unter
www.art-magazin.d e/angebot
 kostenlos
im Abo sichern
Mit Fantasie – und Nährlösung. In seinem 
Haupt job leitet Tal Danino ein Labor an der 
 Columbia University und trainiert Bakterien dar -
auf, Krebszellen aufzuspüren. Nebenbei macht 
der Biologe mit Keimen Kunst. Dafür platziert 
Danino die Bakterien in eine Schale mit 
Nährgel, das die Umrisse des Kunstwerks 
skizziert. Wie genau die Umrisse gefüllt 
werden, hängt jedoch von der Art und 
dem Wachstum der Bakterien ab. So 
kommt es, dass eine Bakterie aus 
dem Darm als Künstler farbige 
Wolken malt.
Wie schaffen Bakterien 
ein Kunstwerk?
GEO 08 2017 103
 361 °
 Weiter fragen
Ja, meint ein Profiler aus München, der sich dieses besonders 
„kalten“ Falles angenommen hat. Angelika Fleckinger und ihre 
Kollegen hatten nichts Böses getan. Und doch wurden sie nun 
wegen eines Mordes verhört. Eines Mordes, der mehr als 5000 
Jahre zurückliegt. 
Fleckinger ist Direktorin des Südtiroler Archäologiemuse-
ums, der Ruhestätte von „Ötzi“. Die Eismumie gilt als der am 
besten untersuchte Patient der Welt: Forscher haben Ötzis 
 abgenutzte Zähne untersucht, Parasiten in seinem Darm gefun -
entdeckt. Ein Sensationsfund, der nahelegt, dass der Mann wohl 
ermordet wurde. Seitdem gibt es zahlreiche Interpretationen zum 
Leben und Sterben des Mannes aus dem Eis. 
Vor drei Jahren begann der Münchner Fallanalytiker Alexan-
der Horn, Spezialist für die Aufklärung von Mordfällen, die 
Mordsache Ötzi zu untersuchen. Horns Erkenntisse ergeben nun 
ein recht detailliertes Bild der letzten Stunden des Eismannes. 
„Zunächst dachte ich, dass der Fall schon zu lange zurück-
liegt“, sagt Horn. „Doch Ötzis Leichnam ist in einem besseren 
Zustand als manches Opfer einer erst kürzlich begangenen Blut -
tat.“ Horn und Fleckinger gehen mittlerweile davon aus, dass 
Ötzi bereits in einen Kampf verwickelt war, kurz bevor er zu der 
letzten Gebirgstour aufbrach. An seiner rechten Hand findet sich 
eine Schnittwunde, die Anzeichen einer Heilung zeigt. Horn 
schloss daraus, dass die Wunde zwei Tage vor dem Tod entstand.
Vermutlich gewann der „Eismann“ einen Streit, bei dem 
er den Kontrahenten tötete. „Das würde ein Motiv für einen 
 Rachemord an Ötzi geben“, sagt Fleckinger. Einen Raubmord 
schließt Horn praktisch aus: Die damals sehr wertvolle Kupferaxt 
wurde bei dem Leichnam belassen. 
Andererseits hatte Ötzi offenbar keine Eile verspürt, vor 
 jemandem davonzulaufen. Denn kurz vor seinem Tod hatte er 
auf etwa 3000 Meter Höhe in aller Ruhe ein reichhaltiges, zum 
Teil frisch gekochtes Mahl zu sich genommen. So etwas tue man 
nicht, wenn man vorrangig auf Flucht bedacht sei, meint Horn.
Auch wenn sich die Hintergründe der Tat nicht mehr auf -
klären lassen, findet die Wissenschaft doch immer wieder neue 
Einzelheiten über den Eismann heraus. So könnte der Mann aus 
der heutigen Toskana stammen, denn von dort stammt auch das 
Kupfer seiner Axt. 
Wurde »Ötzi« Opfereines Rachemordes? 
Die gut konser vierte 
Leiche des »Eismannes« 
erlaubt noch heute 
gute Rückschlüsse auf 
Ötzis Ende
361° GEO 08 2017104
Auf einer Reise mit den Cunard Queens laden wir Sie ein, ausgefallene 
Orte und Kulturen zu entdecken. Ob Sie mit an Land gehen oder an 
Bord bleiben – wir versprechen Ihnen: kein Tag wird wie der andere sein. 
Erfahren Sie mehr auf cunard.de
Cunard. Die Eleganz des Reisens.
Was Sie am Landausflug hindern könnte:
Der Komfort an Bord.
Kunde: Plan.Net Format: 213 x 100 mm Auftrags-Nr.: 304713
Kampagne/Etat: Cunard Beschnitt: 5 mm Operator PK
Motiv/Name: Entspannung MBZ/BGE/SF: Kundenfreigabe
 
Tel. +49 40 25109-0 | albertbauer.com
Publikation/ Art GEO (DU: 29.06.2017) Profil: PSR SC PLUS v2 PT ABC-Geprüft
Kontakt: Stefan Klöpper Trapping: nein Revision 0.2
 -
sity College London leitet das Institut für 
Nachhaltiges Kulturerbe. Dort erforscht er 
Duftmarken der Vergangenheit.
GEO: Was fasziniert Sie an Gerüchen?
 Ich bemerkte, dass einige Biblio-
thekare an alten Büchern rochen, um de-
ren Alter festzustellen. Als Chemiker woll- 
te ich den Zerfall von Büchern analytisch 
beschreiben – anhand des Geruchs, also 
der flüchtigen organischen Verbindungen, 
die das Papier abgibt. Wir untersuchten 
mehr als 70 Papiersorten. Die instabilen 
Papiere rochen durch die Essigsäure sauer. 
Andere rochen durch Vanillin, das sich 
gebildet hat, sehr süß, eben nach Vanille. 
Gilt das auch für andere Gegenstände?
Ich denke schon. Wir haben auch altes 
Plastik untersucht. Manche Plastikpuppen 
riechen nach Essig – ein Hinweis darauf, 
dass sie schnell erodieren und einen hohen 
Anteil von Essigsäure enthalten. 
Hat die Studie denn auch einen prakti -
schen Nutzen?
Wir haben das einmal im Birmingham 
Museum ausprobiert. Die meisten Besu-
cher erkannten den Geruch wieder, viele 
hatten tolle Beschreibungen parat. Um 
also alte Gerüche wieder lebendig zu ma-
chen, brauchen wir nicht nur die chemi-
sche Zusammensetzung, sondern auch die 
persönlichen Eindrücke und Erinnerun -
gen der Menschen.
Geruchstechnisch gesehen: In welche 
Epoche würden Sie gern einmal reisen?
Wohin auch immer die Reise gehen würde: 
Ich würde mich sicher in einer ziemlich 
stinkenden Umgebung wiederfinden. Denn 
erst in den letzten 150 Jahren verbesserte 
sich die Hygiene merklich. Davor rochen 
die Straßen ziemlich streng nach Urin und 
Exkrementen. 
Welches Ihrer Bücher riecht am besten?
Wahrscheinlich das Kochbuch meiner 
Großmutter. Ehrlich gesagt aber nicht 
wegen des Papiers, sondern weil ich ihre 
Kochkünste immer sehr zu schätzen wuss-
te. Zum Geruchserlebnis gehört eben auch 
viel Erinnerung.
Durch unsere Einordnung können Res -
tauratoren Werke aufstöbern, die einer 
Konservierung bedürfen. Zudem hat Ge -
ruch einen Einfluss bei Ausstellungen: 
Wenn wir eine Bibliothek oder ein histo-
risches Gebäude betreten, erwarten wir 
bestimmte Düfte – und wenn die fehlen, 
ist irgendetwas verkehrt. Das ist auch das 
Problem vieler Museen, in deren steriler 
Umgebung es oft keinen alten Geruch gibt.
Ist es denn möglich, Gerüche der Ver-
gangenheit zu rekonstruieren?
Wonach riechen alte Bücher?
Vanilleduft oder Essiggestank: Am 
Geruch lässt sich der Zustand alter Bücher 
und Dokumente erkennen
K U R I O S E F O R S C H U N G
Z A H L E N Z U M S T A U N E N
208 Mineralien
würde es ohne den Menschen gar nicht geben. Nur in menschengemachten Tunneln, Uranminen oder durch 
industrielle Fertigung entstanden die Voraussetzungen zur Bildung dieser kristallinen Stoffe. Damit ist ein we -
sentliches geologisches Kriterium erfüllt, vom Anbruch des Anthropozäns, also des Menschenzeitalters, zu sprechen.
Im Osten der Demokrati -
schen Republik Kongo, die 
seit vielen Jahren unter der 
Gewalt der Hutu-Miliz litt, 
träumte der Dorfälteste des 
Ortes Bulambika 2012 von ei-
nem Pulver, das unverwundbar 
macht – selbst gegen Maschi-
nengewehre. Er fand die Zu-
taten in einem abgelegenen 
Wald und verarbeitete sie zu 
jenem Pulver, das er gri-gri 
nannte.
Zurück im Dorf, verab-
reichte er das Wundermittel 
einer Ziege. Das Tier über-
lebte – irgendwie! – den Test-
schuss. Die Sage über die magische Kraft 
des gri-gri verbreitete sich bis über die 
Dorfgrenzen hinaus. Als die Hutu-Miliz 
erneut angriff, vollzogen die Krieger von 
Bulambika das gri-gri-Ritual und vertrie -
ben die Miliz. Drei Jahre später war die 
Gegend befreit.
Zufall!, ruft mein aufgeklärter Ver-
stand. Es starben doch trotzdem Men -
schen, Betrug! Derartige abergläubische 
Riten und Glück bringende Beschwörun -
gen sind doch nur etwas für rückständige 
Gesellschaften. Als „Humbug“ würde ich 
ihn heute kurzerhand definieren.
Und dennoch: Aberglaube ist unaus-
rottbar. Ob die Angst vor Freitag, dem 13., 
fortwährend nach Mustern. 
Manchmal sehen wir daher in 
zufällig gleichzeitig auftreten-
den Ereignissen Zusammen -
hänge: Das ist der erste Schritt 
zum Aberglauben. 
Dennoch: Wie Kölner Psy-
chologen um Lysann Damisch 
herausfanden, spielen Men-
schen weit besser Golf, wenn 
sie davon überzeugt sind, den 
Glücksball zu schlagen. Sie 
sind mutiger und glauben eher 
an die eigenen Fähigkeiten.
„Warum es richtig sein 
kann, falsch zu liegen“, heißt 
eine Studie von Harvard-Pro -
fessor Nathan Nunn über den kongolesi -
schen Aberglauben an das gri-gri als 
Kriegsmittel. Offenbar verlieh das Zau-
berpulver den Kämpfern Mut. Auch die 
Toten, die zu beklagen waren, erschütter-
ten ihr Vertrauen nicht: Die hatten das 
gri-gri offenbar nicht richtig angewendet.
Auch Aberglaube versetzt eben Berge. 
das „Toi, toi, toi“ vor der Prüfung oder das 
vierblättrige Kleeblatt: Der Hang zum 
magischen Denken ist bei allen Menschen 
vorhanden, auch bei mir. Warum nur? 
Schon 1997 schrieb der amerikanische 
Psychologe Stuart Vyse in seinem Buch 
„Believing in Magic“: „Die Folgen unseres 
Handelns mögen erfreulich sein, traurig, 
oder keines von beiden. Vorhersehbar sind 
sie jedoch nur selten.“ Um die Welt bere-
chenbar zu machen, sucht unser Gehirn 
Die Kämpfer der kongolesischen Raia 
Mutomboki, der Miliz der »Empörten 
Bürger«, glauben an die Macht eines 
magischen Armbands: »Gewehrkugeln 
können uns nichts anhaben«
FILIPA LESSING, 
Praktikantin bei GEO, 
wünscht sich etwas, wenn 
man kann ja nie wissen.
Kann Aberglaube unverwundbar machen?
361° GEO 08 2017106
N A C H G E D A C H T
Die Theorie sagt: Ja. Aber beweisen können wir es leider noch nicht. 
Was ist negative Masse? Ist ein negatives Kilogramm Mehl leichter 
und fliegt in den Himmel, wenn man es auf dem Erdboden loslässt? 
Nach Einstein zieht positive Masse jede Masse an, negative Mas
se würde dagegen Masse abstoßen. Das negative Kilogramm Mehl 
fiele dennoch auf den Boden: weil die Anziehung der masserei cheren 
Erde deutlich höher wäre als die Abstoßung des Mehls. 
Wären die Massen aber gleich groß, würden sie in immer größerer 
Geschwindigkeit hintereinanderher durchs Weltall jagen: Die negati
ve Masse wird von der positiven Masse angezogen, schubst sie aber 
gleichzeitig von sich weg.
Forscher von der Washington State University haben zum The
ma negative Masse nun einen spektakulären Versuch durchgeführt: 
Ein Team um den Physiker Michael Forbes kühlte Rubidiumatome 
fast auf den absoluten Nullpunkt herab, auf rund minus 270 Grad 
Celsius, festgehalten in einer Art Behälter aus Laserstrahlen.
Als Nächstes stupsten die Forscher die Atome mit weiteren 
Lasern an. Erstaunliches Ergebnis: „Wenn man sie von sich weg
stößt, rollen sie stattdessen auf einen zu“, erklärt Michael Forbes. 
Als hätten sie eine negative Masse.
Allerdings wurde der Aufbau dadurch nicht leichter, wie man 
es für negative Masse erwarten würde. Die Forscher haben lediglich 
liert wird – daher stoßen sich auch die Atome nicht plötzlichgegen
seitig ab und stieben in alle Richtungen auseinander.
Trotzdem birgt der Versuch enormes Potenzial: „Dieser Zustand 
negativer Masse kann in unterschiedlichsten Zusammenhängen auf
treten“, sagt Forbes. Zusammenhänge, die nicht direkt experimentell 
untersucht werden können, etwa bei Neutronensternen oder Schwarzen 
Löchern. „Der Versuch schafft eine Umgebung, um ein fundamentales 
Phänomen zu ergründen, das wirklich seltsam ist.“
Gibt es negative Masse?
Bliebe ein Haus mit 
negativer Masse auf 
dem Boden – oder 
flöge es ins All?
GEO 08 2017 361°
108
Gibt es Wanderdünen 
auf dem Mars?
Jedenfalls gibt es Ähnlichkeiten mit Dünenland -
schaften auf der Erde. Das Foto stammt aus der 
Kamera an Bord des „Mars Reconnaissance Orbiter“, 
einer NASA-Raumsonde zur Erforschung des Roten 
Planeten. Wissenschaftler untersuchen damit die ge -
naue Struktur der Sandverwerfungen auf dem Mars, 
die dort ähnlich wie auf der Erde durch starke Winde 
verursacht werden. Die Stürme erreichen Geschwin-
digkeiten von bis zu 100 Kilometern pro Stunde. 
Durch Vergleiche mit vier Jahre alten Bildern 
können die Forscher die Veränderungen in dem etwa 
einen Kilometer langen Dünenfeld erkennen, das sich 
auf der Nordhalbkugel des Mars befindet. Insgesamt 
60 solcher Formationen studiert die NASA auf diese 
Weise. Das Foto wurde blau eingefärbt, um durch den 
Kontrast die Konturen der Dünen zu schärfen.
GEO 08 2017 109361°
Vermutlich geht der Name auf die lateinische Artbe
zeichnung Cicer arietinum zurück. Und die wiederum 
auf hebräisch kikar, „rund“. Denn die Hülsen der 
Kicher erbse sind weit weniger länglich als die der Gar
tenerbse. Auch die englische Bezeichnung chickpea 
 dürfte den gleichen Ursprung besitzen – und hat daher 
vermutlich nichts mit einem Huhn (chicken) zu tun.
So erstaunlich es klingt: Die 
Schüttellähmung ist eindeutig 
eine Hirnerkrankung – doch ihre 
Ursache liegt womöglich im Ver -
dauungstrakt. Das geht aus Un
tersuchungen des Neuroanatomen 
Heiko Braak hervor, der seit 2009 
als Seniorprofessor am Zentrum 
für Biomedizinische Forschung 
des Universitätsklinikums in Ulm 
forscht. 
Braak entwickelte die soge
nannte Aszensionshypothese, der 
zufolge die Krankheit im Magen 
rolle spielt dabei das fehlgefaltete 
Eiweißmolekül Alpha Synu klein, 
kung in den erkrankten Gehirn
zellen ablagert. 
Die Alpha Synukleine entstehen wo
möglich durch den Einfluss von Umwelt
giften – aber auch im Nervensystem des 
Verdauungstrakts. 
Von dort, so die Hypothese, klettern 
die fehlerhaften Proteinablagerungen ins 
Hirn. Dabei nutzen sie den Vagusnerv und 
seine Verästelungen wie eine Steigleiter. 
Frühere Untersuchungen an Mäusen 
haben gezeigt: Kappt man diesen Nerv, 
tomie unterzogen hatten. Bei die
ser Prozedur, die früher oft zur 
Behandlung von Magengeschwü
trennen Chirurgen teilweise oder 
komplett den Vagusnerv, der vom 
Gehirn in den Bauchraum zieht. 
Diese Vagotomie blockiert die 
Produktion von Magensäure. 
Das Ergebnis: Von 9430 Pa
tienten, die sich einer Vagotomie 
unterzogen hatten, erkrankten 101 
an Parkinson, was kaum abweicht 
von der Rate in der Allgemeinbe
völkerung. Doch bei denjenigen 
Patienten, deren Vagusnerv voll
ständig durchtrennt worden war, 
ergab sich ein sehr deutlicher 
Trend. Gegenüber der Kontroll
gruppe war das Risiko, an Parkinson zu 
erkranken, nach einer vollständigen Vago
tomie um 22 Prozent geringer, und wenn 
der Eingriff mindestens fünf Jahre zurück
lag, sogar um 41 Prozent niedriger. 
Die Forschungen eröffnen neue Per
spektiven auf die Behandlung von neuro
degenerativen Krankheiten allgemein. 
Auch der „Rinderwahnsinn“ BSE führt 
durch den Verdauungstrakt beim Kontakt 
mit fehlgefalteten Proteinen („Prionen“). 
wird der Krankheitsprozess verlangsamt. 
Auch eine Magengeschwüroperation kann 
die Krankheit bremsen; das hat ein schwe
disches Forscherteam statistisch nachge
wiesen. Sie nutzten für ihre Studie die 
nationale Gesundheitsdatenbank, um alle 
Patienten zu finden, die sich einer Vago
W A R U M H E I S S T D I E . . .
Kichererbse Kichererbse?
Entsteht Parkinson im Magen?
Die Ursache mancher 
 neurogenerativen Krankheit 
könnte sich im Magen-Darm-
Trakt verstecken 
361° GEO 08 2017110
Markus Lüpertz’ Skulptur „Felicitas“ ist eine Hommage an die gleichnamige, in der römischen 
jede Skulptur eine individuelle Farbgebung mit unverwechselbarem Unikatcharakter auf. 
Die 47 cm hohe Bronzeskulptur ist auf 45 + 5 E. A. Exemplare limitiert. 
Subskriptionspreis: 13.500 €*
Gültig bis 31. Dezember 2017, anschließend gilt der aktuelle Marktpreis von 14.000 €**
Markus Lüpertz’
bronzenes Meisterwerk 
mit zeitlosem Charakter.
Titel: „Felicitas“
Farbabweichungen bei der Produktabbildung möglich.
** Geschätzter Marktpreis der Galerie Geuer & Geuer ART GmbH. 
Dies ist ein Angebot der Handelsblatt GmbH, Kasernenstr. 67, 40213 Düsseldorf.
Bestellen Sie jetzt zum Subskriptionspreis:
handelsblatt.com/luepertz
0800 0002056 Kostenlos aus dem dt. Festnetz, Mobilfunkhöchstpreis 0,42 €/Min.
 
Ja – und das aus dem Boden entfernte Schwermetall lässt 
sich jetzt sogar kommerziell nutzen. Das ist die Idee beim 
sogenannten Phytomining. 
Für diesen „Pflanzen-Bergbau“ eignet sich zum Beispiel das 
Gebirgs-Hellerkraut, das im Voralpenland wächst. Die Pflanze 
ist in der Lage, Nickel aus dem Boden aufzunehmen und in 
extrem hohen Konzentrationen zu speichern. Möglicherweise 
schützt das Gift die Pflanze vor Fressfeinden.
Auch das korsische Steinkraut ist auf Nickel spezialisiert. Es 
wurde bereits in einem Experiment eingesetzt, um Böden nahe 
einer Raffinerie zu reinigen. Als man das Steinkraut erntete und 
verbrannte, konnten aus den knapp 500 Kilogramm Pflanzen-
asche mehr als 100 Kilogramm Nickel gewonnen werden.
In Albanien lässt sich mit Phytomining Geld verdienen. Am 
Ufer des Ohridsees pflanzen Bauern „hyperakkumulierendes“ 
Mauer-Steinkraut auf schwermetallverseuchten Böden. Die Bau-
ern bekommen umgerechnet gut 70 Euro pro Tonne des getrock -
neten Unkrauts, aus dem sich Nickelsalze gewinnen lassen. 
Eine Untersuchung der Universität Maryland zeigte, dass 
die Entgiftungskräuter auch mit ganz unterschiedlichen Boden -
bedingungen zurechtkommen – Hauptsache, der Gehalt an 
Schwermetall ist hoch genug. 
Dieser blaugrüne Pflan -
zensaft, der aus einem 
Baum in Neukaledonien 
rinnt, besteht zu einem 
Viertel aus Nickel
Kann man mit Pflanzen 
Böden entgiften?
Fragt man Menschen, wo sie sich gut entspannen 
können und ihnen neue Ideen kommen, hört man 
immer wieder: unter der Dusche. Ähnlich oft wird 
jedoch ein weitaus weniger künstlicher Ort genannt, 
nämlich draußen in der Natur, beim Sport, an der 
frischen Luft. Offenbar hat ein natürlich-biologisches 
Umfeld einen besonderen Effekt auf unser Gehirn: 
Es entspannt uns, baut Stress ab und legt so die 
das alles auf einmal und gratis noch dazu!
Die Natur beeinflusst auf vielerlei Weise unsere 
mentalen Effekte: durch die frische Luft, die körper-
liche Bewegung, das viele Grün … Doch ein Effekt 
wurde in der wissenschaftlichen Forschung oft unter-
schätzt, nämlich die Geräuschkulisse. Dabei weiß 
doch jeder, wie entspannend ein lustiges Vogelgezwit-
scher sein kann (solange es sich nicht um zwei nervi-
ge Elstern handelt) oder wie beruhigend das Meeres -
rauschen wirkt. Dieser Effekt ist auch im Gehirn 
messbar, denn wir organisieren unsere Denkvorgänge 
neu, wenn wir biologischen Tönen lauschen.
Um das zu untersuchen, spielte man Testpersonen 
im Hirnscanner verschiedene Geräuschkulissen vor. 
Je nachdem, ob die Klänge eher künstlichen oder na-
türlichen Ursprungs waren, änderte sich die Funktion 
einer Hirnregion, die man Grundeinstellungsnetzwerk 
nennt. Dieses Netzwerk ist immer dann aktiv, wenn 
wir uns entspannen und mit den Gedankenumher -
wandern. Vogelgezwitscher & Co. führten dazu, dass 
diese Region so aktiviert wurde, dass man die ange-
nehmen äußeren Geräusche tatsächlich zur Stress -
reduktion nutzen konnte. Obendrein schnitt man in 
Aufmerksamkeitstests besser ab als unter Einfluss 
künstlicher Geräusche. Denn Letztere veränderten 
die Gehirnaktivität derart, dass man sich plötzlich 
mehr auf sich selbst konzentrierte – dadurch weniger 
aufmerksam war und nicht so gut Stress abbaute.
Naturgeräusche haben also gleich drei Effekte 
auf einmal: Sie scheinen unser Gehirn so zu aktivie-
ren, dass wir unseren Gedanken freien Lauf lassen 
können, aufmerksamer sind und gleichzeitig Stress 
abbauen. Doch außerdem stellte sich in der Studie 
heraus: Der stressreduzierende Effekt durch eine na-
türliche Geräuschkulisse trat vor allem dann auf, wenn 
die Probanden vorher besonders gestresst waren. Wer 
sich entspannt untersuchen ließ, für den waren Na -
turgeräusche sogar eher stressig, was man durch den 
Anstieg der Herzfrequenz feststellte. Anders gesagt: 
Entspannung ist immer relativ – und wer möglichst 
viel Stress reduzieren möchte, sollte erst mal auch viel 
Stress haben.
Ein Grund mehr, beim Sport in freier Wildbahn 
auf Kopfhörer und die neueste Fitnessmusik zu ver-
zichten. Vielleicht ist es besser, auf seinen eigenen 
Atem zu hören, so keuchend und unästhetisch er auch 
ist. Der ist zwar auch menschengemacht – aber wahr-
scheinlich inspirierender als die allermeisten Popsongs.
Literatur: Gould van Praag C . D., et al. (2017) : Mind-wandering 
and alterations to default mode network connectivity when lis -
tening to naturalistic versus artificial sounds . Sci Rep, 7:45273
DR. HENNING BECK 
ist Buchautor und arbeitet als 
Neurobiologe in Frankfurt/Main. 
Von ihm stammt auch der 
Beitrag „Warum die Schwächen 
des Gehirns unsere Stärken 
sind“ auf Seite 65 dieser Ausgabe.
U N S E R H I R N U N D S E I N E W I N D U N G E N 
Wirken Naturgeräusche entspannend?
361° GEO 08 2017112
Lifta Treppenlifte – nah und zuverlässig
– Passt praktisch auf jede Treppe
– Saubere, schnelle Montage vom 
Fachmann 
– Mehr als 120.000 installierte Liftas
– Über 200 Experten – auch in 
Ihrer Nähe
– Lifta Kundendienst, 365 Tage im Jahr
Lifta GmbH Horbeller Straße 33, 50858 Köln
Gebührenfrei anrufen und Prospekt 
anfordern – kostenlos und unverbindlich. 
0800 - 20 33 165
Auch zur 
Miete!
www.lifta.de* Im Rahmen des Pflegestärkungsgesetzes bei vorliegendem Pflegegrad.
Zuschuss-Beratung!
Unser Expertenteam berät Sie 
zu Förderungen für Treppenlifte. 
Bis zu € 4.000,– Zuschuss p. P. 
sind möglich!*
1 1912 gab es in den USA ...
A etwa so viele E-Autos wie 2016 
in Deutschland
B Demonstrationen gegen E-Autos
C 565 E-Auto-Marken
2 Der kleinste E-Motor ...
A ist so groß wie eine Haselnuss
B hat die Größe eines Moleküls
C ist klein wie ein Stecknadelkopf
3 Elektrisch betrieben werden 
außer Autos auch ...
A U-Boote
B Kreuzfahrtschiffe
C Raumschiffe
4 Wo wurde das E-Auto erfunden?
A In den USA
B In England
C In Frankreich
5 Durch Fußball spielende Kinder 
in Rio de Janeiro ...
A werden Flutlichter betrieben 
B wird Strom für das Aufladen 
von Handys erzeugt 
C werden Ampeln mit Energie 
 versorgt
6 Der schnellste Fahrstuhl 
der Welt ...
A erreicht 70 Kilometer pro Stunde
B befindet sich im Burj al Arab 
in Dubai
C befördert Passagiere bis in 
632 Meter Höhe
7 Was verhalf dem Euro-Lade -
stecker zum Durchbruch?
A Der Fehler eines EU-Beamten
B Ein Autounfall
C Ein Fußballspiel
8 Der Weltrekord für elektrisch 
betriebene Fluggeräte liegt 
derzeit bei ...
A einer maximalen Geschwindig -
keit von 337,5 Kilometern pro 
Stunde
B einer Distanz von mehr als 
1200 Kilometern
C einer Flughöhe von 20 000 
Metern 
 
A U F L Ö S U N G S E I T E 1 1 4
C A M P U S
Vergangen heit mit Zukunft: Dieses 
über 135 Jahre alte Dreirad 
gilt als erstes Elektroauto der Welt
Wer ist E-Mobilitätsexperte?
A U F L Ö S U N G C A M P U S V O N S E I T E 1 1 3
1 A, C Mehr als 34 000 Elektroautos gab 
es Ende 2016 in Deutschland. In den 
USA existierten zwischen 1896 und 1912 
bereits ähnlich viele dieser Fahrzeuge, 
weltweit gab es mehr als 565 unterschied- 
liche Marken. In dieser ersten Blütezeit 
der Elektromobilität waren Verbrennungs -
motoren noch nicht weit verbreitet: Nur 
rund 20 Prozent der Autos fuhren mit 
Benzin. Dank ihrer größeren Reichweite 
setzten sich die „Verbrenner“ letztlich 
aber gegen die Konkurrenz durch. 
2 B Ein Menschenhaar ist 60 000-mal so 
dick, wie der kleinste Elektromotor groß 
ist, den der Chemiker Charles Sykes an 
der Tufts University bei Boston entwickelt 
hat. Er besteht aus einem rotierenden 
Molekül auf einer Kupferoberfläche. 
3 A, C U-Boote mit Elektromotoren gibt es 
schon lange: Der Antrieb dient den Unter- 
wassergefährten etwa zur Schleichfahrt. 
Und auch Satelliten und sogar Raumschif -
fe nutzen den Rückstoß des E-Antriebs. 
4 C Vor mehr als 135 Jahren präsentierte 
der Franzose Gustave Trouvé sein elek- 
trisch betriebenes „Trouvé Tricycle“ der 
Öffentlichkeit (siehe Bild Seite 113). Es 
erreichte eine Geschwindigkeit von 
und einem Zwölf-Volt-Bleiakku. Der Erfin- 
der entwickelte später auch elektrisch 
angetriebene Brunnenanlagen und Boote.
5 A Jeder Tritt bringt neue Watt. Auf 
dem Fußballplatz in der Favela Morro de 
Mineira in Rio de Janeiro liegen Kunstra -
senelemente, die es in sich haben. Laufen 
die Spieler darüber, werden die Boden -
platten unmerklich eingedrückt und 
erzeugen über den piezoelektrischen 
Effekt Energie. So versorgt der Spaß der 
Kinder die Flutlichter mit Strom.
6 A, C Der schnellste Aufzug der Welt 
rast im Shanghai Tower gen Himmel, 
gezogen von einem Elektromotor. Mit 
etwas mehr als 70 km/h befördert er 
Passagiere bis in die obersten Stockwerke 
des 632 Meter hohen Gebäudes. Manche 
Experten gehen davon aus, dass bei 
erreicht sein wird: Bei noch höheren 
Geschwindigkeiten könnten sich Mitrei -
sende nicht mehr schnell genug an die 
Veränderung des Luftdrucks gewöhnen. 
Der schnellste E-Rennwagen der Welt 
fährt übrigens schon 313 km/h. E-Bikes 
dagegen müssen schon bei 25 km/h 
gedrosselt werden.
7 C Die Erfolgsgeschichte des sogenann -
ten Mennekes-Steckers nahm ihren Anfang 
bei einem Fußballspiel zwischen Bayern 
München und Wolfsburg. Dort nahm der 
Steckerhersteller Walter Mennekes 2008 
Kontakt mit dem damaligen Vorstands -
vorsitzenden von VW, Martin Winterkorn, 
auf, weil er sonst wohl keinen Termin bei 
dem wichtigen Mann bekommen hätte. 
Aus der Handtasche seiner Frau zog 
Mennekes einen Prototyp und präsentierte 
ihn. Daraus entwickelte sich später der 
europäische Standard-Ladestecker für 
Elektrofahrzeuge an Ladesäulen.
8 A Am 23. März 2017 erreichte das 
Elektroflugzeug „Extra 330LE“ mit einem 
Siemens-Motor eine Geschwindigkeit von 
337,50 km/h über eine Distanz von drei 
Kilometern. 
 Tobias Hamelmann
Theoretisch könnte es 
funktionieren. Ein strah -
lendes Blau wie ein wolken-
loser Sommerhimmel: Das 
ist die Farbe der Flügel von 
 Morpho didius. In den Wäldern 
Perus verscheucht das Männ-
chen des Schmetterlings damit 
Rivalen aus seinem Territorium. 
Inzwischen weiß man auch, 
woher dieses Blau kommt. Auf 
den Flügeln des Schmetterlings 
sitzen kegelförmige, nanometer-
kleine Strukturen. Diese Struktu -
ren dienen als Reflexionsfilter, der 
blaue Anteile von einfallendem Licht 
filtert und verstärkt zurückwirft.
Niraj Lal von der Australian National 
University will dieses Prinzip des Blaufil-
ters für Tandem-Solarzellen einsetzen. 
Diese Zellen können in verschiedenen 
Schichten unterschiedliche Lichtanteile 
verarbeiten und in Strom 
umwandeln. Theoretisch 
sind sie dadurch deutlich 
effizienter als herkömmlicheSolarzellen.
Das Problem allerdings ist, 
Licht so zu filtern, dass die je-
weilige Wellenlänge im richtigen 
Teil der Zelle ankommt. Genau 
hierbei soll der Blaufilter des 
Schmetterlings helfen. 
In einem ersten Versuch kom- 
binierte Lal einen normalen Filter 
mit den Schmetterlingsstrukturen. 
So wurden im oberen Teil dieses 
neuen Filters blaue, grüne und ultra-
violette Anteile des Lichts abgefangen, 
während die roten, gelben und orangefar-
benen Lichtanteile in eine tiefer liegende 
Schicht durchgelassen wurden. Folgestu-
dien sollen die Effizienzsteigerung an 
Solarzellen belegen. 
Macht Schmetterlingsblau Solarzellen besser?
Die Flügel von Morpho sp. 
filtern und trennen Farbanteile
 des Sonnenlichts
Au
tor
en
: J
ür
ge
n B
ro
sc
ha
rt,
 T
ob
ias
 H
am
elm
an
n, 
Fi
lip
a L
es
sin
g, 
Ha
luk
a M
aie
r-B
or
st
361° GEO 08 2017114
TITEL: 
Tim Dodd, 
Bildbearbeitung: John Greve
SEITE 3 : 
Urban Zintel: l. o.; PerthNow: m.
SEITE 4 : 
Christopher Pillitz: o.; Birte 
Kaufmann: m.; lafoka.guru: u.; 
SEITE 5 : 
Solvin Zankl: o.; Charles Fréger: m.; 
Heiner Müller-Elsner/Agentur 
Focus: u.
SEITE 6 : 
Christopher Pillitz: o.; Heiner 
Müller-Elsner/Agentur Focus: m.; 
Birte Kaufmann: u.
SEITE 8 : 
Heinrich Holtgreve/Ostkreuz
SEITE 10 : 
Leonhard von Guggenberg
KOSMOS: 
Tuul & Bruno Morandi: 12/13; 
Richard Shucksmith: 14/15; 
Riksa Dewantara: 16/17; Federico 
Scoppa: 18/19
HORIZONTE: 
Fred Dufour/AFP/Getty Images: 
21; Leibniz-Institut für Gewässer- 
ökologie und Binnenfischerei (GB): 
22 o.; Kim Jae-Hwan/AFP/Getty 
Images: 22 u.; Andrew Hethering- 
ton/Redux/laif: 23; Jordi Pizarro: 
24/25 (5); Foto: Robert Harding 
Productions/robertharding/laif und 
Illustration: Kunhild Haberkern: 28; 
Marlena Waldthausen: 30
AGADEZ: 
Christopher Pillitz: 32–51
LOB DER TORHEIT: 
Alle Illustrationen: Michèle 
Hofmann: 54–68; Fotos: ohmymag.
com: 52 l. o.; boredpanda.com: 
52 r. o., 53 r. o., 54, 58, 59 r. o.; prikol.
ru: 52 l. u.; funtime.ge: 52 r. u., 63; 
stupid-people.net: 53 l. o.; e-w-e.ru: 
53 l. u.; 3porosenka.ru: 53 r. u.; 
shelbyforum.de: 55 l. o.; pixmafia.
com: 55 r. o.; lajkat.se: 56 o.; 
explosion.com: 56 u.; yesemails.com: 
59 o.; semen0vlivejournal.com: 
57, 64 o.; heavy.com: 59 u.; 60, Spalte 
links von oben nach unten: XTP 
Recruitment limited/twitter.com/
xtpltd; vayarkadas.net; boredpanda.
com; 60, Spalte m. von oben nach 
unten: incroyable.co; stupid-people.
net; blazepress.com; IFunny.co; 
60, Spalte rechts von oben nach 
unten: lafoka.guru; apensarte.com; 
noizz.pl; http://clacypiegloriablog.
blogspot.de: 61; newsbeast.gr.: 62; 
theberry.com: 64 m. 
MAULWURF: 
Solvin Zankl: 70–79
FORUM: 
Illustration: Katharina Noemi 
Metschl: 80; Indiana University: 81
ROSTOCK-LICHTENHAGEN: 
Birte Kaufmann: 82/83, 84 u., 87 o., 
88–91; Ina Schoenenburg: 84/85 o., 
87 u., 94, 96
361°: 
Soonhee Moon: 103; Robert Clark: 
104, 114; ddp images: 105; Michael 
Christopher Brown/Magnum 
Photos/Agentur Focus: 106 o.; 
Sina Niemeyer: 106 u.; Juliane 
Eirich: 107; NASA/JPL/University 
of Arizona: 108/109; Cortis & 
Sonderegger/13Photo: 110 o.; 
Le Figaro Magazine/laif: 110 u.; 
Antony van der Ent: 111; 
Illustration: Katharina Noemi 
Metschl: 112 o.; Marc Fippel Foto- 
grafie: 112 u.; Katrin Binner: 113; 
Robert Clark: 114 
JAPANISCHE MASKEN: 
Charles Fréger: 116–126
EUROPEAN XFEL: 
Heiner Müller-Elsner/Agentur 
Focus: 128–139
GEO ERLEBEN: 
Carola Radke/Museum für 
Naturkunde Berlin: 140; Nikolai 
Wolff/Atelier Brückner: 141 o.; 
David Farcas/Klimahaus: 141 l. m.; 
Jacob Matham: 141 r. m.
DIE WELT VON GEO: 
Uwe Umstätter/Westend61/
mauritius images: 142 l.; Blend 
Images/Getty Images: 142 o.; 
Torben Kuhlmann: 143 u. l.; Noah 
Kalina: 143 o. m.; Medienkontor: 
143 r. u.
GEO TELEVISION: 
21 Uno Film: 144 l. o.; BBC 
MMXV: 144 r. o.; John Downer 
Productions: 144 m.; DOC-
LIGHTS GmbH 2017/NDR 
Naturfilm: 144 u.
VORSCHAU: 
Benne Ochs: 145 o.; Kris 
Pannecoucke: 145 l. u.; Edward 
Burtynsky: 145 r. u. 
WELTBÜRGER: 
Christoph Borgans: 146
KARTEN: 
Stefanie Peters: 45, 92, 136, 146
Für unverlangt eingesandte 
Manuskripte und Fotos 
übernehmen Verlag und Redaktion 
keine Haftung.
© GEO 2017, Verlag Gruner + Jahr 
GmbH & Co KG, Hamburg, für 
sämtliche Beiträge.
Gruner + Jahr GmbH & Co KG, 
Am Baumwall 11, 20459 Hamburg. 
Postanschrift der Redaktion: Brieffach 24, 20444 Hamburg. 
Telefon 040 / 37 03-0, Telefax 040 / 37 03 56 48 
Internet: www.GEO.de
 
CHEFREDAKTEUR: Dr. Christoph Kucklick
STELLVERTRETENDER CHEFREDAKTEUR: Jürgen Schaefer
LEITENDE REDAKTEURIN: Johanna Wieland
CREATIVE DIRECTOR: Anna-Clea Skoluda
STELLV. CREATIVE DIRECTOR (BILD) : Lars Lindemann
GESCHÄFTSFÜHRENDE REDAKTEURIN: Maike Köhler
KOORDINATION: Brigitte Gajser
LTG. DIGITALE MAGAZINE/SONDERPRODUKTE: Rainer Droste
TEXTREDAKTION: Klaus Bachmann, Jürgen Bischoff, Dr. Jürgen Broschart, 
Gesa Gottschalk, Florian Hanig, Jörn Auf dem Kampe, 
Diana Laarz, Fred Langer, Dr. Vivian Pasquet, Ines Possemeyer, 
Martin Schlak, Katja Trippel (GEO-TV) 
ABENTEUER & EXPEDITIONEN: Lars Abromeit
REDAKTEUR MIT BESONDEREN AUFGABEN 
IN ENTWICKLUNG UND KONZEPTION: Markus Wolff 
AUTORIN: Johanna Romberg
BILDREDAKTION: Christian Gogolin, Josephine Kaatz, Sina Niemeyer, Peter Unterthurner
GRAFIK: Daniel Müller-Grote (stellv. Art Director), Kunhild Haberkern, 
Michèle Hofmann, Andreas Knoche
KARTOGRAFIE: Stefanie Peters
VERIFIKATION: Ricarda Gerhardt, Tobias Hamelmann, Jörg Melander, Julia Knaack
SCHLUSSREDAKTION: Brigitte Gajser, Oliver Holzweißig
SEKRETARIAT: Rita da Luz, Silvia Wieking (Chefredaktion), 
Frauke Körting, Elke Rehländer-Stöhr (Textredaktion)
HONORARE/SPESEN: Petra Schmidt
GEO.DE: Julia Großmann, Jan Henne (Leitung) 
Redaktion: Peter Carstens, Jaane Christensen (Bildredaktion), Solvejg Hoffmann, Thomas Merten 
Site Coordinator: Jan-Eric Strohsahl
VERANTWORTLICH FÜR DEN REDAKTIONELLEN INHALT: Dr. Christoph Kucklick
PUBLISHER: Dr. Gerd Brüne
PUBLISHING MANAGER: Toni Willkommen
DIGITAL BUSINESS DIRECTOR: Carina Laudage 
DIRECTOR DISTRIBUTION & SALES: Torsten Koopmann, DPV Deutscher Pressevertrieb
MARKETING: Sandra Meyer 
PRESSE- UND ÖFFENTLICHKEITSARBEIT: Christine Haller
HERSTELLUNG: G+J Herstellung, Heiko Belitz (Ltg.), Oliver Fehling
VERANTWORTLICH FÜR DEN ANZEIGENTEIL: Daniela Krebs, Director Brand Solutions 
G+J e|MS, Am Baumwall 11, 20459 Hamburg. 
Es gilt die jeweils aktuelle Preisliste. Infos hierzu unter www.gujmedia.de
 
Der Export der Zeitschrift GEO und deren Vertrieb im Ausland sind nur mit Genehmigung des 
Verlages statthaft. GEO darf nur mit Genehmigung des Verlages in Lesezirkeln geführt werden.
Bankverbindung: Deutsche Bank AG Hamburg, 
IBAN: DE30 2007 0000 0032 2800 00, BIC: DEUTDEHH
 
ISSN: 0342-8311
Druckvorstufe: 4MAT Media Hamburg: 
Meike Andres, Sebastian Böcking 
Druck: Prinovis GmbH & Co KG • Betrieb Nürnberg 
GEO ist auf Papier gedruckt, das aus 20 Prozent – ausschließlich chlorfrei gebleichtem – 
Zellstoff, aus 60 Prozent Durchforstungsholz und 20 Prozent Altpapier hergestellt ist. 
Printed in Germany
 
GEO (German) (USPS no 0011476) is published monthly by GRUNER + JAHR GmbH & CO KG. 
Known office of publication: German Language Pub., 153 S Dean St, Englewood NJ 07631. 
Periodicals postage is paid at Paramus NJ 07652 and additional mailing offices. Postmaster: Send address 
changes to: GEO (German), GLP, PO Box 9868, Englewood NJ 07631, 855-457-6397.
F O T O H I N W E I S E N A C H S E I T E N
Anordnung im Layout: l. = links, r. = rechts, o. = oben, m. = Mitte, u. = unten
I M P R E S S U M
GEO 08 2017 115
In Japan gehen Spukgestalten um, 
inzwischen eher zum Vergnügen. Der FotografCharles Fréger hat sie aufgespürt
Reich der Geister
F O T O P R O J E K T
Kinderschreck: Er ist zwar 
ein Gott, aber mit rotem 
Gesicht und Hörnern 
sieht dieser toshidon aus 
wie ein Dämon. Am 
letzten Abend des Jahres 
geht er von Haus zu 
Haus, rügt die Kinder für 
ihre Missetaten – und 
schenkt ihnen dann 
Reiskuchen, damit sie ein 
Jahr älter werden 
GEO 08 2017116
117
Verführerin: Eine 
sasarasuri (Sasara-Spielerin) 
lockt mit ihrem Bambus -
instrument einen eitlen 
Mann. Sie soll die weibliche 
Schönheit symboli 
auch wenn sie von einem 
Mann gespielt wird
GEO 08 2017118
Löwenmutter: Zur 
Tagundnachtgleiche 
im Herbst läuft eine 
oyajishi (Löwin) Amok, 
von einem Jäger wird 
sie schließlich erlegt. 
Ihr Nachwuchs aber 
überlebt; er wird von 
einem Schulkind 
dargestellt 
GEO 08 2017 119
GEO 08 2017120
Tempelritter: Der 
Krieger tritt 
beritten und bewaffnet 
auf. Allerdings darf 
er das Areal seines 
Schreins niemals ver- 
lassen. Gemeinsam 
mit anderen Geistern 
und Göttern hält er 
Seuchen fern
Löwenhirsch: Warum 
trägt dieser shishi 
(Löwe) Hörner? Keiner 
weiß es genau. Viel- 
leicht, um mit seinem 
Tanz einen Samurai aus 
 
zu feiern: Der soll eine 
Schlacht gewonnen 
haben – mithilfe einer 
Fackel aus Geweih 
Hochstapler: Ein hotafuri 
(Stabschwenker) führt 
einen Trommeltanz an. 
Er half einst, so erzählt 
man sich, eine Epidemie 
zu beenden. Und er 
besänftigt böse Geister 
und bringt Regen
Gelb vor Kummer: 
Kioni, ein Dämon, 
randaliert drei Nächte 
lang in einem Schrein. 
Dann endlich wird die 
Jammergestalt von 
einem Gott in die 
Berge gejagt
Glücksbringer: Die 
stets lächelnde otafuku - 
Maske ist in ganz Japan 
bekannt. Ihr Name 
bedeutet »viel Glück«, 
sie ist zudem ein Symbol 
für Fruchtbarkeit. Sie 
verheißt Wohlstand und 
eine reiche Ernte
Höllenfahrer: Ruß und 
Strohhörner verwan- 
deln Kinder in kurooni, 
schwarze Dämonen. 
Die heizen in der Hölle 
die Kessel, am 14. August 
aber lassen sie alle 
Kinderseelen für einen 
Tag ins Paradies
GEO 08 2017 121
Beflügelt: Sagi, 
der Fischreiher, bringt 
Glück. Er vollführt 
einen anmutigen Tanz 
zum Klang von Flöten, 
und das schon seit 
über 500 Jahren 
122 GEO 08 2017
Dickes Fell: Auch wenn 
dieser shishi aussieht 
 
ist er doch ein Löwe! 
In Japan gab es beide 
Tiere nicht, das Fabel -
wesen entsprang ganz 
und gar der Fantasie 
GEO 08 2017 123
Maskenball: Zum 
cherorts aller eitlen 
Kostümierung entsagt. 
Beim Tanz men odori 
werden nur schlichte 
Papiermasken getra 
gen. Auf sie sind 
Gesichter alter Männer 
oder Frauen gemalt
Hirsch mit Löwenherz: 
Ein onjishi (Hirsch) 
trommelt – und zeigt 
beim Erntedankfest 
einen Löwentanz. Dieser 
ist einst mit dem 
Buddhismus von Indien 
über China nach 
Japan gelangt
GEO 08 2017124 GEO 08 2017
GEO 08 2017 125
D I E G E I S T E R , M O N S T E R U N D D Ä M O N E N K O M M E N ! 
In bizarren Gewändern, mit Masken, Musikinstrumenten und 
Waffen suchen sie Japan heim: Mischwesen aus Gott und Geist, 
aus Mensch und Tier . 
Als der Fotograf Charles Fréger von ihrer Existenz erfuhr, 
fühlte er sich an die Perchten erinnert, die im Alpenraum den 
Winter austreiben, oder an Krampus und Knecht Ruprecht, die 
unartige Kinder bestrafen: mythologische Gestalten, die er zuvor 
für sein Buchprojekt „Wilder Mann“ porträtiert hatte. Offenbar 
hatten sie japanische Verwandte. Fréger spürte sie auf, vor allem 
bei Festen zum Wechsel der Jahreszeiten auf dem Land. 
Der Legende nach erschienen die übernatürlichen Wesen 
ursprünglich zur Jahreswende, um die Menschen zu belehren, zu 
segnen und den sozialen Frieden in den Gemeinden zu bewah -
ren. Die hießen sie mit Musik, Tanz und Theater willkommen 
und schickten sie dann wieder zurück in ihre Zwischenwelt, so 
der Ethnologe Origuchi Shinobu. 
Die Rituale sollten vor der unberechenbaren Kraft der Natur 
schützen: Die Japaner waren von jeher Erdbeben, Fluten und 
Taifunen ausgeliefert, die immer wieder ihre Ernten bedrohten. 
Bis heute sind daher viele Masken und Kostüme mit Reisanbau 
und anderen landwirtschaftlichen Motiven verbunden. Auch die 
verwendeten Materialien entstammen oft der Natur: Blätter, Blü -
ten, Rinde, Papier, Schlamm.
Die Geister und Monster können in vielerlei Gestalt auftre -
ten: Klassische tragen teils tierische, teils menschliche Züge; 
oni sind düstere Erscheinungen, die mit ihren Hörnern, Stoß -
zähnen und Waffen an Teufel erinnern, tengu Bergkobolde mit 
langer Nase und Gefieder. Je nach Region kann eine Figur mit 
dem gleichen Namen sehr unterschiedlich aussehen: Einen Lö -
wen etwa kannten die Menschen nur aus chinesischen Überlie -
ferungen, nicht aus eigener Anschauung. Kein Wunder, dass er 
mancherorts eher an einen Drachen oder einen Hirsch erinnert.
Und wer verbirgt sich hinter den Maskeraden?
Meist ältere Menschen, da viele junge die Dörfer verlassen 
haben. Oft sind Bauern und Fischer unter ihnen, mitunter Mön -
che. Frauen hat Fréger nie als Monster maskiert gesehen: „Sie 
begleiten die Spukgestalten mit eigenen Tänzen und Kostümen.“
Die Masken werden meist in Tempeln und Schreinen auf -
bewahrt, manche dürfen das heilige Areal nie verlassen. „Die 
ursprünglich religiöse Bedeutung der Kostümierungen ist für die 
meisten Menschen mittlerweile nachrangig“, hat Fréger festge-
stellt. „Sie feiern nicht, weil sie an Geister glauben, sondern um 
sich zu vergnügen – in der Gemeinschaft mit anderen.“ 
Einen Überblick über die Gesellschaft der Geister kann oh -
nehin kaum jemand bewahren. Die Japanologin Elisabeth Sche-
rer schätzt, dass es allein Hunderte gibt. Im 18. Jahrhundert 
wurden ihnen Enzyklopädien und Kataloge gewidmet; zugleich 
erfanden Künstler ständig neue Mischwesen, die nicht länger auf 
überlieferten Erzählungen gründeten. Die Darstellungen fanden 
mit dem Holzdruck massenhaft Verbreitung. 
Im späten 19. Jahrhundert versuchten -Wissenschaftler, 
die Geister und Dämonen als Hirngespinste zu entlarven. Ohne 
Erfolg: Heute treten sogar in TV-Serien, Filmen und Man -
ga auf. „Als nur schemenhaft definierte Hüllen können sie mit 
einem beliebigen Inhalt gefüllt werden“, so der Japanologe Timo 
Thelen. Das jüngere Publikum werde mit ihrer Hilfe belehrt, im 
älteren weckten sie die Sehnsucht nach dem traditionellen Japan. 
Charles Fréger hat auch des Öfteren von einem unter 
dem Tatami“ gehört: einem persönlichen Hausgeist unterm Tep-
pich. Denn unberechenbar ist das Leben für viele noch heute.
Ines Possemeyer
Der französische Fotograf CHARLES FRÉGER 
wöhnliches Thema gewählt: Seit vielen Jahren porträtiert er Men 
schen in Kostümierungen und Uniformen, darunter auch Sportler, 
Opern darsteller, Soldaten, Wachleute und andere Bedienstete. 
Diese Musikerinnen 
tanz, der nur alle zwei 
Jahre aufgeführt wird
GEO 08 2017126
ANZEIGE
Erleben Sie die einzigartige Tierwelt und fesselnde Landschaften der
Gegensätze im Süden Afrikas. Durch Besuche bei konservatorischen
Tierschutzprojekten erhalten Sie ein Hintergrundverständnis der
Extra-Klasse – ein Spannungsbogen von der Kolonialgeschichte
bis in die Realität des heutigen Afrikas. 
Fo
to 
gro
ß: 
© 
Jay
Si,
 Sh
utt
ers
toc
k
Fo
to 
kle
in:
 ©
 K
lau
s K
nu
ffm
an
n
Ihr Reiseverlauf:
Tag 1
Tag 2 Fahrt in die Kalahari. 
 Ankommen. Ausruhen. Entspannen.
Tag 3 Einführung in die Geheimnisse der Buschmänner
 und erste Pirschfahrten.
Tag 4 Fahrt nach Sesriem oder Erkundung des Fishriver 
 Canyon/Lüderitz per Flugsafari.
Tag 5 Faszinierendes Farbspiel der Dünen des Sossusvlei.
Tag 6 Auf dem Weg nach Swakopmund,
Tag 7 Swakopmund: Stadtführung und im Anschluss
Tag 8 Entdeckung steinzeitlicher Felsgravurenim Damaraland.
Tag 9 Wüstenelefanten und bedrohten Nashörnen auf der Spur .
Tag 10 Besuch einer Himba-Dorfgemeinschaft und Eintauchen 
 in die faszinierende Tierwelt des Etosha-Parks.
Tag 11 Quer durch den Etosha-Park (vom Westen ins Zentrum).
Tag 12 Quer durch den Etosha-Park (Richtung Osten).
Tag 13 Entspannter Ruhetag oder mehr von Etosha.
Tag 14 Leoparden-Pirsch und Besuch bei dem Afri-Cat
 Tierschutzprojekt. 
Tag 15 Windhoek: Eintauchen in die verschiedenen Facetten
 der namibischen Hauptstadt.
Tag 16 Raum für weitere Begegnungen mit Namibianern, 
 letzte Besorgungen und Abreise.
Tag 17 Ankunft in Frankfurt.
 
Die Morgenstimmung in den Sanddünen des Sossusvlei.
ANGEBOT
Rundreise
www.geo.de/reisewelten oder Tel. 05141 3603 494
BUCHEN SIE JETZT IHRE REISE
Auf der Geo Reisewelten Website finden Sie jede Woche neue, besondere Reisehighlights für Sie als Leser/-in.
Freundeskreis Kulturreisen GmbH
Kanzleistraße 11, 29221 Celle 
Die Gruner+Jahr GmbH & Co KG tritt lediglich als Vermittler auf.
Veranstalter dieser Reise: 
Spießböcke, die Wappentiere Namibias, am
Wasserloch im Etosha-Park.
 Hinweise:
 Einzelzimmerzuschlag € 390,-.
 Business Class Upgrade ab € 1.450,-.
 Flugsafari zubuchbar ab € 750,- (z. B. Fishriver Canyon, 
 Lüderitz oder Sklettküste, Damaraland).
 SUPERLATIV 
 IM TIEF- 
 PARTERRE
E U R O P E A N X F E L
Fotos: Heiner Müller-Elsner
GEO 08 2017128
In Hamburg geht das modernste 
und leistungsstärkste Mikro skop 
der Welt in Betrieb. Wissenschaftler 
können damit den Tanz der Moleküle 
sichtbar machen
Im Beschleunigertunnel, hier noch ohne Installationen, 
werden Elektronen tief unter der Erde mit Energie aufgeladen – 
auf einer Strecke von gut zwei Kilometer Länge
129
1 km
GEO-Graf ik
Schenefeld
DESY-Bahrenfeld
Osdorfer Born
DI E R E I S E ins Innere der Dinge beginnt im Hamburger Stadtteil Bahrenfeld, sieben Stockwerke tief in der Erde, unter einer 
grauen Halle – und dauert: eine hundert -
tausendstel Sekunde.
Dann haben ein paar Milliarden Elek- 
tronen, beschleunigt auf fast Lichtgeschwin- 
digkeit, rund zweieinhalb Kilometer zu-
rückgelegt, mit ihren Lichtblitzen einen 
winzigen Kristall zertrümmert und dabei 
ein Bild von ihm erzeugt. Ein neues Bild 
vom Inneren der Materie.
Zugleich haben elf europäische Natio-
nen mehr als acht Jahre zurückgelegt, 
mehr als 1,2 Milliarden Euro ausgegeben 
und mit dem Geld eine weltweit einzig -
artige Maschine geschaffen, die nahezu 
unsichtbar ist. Eine Art Elbphilharmonie 
der Wissenschaft, ein Mikroskop, das jede 
Dimension sprengt. Ein Traum für alle, die 
für solche Träume empfänglich sind.
Die Reise beginnt, als ein Laserstrahl 
aus einem Metall ein Päckchen mit Atom -
bausteinen schlägt. Das Päckchen, kaum 
größer als ein Stecknadelkopf, doch beste-
hend aus Milliarden Elektronen, erreicht 
auf wenigen Metern fast Lichtgeschwin-
digkeit. Wird dann in einer gut zwei Ki-
lometer langen, unterirdischen Röhre mit 
ungeheuren Energien aufgeladen. Dabei 
immer weiter komprimiert, bis es nur noch 
wenige hundertstel Millimeter misst. Von 
starken Magneten, sogenannten Undula -
toren, schließlich auf einen Slalomkurs ge- 
zwungen, wobei es ultrakurze, ultrastarke 
Laserblitze aus Röntgenlicht erzeugt. 
Danach werden die Elektronen in ei -
nen Block aus Graphit abgelenkt. So ge-
stoppt, verlöschen sie in purer Hitze.
Die Röntgenblitze aber sausen weiter, 
bis sie nach einem Kilometer, unter der 
Erde der schleswig-holsteinischen Klein-
stadt Schenefeld, auf ihr Ziel treffen: ei-
nen Kristall aus Proteinen, kaum einen 
tausendstel Millimeter groß.
Die Blitze zerstören den Kristall au-
genblicklich.
Aber zuvor noch zeichnet das Rönt -
genlicht mit einem Detektor ein detailge -
naues Bild der fürs menschliche Auge un- 
sichtbaren Probe – und gibt so den Blick 
frei auf die tiefsten Tiefen der Materie.
Das European XFEL, derzeit eines 
der ambitioniertesten Forschungsprojekte 
in Europa, hat den Testlauf bestanden.
ES I S T D A S D E R Z E I T modernste und leistungsstärkste Mikroskop der 
Welt. Das X im Namen steht für „X-ray“, 
Röntgenstrahlung, die drei Buchstaben 
FEL stehen für „Freie-Elektronen-Laser“. 
Im September soll es den wissenschaftli-
chen Betrieb aufnehmen. Von den Baukos- 
ten schultern Deutschland und Russland, 
über alle politischen Zerwürfnisse hinweg, 
85 Prozent.
Wenn alles läuft, soll der European 
XFEL pro Sekunde bis zu 27 000 Laser-
blitze erzeugen. Sie sind unvorstellbar kurz, 
weniger als 100 billiardstel Sekunden, mit 
Wellenlängen von bis zu einem zehntel 
Nanometer. Das, ungefähr, ist der Abstand 
zwischen zwei Atomen in einem Molekül. 
Die Blitze sind, berechnet auf einen Qua -
dratzentimeter Fläche, bis zu zehn Trilli-
arden Mal intensiver als Sonnenlicht.
Es sind solche Superlative, die diesen 
Freie-Elektronen-Laser zum derzeit leis -
tungsfähigsten auf der Welt machen. Der 
bislang stärkste an der Stanford University 
in Kalifornien schafft in der Sekunde nicht 
mehr als 120 Blitze.
Seit Jahren drängen sich Wissen-
schaftler in aller Welt um „Strahlzeit“ in 
diesen Einrichtungen. Denn Freie-Elek -
tronen-Laser erschließen die geheimen 
Vorgänge in der Materie mit bislang un-
erreichter Genauigkeit: Sie erschließen die 
Welt jenseits des sichtbaren Lichts. 
Das Licht, das wir sehen können, hat 
Wellenlängen von im Mittel etwa 550 Na-
nometern. Ein Nanometer ist ein millions -
tel Millimeter, und klassische Lichtmikro-
skope erreichen bestenfalls Auflösungen 
von 200 Nanometern. 
Der 3,4-km-Tunnel des European 
XFEL führt von Hamburg ins schles- 
wig-holsteinische Schenefeld
Text : JÜRGEN BISCHOFF
DIE ELEKTRONENKANONE
Der fast lichtschnelle Elektro -
nenstrahl ist das Herzstück des 
neuen Röntgenlasers European 
XFEL. Erzeugt wird er in der 
sogenannten Injektorhalle (1) 
auf dem Gelände des Deutschen 
Elektronen-Synchrotrons DESY 
in Hamburg: Ein Laser im 
Inneren einer hochpräzisen, 
wassergekühlten Elektronen -
kanone schießt starke Pulse aus 
UV-Licht auf eine negativ 
geladene Elektrode aus Cäsium- 
tellurid. Dadurch werden 
Elektronenpakete aus dem 
Metall herausgelöst. Elektroma -
gnetische Wellen beschleunigen 
diese Elektronen dann bis auf 
Höchstgeschwindigkeit. Rund 
35 Meter unterhalb der Euro -
pean-XFEL-Betriebshalle (2) 
wird der gepulste Strahl in die 
gut zwei Kilometer lange Be- 
schleunigerstrecke geführt, wo 
er weiter an Energie gewinnt. 
Die 96 Beschleunigermodule 
müssen dafür bis auf –271 Grad 
Celsius gekühlt werden.
1
2
2
GEO 08 2017130
Im Jahr 2011 befand sich 
die Injektorhalle noch im Roh- 
bau, heute wird hier der 
Elektronenstrahl erzeugt. Der 
rote Bereich besteht aus 
Schwerbeton: die Halterung für 
einen »Dump«, in dem die 
energiereichen Elektronen im 
Notfall gestoppt werden
Vier Jahre später, 2015, wird 
die Injektortechnik installiert. Das 
System muss staubfrei bleiben
GEO 08 2017 131
Im Jahr 2012 war das Ende 
des Beschleunigertunnels 
in Hamburg-Osdorf noch eine 
offene Baustelle, jetzt steht 
hier das Verteilergebäude
Die Montage des Linear -
beschleunigers zog sich über 
Jahre hin. Er besteht aus 
insgesamt 96 Modulen, jedes mit 
einer Länge von zwölf Metern. 
Im Inneren der gelben Segmente 
befinden sich die sogenannten 
Resonatoren, die den Elektronen -
strahl über die Strecke mit Energie 
aufladen. Die Rohrleitungen 
an der linken Tunnelwand sind 
Versorgungsleitungen, unter 
anderem für Strom und Wasser
GEO 08 2017132
Chemische Moleküle aber sind fast 
immer deutlich kleiner. Man kann sie mit 
sichtbarem Licht nur in Bewegung verset-
zen, aber nicht unterscheiden. 
Die Wellenlänge der Röntgenblitze 
des European XFEL dagegen ist so klein, 
dass sich mit ihnen einzelneMoleküle 
ablichten lassen, sogar in 3-D. Mit einem 
Stroboskoplicht wie in der Diskothek, das 
die Bewegungen der Tänzer einzufrieren 
scheint. 
Anschließend können Forscher die 
mit den ultrakurzen Lichtblitzen aufge -
nommenen Bilder zu Filmen zusammen -
fügen, wie bei einem Daumenkino. So 
lassen sich auch Bewegungen von Mole-
külen nachvollziehen.
Dem Tanz der Atome zusehen zu kön- 
nen, die uns im Alltag umgeben, und nach 
Wegen zu suchen, wie man diesen beein-
flussen kann – diese Vorstellung treibt die 
Physiker an. Sie werden sich allerdings mit 
Biophysikern, Zellbiologen, Pharmako-
logen in den Schenefelder Laboren die 
Strahlzeit teilen müssen.
Ein Team der Technischen Universi -
tät Dänemark etwa möchte dort Bewegun- 
gen von Molekülen erforschen, die sich 
durch Licht aktivieren lassen. In der Natur 
sorgen ähnliche Stoffe dafür, dass bei der 
Fotosynthese aus Licht und Kohlendioxid 
Sauerstoff und Zucker entstehen. 
Die Veränderungen in den Molekülen 
aber vollziehen sich in wenigen hundert 
Femtosekunden – hundert Femtosekunden 
benötigt das Licht, um eine Strecke von 
0,03 Millimetern zurückzulegen. Da aber 
die Lichtblitze in der Schenefelder Anlage 
noch kürzer sind, können sie bisher unge-
sehene Details dieser Vorgänge sichtbar 
machen. Ziel ist es, auf ähnliche Weise wie 
bei der Fotosynthese aus Licht und Was-
ser Wasserstoff herzustellen, als Grund-
stoff zur Energieerzeugung.
Der Berliner Physiker Stefan Eisebitt 
wiederum will im XFEL der Frage nach-
gehen, wie Speichermedien beschaffen 
sein müssten, auf die Daten mit Licht 
geschrieben werden. Der 52-Jährige ist 
Direktor am Max-Born-Institut für Nicht- 
lineare Optik und Kurzzeitspektroskopie 
in Berlin-Adlershof. 
„Seit zehn Jahren wissen wir, dass man 
Materialien auch mit Lichtpulsen magne -
tisieren kann“, sagt Eisebitt. „Aber bisher 
weiß niemand genau, was dabei passiert.“ 
Um neue, schnellere Datenspeicher ent-
wickeln zu können als die heutigen, „müs-
sen wir die grundlegenden Prozesse ver-
stehen, die sich bei dieser Magnetisierung 
abspielen“. 
Biochemiker hingegen wollen etwa 
Proteine studieren, die eine wichtige Rolle 
bei der Entstehung mancher Krankheiten 
spielen. Denn jedes Protein faltet sich na-
türlicherweise zu einer dreidimensionalen 
Struktur, wie ein Wollknäuel, immer mit 
einer charakteristischen Form. 
Manchmal geht die Faltung schief, 
und das Eiweiß schlägt aus der Art. Typ- 
2-Diabetes, Alzheimer oder Parkinson 
können die Folge sein. Ein XFEL-Instru -
ment mit dem Kürzel SPB (für „Single 
Particles, Clusters, and Biomolecules“) soll 
die Abläufe beim Faltungsprozess offen-
baren helfen – und vielleicht auch die 
Ursachen der fatalen Fehlfunktionen. Das 
könnte zur passgenauen Entwicklung von 
Medikamenten beitragen. 
Und selbst Astrophysiker warten be-
reits auf den offiziellen Betriebsbeginn in 
Schenefeld. Denn am sogenannten High- 
Energy-Density-Instrument (HED) wer -
den sich experimentell Extremzustände 
von Materie untersuchen lassen, wie sie im 
Inneren von Planeten herrschen. „Wäh-
rend eines Experimentes können wir durch 
Beschuss mit Laserlicht kurzfristig Drücke 
von bis zu einer Million Bar erzeugen“, er-
zählt eine Wissenschaftlerin am HED. 
Das ist in etwa so viel, als balanciere 
man den höchsten Wolkenkratzer, den 
500 000 Tonnen schweren Burj Khalifa in 
Dubai, auf einer Fingerspitze. 
AM E U R O P E A N X F E L wird deutlich, was auch für viele andere Großfor-
schungsprojekte gilt, für die Jagd auf die 
Neutrinos, für die Suche nach der Dunk -
len Materie oder die Entschlüsselung der 
TEILCHENVERTEILUNG
Wenn die Elektronenpakete 
nach etwa 2,1 Kilometern die 
Beschleunigerstrecke (3) 
passiert haben, tragen sie eine 
Energie von 17,5 Milliarden 
Elektronenvolt. Ein Elektronen -
volt ist die Energie, die ein 
Elektron neu aufnimmt, wenn 
es mit einer Spannung von 
einem Volt beschleunigt wird. 
Im Hamburger Stadtteil Osdorf – 
der Tunnel verläuft hier etwa 
15 Meter unter der Erde – mün -
det der Beschleunigertunnel 
in eine Verteilerstation (4). Dort 
verzweigt sich der Tubus des 
Riesenmikroskops zunächst in 
zwei (5) weitere Tunnel. Sie 
führen die Elektronenpakete 
weiter in Richtung des Cam- 
pus des European XFEL in 
der schleswig-holsteinischen 
Kleinstadt Schenefeld.
4 
5
53
GEO 08 2017 133
( W E I T E R A U F S E I T E 1 3 6 )
GEO 08 2017134
Das XFEL-Prinzip auf einer Weißwandtafel 
erklärt: So erzeugen Elektronen laser artiges 
Röntgenlicht
135
Atomfusion: Wer die ganz großen Zusam-
menhänge verstehen will, muss ganz tief 
in die Details der Materie vordringen –
und dafür wiederum ganz große Maschi -
nen bauen.
Und das European XFEL ist eine 
wirklich große Maschine.
Der Tunnel, der Tubus dieses Mega- 
Mikroskops, ist 3,4 Kilometer lang. Inklu-
sive aller Abzweigungen misst das unter-
irdische Gängeviertel 5,8 Kilometer. 
Den ersten Teil der Strecke betreut 
Hans Weise, 55 Jahre alt, Physiker. Wer 
Weise treffen will, findet ihn in einem ver-
steckt liegenden, schmucklosen Büroblock 
auf dem DESY-Gelände in Hamburg-Bah- 
renfeld. Der Fahrstuhl ist gerade kaputt, 
es ist der einzige. Wissenschaftler, Ingeni-
eure, Doktoranden, alle müssen das Trep-
penhaus nehmen, um zu ihren Büros zu 
kommen. Das von Hans Weise liegt in der 
fünften Etage.
Auf dem Tisch ein weißer Schutz-
helm, daneben ein Selbstrettungsgerät für 
den Notfall. Es soll bei einem Brand den 
nötigen Sauerstoff zum Atmen liefern. 
Helm und Selbstretter sind Vorschrift im 
Beschleunigertunnel. Ein Transponder, den 
jeder Besucher tragen muss, der in den 
Tunnel will, meldet der technischen Über-
wachung zudem den jeweiligen Standort.
Hans Weise ist einer der Wissen-
schaftler, die die Beschleunigerstrecke 
entworfen haben. Schon während seines 
Physikstudiums war er fasziniert von der 
Technik der Teilchenbeschleunigung, spä-
ter, in Darmstadt, baute er mit an Deutsch- 
lands erstem Freie-Elektronen- Laser. 1993 
holte ihn das DESY nach Hamburg, denn 
man hatte Großes vor: einen 33 Kilometer 
langen, unterirdischen Linearbeschleuni-
ger namens TESLA, als Abzweig davon 
ein Röntgenlaser.
Ein Linearbeschleuniger bringt Elek -
tronen auf gerader Strecke auf Touren und 
nicht auf einer Kreisbahn wie in herkömm- 
lichen Beschleunigerringen. Doch TESLA 
erwies sich als zu teuer. Übrig aber blieb 
der Röntgenlaser.
„Der Auftrag war der Traum eines je-
den jungen Wissenschaftlers“, sagt Weise: 
„Baut den besten Linearbeschleuniger der 
Welt!“ Der Auftrag sollte zum Projekt sei-
nes Lebens werden.
Der Tunnel, der das DESY mit dem 
XFEL-Campus in Schenefeld verbindet, 
beginnt ein paar Gehminuten von Weises 
Büro entfernt. 
Tritt man durch die Hallentür, findet 
man sich unversehens in einem achtstö-
ckigen Gebäude – in der obersten Etage. 
„Sieben Stockwerke haben wir in die Tiefe 
gebaut“, sagt Hans Weise und führt den 
Weg zu ei nem rechteckigen Schacht, den 
die Architekten in der Hallenmitte frei -
gelassen haben. Durch diesen Schacht 
musste die gesamte Technik der Beschleu-
nigerstrecke passen. In ihm verschwand 
der Injektor, in dem die Elektronenpäck-
chen erzeugt und auf die Reise geschickt 
werden. In ihm verschwanden die riesigen 
Magnete zur Führung des Elektronen -
strahls. Und in dem Schacht verschwan-
den auch die Beschleunigermodule, 96 
Stück, je zwölf Me ter lang, umgeben von 
einer gelben Hülle aus Stahl.
Hans Weise betritt den Fahrstuhl, un -
ten öffnet ein elektronischer Schlüssel den 
Zugang zum Tunnel. Man sieht: eine hell-
graue Betonröhre von etwas mehr als fünf 
Meter Durchmesser. Von der Decke fällt 
weißes Licht, links ein Versorgungsweg, 
rechts ein Konglomerat aus parallel lau-
fenden Rohren und Leitungen, sie schei -
nen auf einen Punkt in der Ferne zuzu -
streben.Es sind Wasserleitungen für den 
Brandfall, Absaugrohre, Kabelführungen. 
Davor eine mächtige Röhre in Dottergelb.
„Die Beschleunigerstrecke“, sagt Hans 
Weise. Wobei der Begriff eigentlich irre-
führend ist. Denn auf Höchstgeschwin -
digkeit – auf fast Lichtgeschwindigkeit – 
DIE STÄRKSTEN
BLITZE DER WELT
Kurz vor der Hamburger 
Stadtgrenze werden die 
Elektronenpakete auf weitere 
Tunnel verteilt (6). In diesen 
befinden sich die Undulatoren, 
starke Magnetsysteme, welche 
die Elektronen auf einen 
Slalomkurs zwingen. Bei jedem 
Richtungswechsel geben sie 
einen Teil ihrer Energie als 
Röntgenblitze wieder ab. Diese 
werden vom Elektronenstrahl 
getrennt und durch ein eigenes 
System aus Edelstahlrohren 
in den sogenannten Photonen -
tunneln bis in die unterirdi- 
sche Experimentierhalle (7) in 
Schenefeld geleitet. Die 
Röntgenblitze sind extrem 
scharf und energiereich: Auf 
den Quadratzentimeter berech -
net, ist die im European XFEL 
erzeugte Röntgenstrahlung 
bis zu zehn Trilliarden Mal 
intensiver als das Sonnenlicht.
6
6
6 7
GEO 08 2017136
Harald Sinn, für die 
Planung der Photonenstrecke 
verantwortlich, kontrolliert eine 
Spiegelkammer. Das extrem 
starke Röntgenlicht lässt sich nur 
über hochpräzise geschliffene 
Oberflächen zu den verschiedenen 
Experimenten lenken
Wo das Licht endet: In der 
Schenefelder Experimentierhalle 
montieren Techniker unter 
Reinraumbedingungen ein 
Forschungsinstrument
GEO 08 2017 137
Hoher Druck, harte Strahlung, 
maximale Geschwindigkeit: Sechs 
Instrumente am European XFEL 
helfen, ins Innere der Dinge zu 
blicken – und zu verstehen, wie 
Materie sich verhält 
SPB/SFX (Abk. für „Einzelne 
Partikel, Cluster, Biomoleküle/Serielle 
Femto sekunden-Kristallografie“).
Hochintensive Röntgenlaserblitze 
zwischen 5 und 300 Femtosekunden* 
Dauer ermöglichen 3-D-Bilder. Dazu 
werden identische Proben von 
Biomolekülen, Viren oder Kristallen 
in den Strahlengang geleitet und 
nacheinander beleuchtet. 
FXE (Abk. für „Femtosekunden- 
Röntgenexperiment“). Harte 
Röntgen strahlung (hohe Energie, 
kleine Wellen länge) zeichnet 
„Molekülfilme“ auf, die chemische 
Reaktionen abbilden. 
SCS (Abk. für „Spektroskopie und 
kohärente Streuung“). Mithilfe von 
weichem Röntgenlaserlicht (ge -
ringere Energie, große Wellenlänge) 
lassen sich Zellstrukturen, chemische 
Tiefe Einsichten
DIE INSTRUMENTE
beschleunigt werden die Elektronen nur 
auf den ersten Metern, danach können sie 
nicht mehr schneller werden. Auf den fol
genden zwei Kilometern gewinnen sie nur 
noch an Energie, nicht mehr an Tempo.
Vor der Röhre stehend erklärt Hans 
Weise, was nicht zu sehen ist: In den gelben 
Hüllen befinden sich speziell geformte 
Röhren aus dem Metall Niob, die soge
turen wird Niob supraleitend, hat also fast 
für muss es allerdings auf minus 271 Grad 
Celsius gekühlt werden – sogar im Weltall 
ist es meist noch um einige Grad wärmer. 
Die Beschleunigermodule sind dabei 
geradezu sinnbildlich für die Schwierigkeit, 
ein Großprojekt wie den European XFEL 
zu planen. 
„Die Niob Elemente kommen aus 
Deutschland und Italien“, erzählt Hans 
Weise. „Die Verbindungsstücke aus Titan 
kommen aus Russland, ebenso die Vaku
umtechnik.“ 
Die Kryostate wiederum, die für kon
stant tiefe Temperaturen sorgen, wurden 
in China und Italien gebaut. Die Magnet
gruppen sind spanischer Herkunft, sie 
wurden in Hamburg von einem deutsch
polnischen Team kontrolliert. Zusammen
gesetzt wurde alles in der Nähe von Paris. 
AM A N D E R E N E N D E des 3,4 Kilometer Tunnels, etwa 13 Meter unter
halb einer Wiese in Schenefeld, blickt 
Harald Sinn stirnrunzelnd in ein grau 
verkleidetes, tonnenförmiges Gehäuse aus 
Edelstahl. „Spiegelkammer Nummer zwei“, 
sagt er. „Gerade unser größtes Sorgenkind.“ 
Zum Schutz gegen Staub versteckt es sich 
hinter einem dicken Vorhang aus Plastik
streifen. Will man näher herantreten, ist 
Schutzkleidung Vorschrift.
Der 50 jährige Physiker leitet beim 
European XFEL die Gruppe „Röntgen
optik und Strahlentransport“. Sinn ist 
dafür zuständig, dass die in den Undula
toren erzeugten Laserblitze auch in den 
Probenkammern ankommen.
Am 12. Mai, einem Freitag, waren 
erstmals die Sperren zur Photonensektion 
im letzten Tunnelkilometer geöffnet wor
den. Erst in der Woche zuvor hatte diese 
unterirdische Licht Maschine die ersten 
Laserblitze aus Röntgenlicht erzeugt. 
Sinn steht zwischen zwei glänzenden 
Edelstahlrohren, jedes von ihnen versorgt 
je zwei Instrumente. Diese Strecke müsse 
hochgenau sein, erläutert er, absolut gerade. 
Denn Licht lasse sich nicht wie der Elek
tronenstrahl mit Magneten aus der Bahn 
werfen. Die Laserblitze aus Röntgenlicht 
sind sehr konzentriert, sehr hart, und jede 
noch so geringe Biegung, jede nicht aus
geglichene Bodenunebenheit hätte fatale 
Folgen. 
„Sogar die Erdkrümmung musste bei 
der Tunnelplanung herausgerechnet wer
den“, sagt Harald Sinn. 
Um den Röntgenstrahl zu den Expe
rimenten zu lenken, sind Spiegel die ein
zige Möglichkeit. Also ließ Harald Sinn 
Spiegel fertigen, wie es sie zuvor noch 
nicht gegeben hat. Jeder Einzelne herge
stellt aus einem fast einen Meter langen 
und gut fünf Zentimeter breiten Kristall, 
gezogen aus hochreinem Silizium. 
Japanische Experten polierten diese 
Kristalle ein halbes Jahr lang mit einer 
Spezialflüssigkeit, bis die größte Uneben
heit noch maximal einen Nanometer be
trug – umgerechnet so viel wie ein Haar 
auf einem 40 Kilometer langen Autobahn
abschnitt.
Jeder dieser Hightech Spiegel kostet 
mehr als 200 000 Euro, zehn bestellte 
Sinn für das ganze System. Sie sind die 
genauesten der Welt. Keine Verzerrung, 
keine Streuung. Absolut perfekt.
Und dann dieser Pfusch in Spiegel
kammer zwei! Um den Röntgenlaserstrahl 
passgenau lenken zu können, muss der 
Spiegel in der Horizontalen beweglich 
sein, vier Zentimeter in Richtung Kammer 
wand. „Da sind aber nur zwei Zentimeter 
Platz“, sagt Sinn. Ein Konstruktionsfehler. 
Die britische Firma, die die Halterungen 
für den Spiegel hergestellt hat, vergaß in 
ihren Berechnungen das Kühlelement da
hinter.
Wenn im September die ersten Expe
rimente beginnen, werden anfangs zwei 
Zentimeter Spielraum noch ausreichen, 
sagt Harald Sinn. „Aber dann müssen wir 
umbauen.“
S C H E N E F E L D , auf dem Campus des European XFEL. Hochbetrieb in den 
Besprechungsräumen, Whiteboards mit 
Skizzen. Viele junge Menschen hinter den 
GEO 08 2017138
Reaktionen in Flüssigkeiten 
und ultraschnelle magnetische 
Prozesse untersuchen. 
SQS
systeme“). Weiche Röntgenstrahlung 
wird dazu eingesetzt, Vorgänge 
teme zu erforschen: in Atomen, 
Ionen, Molekülen.
MID (Abk. für „Abbildung und 
Dynamiken von Stoffen“). Der Rönt 
genlaser untersucht, wie sich Atome 
und Moleküle in festen oder flüs 
sigen Stoffen bewegen, wobei sie 
etwa durch einen herkömmlichen 
Laser erhitzt werden. Dient den 
Material und Nanowissenschaften.
HED (Abk. für „Hohe Energiedich
ten“). Der im HED erreichbare Druck 
entspricht etwa dem Millionenfachen 
der Erdatmosphäre. Damit lassen 
sich sogar Materiezustände im 
Inneren von Exoplaneten simulieren.
* In 100 Femtosekunden legt das Licht eine 
Strecke von ca. 0,03 Millimetern zurück.
Glastüren, Verkehrssprache ist Englisch. 
Es herrscht Aufbruchstimmung.
Britta Weinhausen und Nadja Rei -
mers bereiten ihr Projekt vor. Weinhausen, 
31, ist Physikerin. Sie forscht an kleinsten 
biologischen Strukturen, Zellen, Viren, 
Proteinen. Nadja Reimers, 46, ist Maschi-
nenbauingenieurin. Sie baut, unter ande-
rem, das SPB, das Instrument, mit dem 
Britta Weinhausen arbeiten will. 
Das SPB besteht im Wesentlichen 
aus vier Bauteilen: einer Spiegelkammer, 
in der die Röntgenblitze gelenkt und auf 
die Probe fokussiert werden; der Proben-
kammer fürdie Experimente; dem Detek -
tor, in dem die Daten aufgezeichnet wer-
den. Und dem sogenannten Beam Stop 
aus Borcarbid, einem extrem harten Kera-
mikmaterial. Darin verendet der Strahl. 
Den Raum für das SPB-Instrument, 
die sogenannte Schutzhütte, hat Nadja Rei- 
mers konstruiert. Jedes der sechs Instru-
mente in der unterirdischen Experimen -
tierhalle auf dem Schenefelder Campus 
hat seine eigene Hütte: 120 Quadratmeter 
Grundfläche, die Wände aus bis zu 19 Mil-
limeter starken Bleiplatten mit Stahlüber -
zug. Nadja Reimers spricht laut gegen das 
dumpfe Grollen der Lüftungsanlage an, 
wenn sie von dem Projekt erzählt. 
Vieles von dem, was sie hier eingebaut 
hat, hat es so zuvor noch nicht gegeben. 
Die Detektoren zum Beispiel. Nach je-
dem Röntgenblitz müssen sie gewaltige 
Datenmengen speichern. Denn das Bild, 
etwa das eines Biomoleküls, entsteht nicht 
wie ein Röntgenbild beim Arzt, wo die 
Strahlung ins Gewebe eindringt und den 
schwer durchdringlichen Knochen sicht-
bar macht.
Beim Röntgenpuls aus einem Freie- 
Elektronen-Laser wird ein Teil des Lichts 
noch bevor dieses von dem anderen Teil 
des Strahls zerstört wird. So entsteht auf 
dem Sensor dahinter ein Streuungsmuster, 
eine Art Punktwolke. Aus diesen Mustern 
errechnen die Forscher das Abbild des 
Moleküls. 
Jeder einzelne der sechs Detektoren 
wird auf dieses Weise im Jahr bis zu zehn 
Millionen Gigabyte Daten liefern, so viel 
wie auf rund zwei Millionen DVDs.
Auch die kleinste Welt geht erst durch 
den Computer, bevor wir sie sehen können. 
Aber wenn der European XFEL hält, was 
die bisherigen Tests versprechen, dann 
zeigt er der Wissenschaft, was sie noch nie 
zuvor gesehen hat: Live-Reportagen aus 
dem Nano-Kosmos.
JÜRGEN BISCHOFF kam zur Recherche 
gelegentlich in Wanderschuhen: Die 
Termine im Tunnel waren Kilometerarbeit.
HEINER MÜLLER-ELSNER begleitet 
den Bau des European XFEL seit nun- 
mehr sechs Jahren. Mehr über die Arbeit 
an diesem Projekt auf Seite 6.
Oben nur ein unscheinbares 
Bürogebäude, unter der Erde 
eine zweite Elbphilharmonie: 
15 Meter unter dem Campus des 
European XFEL enden die 
fähigsten Röntgenlasers der Welt 
139
B E R L I N , M U S E U M F Ü R N A T U R K U N D E
Den Aras wird’s zu bunt
 Auch ihre hohe Intelligenz hilft 
den farbenfrohen Papageien wenig, 
wappnet zu sein. Immer mehr ihres 
Lebensraums geht durch Waldrodung 
und den Ausbau von Ackerbau und 
Viehzucht verloren. Die Sonderaus
stellung „Ara“ in Berlin informiert über 
Probleme und Schutzmaßnahmen. 
www.naturkundemuseum.berlin
GEO 08 2017140
GEO Erleben
August 2017
Mehr wissen und erleben
Mit der GEOcard gibt es ermäßigten Eintritt in Museen, 
Planetarien, Science-Center, Zoos und weitere Erlebnisorte: 
Nutzen Sie Ihr Privileg als GEO-Abonnent und sparen Sie bis 
zur Hälfte des Ticketpreises. Oder genießen Sie Kaufvorteile. 
Hier stellen wir eine Auswahl unserer Partner vor. Mehr unter: 
www.geo-card.de
Wichtiger Hinweis: Mit der GEOcard, die Ihnen als Abonnent von GEO jedes Quartal zugeht, erhalten Sie bei unseren Partnern eine Eintrittsermäßigung von 
bis zu 50 Prozent auf den Normaltarif. Für bereits Ermäßigungsberechtigte, etwa Studenten, wird kein weiterer Nachlass gewährt. Die Ermäßigung gilt für das 
Normalangebot unserer Partner, nicht aber automatisch auch für alle Sonderausstellungen und Veranstaltungen.
B R E M E R H A V E N , K L I M A H A U S
Zum Mitbibbern
 Minus sechs Grad: Selbst 
die mittlere Sommertemperatur 
ist originalgetreu – wie der 
Nachbau der Neumayer- Station 
in der Antarktis. 
www.klimahaus-bremerhaven.de
D A R M S T A D T , H E S S I S C H E S L A N D E S M U S E U M
Von Göttern und Planeten
 Bevor das Fernrohr erfunden wurde, blieb 
genug Spielraum für Fantasie am Himmelszelt. 
Sodass alte Sternkarten mit allerlei mythologi-
schem Dekor geschmückt waren. Das Hessische 
Landesmuseum zeigt bis zum 3. September die 
Entwicklung von der alten zur neuzeitlichen 
 Gestaltung der Himmelskarten. www.hlmd.de
S C H L O S S S I G M U N D S K R O N , M M M F I R M I A N
Von Menschen und Bergen
 Das Messner Mountain Museum, verteilt 
auf sechs Standorte in Südtirol und Belluno, 
hat sein „Herzstück“, MMM Firmian, auf 
Schloss Sigmundskron bei Bozen. Thematisiert 
wird dort die Auseinandersetzung Mensch–Berg. 
Die Wege zwischen Kunstinstallationen, die 
Treppen und Türme führen die Besucher aus der 
Tiefe der Gebirge, wo der Mensch die Schätze 
der Berge ausbeutet, bis zum Gipfel als religiö-
sem Sinnbild der Brücke zum Jenseits. Darüber 
hinaus informiert die Ausstellung ausführlich 
über die Geschichte des Bergsteigens und den 
alpinen Tourismus unserer Tage. 
www.messner-mountain-museum.itK Ö L N , R A U T E N S T R A U C H - J O E S T - M U S E U M
Inszenierter Abschied: der weiße Tod
 Ganz in Weiß ist die Ausstellungsabteilung „Tod und Jenseits“ 
des Kölner Völkerkundemuseums gehalten. Denn in vielen Kulturen wird 
der Tod nicht mit Schwarz, sondern mit der Farbe Weiß assoziiert. Am 
Beispiel des mexikanischen Altars können Besucher aber auch sehen, wie 
farbenfroh Totengedenken aussehen kann. www.museenkoeln.de
GEO 08 2017 141
Eine Auswahl unserer Partner
Berlin: Museum für Naturkunde Bozen/Bruneck/Kastelbell/
Monte Rite/Sulden/Corones (IT): Messner Mountain Museum 
Busdorf: Wikinger Museum Haithabu Darmstadt: Hessisches 
Landesmuseum Dresden: Senckenberg Naturhistorische Samm -
lungen (Museum für Völkerkunde Dresden und Japanisches Palais) 
Frankfurt/Main: Palmengarten Glauburg: Keltenwelt am Glau-
berg Hamburg: Auswanderermuseum BallinStadt Karlsruhe: 
Staatliches Museum für Naturkunde Kassel: Museum für Sepul-
kralkultur Leipzig: Panometer Luhmühlen: A Summer’s Tale 
Mannheim: Luisenpark Meran (IT): Gärten von Schloss Trautt-
mansdorff Mistelbach (A): MAMUZ Museum Münster: All-
wetterzoo Münster Oberhausen: Gasometer Stralsund: Ozea-
neum Winterthur (CH): Swiss Science Center Technorama 
Wolfsburg: Phæno Vortragsreihe: International Ocean Film Tour
G E O D I G I T A L
Unsere Renner im Netz
Der jüngste Hype: Fidget Spinner 
Angeblich steigert das derzeit so 
tration – doch ist da wirklich was 
dran? www.geo.de/fidgets
Grüne Großstadtoasen
Wenn nachhaltige Ideen auf 
urbanen Raum treffen, entstehen 
mitunter tolle Projekte daraus. 
Wir stellen neun weltweit vor: 
www.geo.de/urbangreen
Mit Lesemodus: GEO Digital 
Die neue digitale Ausgabe von 
GEO ist jetzt für alle Smartphones 
und Tablets erhältlich
GEO-Abonnenten zahlen für die digitale 
Ausgabe nur 1 € pro Ausgabe – mehr unter 
www.geo.de/eupgrade
Die schönsten Radfernwege 
in Deutschland
Zehn attraktive Strecken kreuz 
und quer durch die Republik: 
www.geo.de/radwege
G E O R E I S E W E L T E N
Einmal im Leben 
den Taj Mahal sehen
 Wenn es nur zehn Sehenswürdig-
keiten auf der Welt gäbe, die ein Reisen-
der unbedingt gesehen haben sollte: 
Der Taj Mahal in Agra im indischen 
Bundesstaat Uttar Pradesh gehörte in je -
dem Fall auf diese Liste. Seit Kurzem 
zählt der Taj Mahal auch zu den exklusi-
ven Zielen der neuen GEO-Reisewelten. 
Die GEO-Reisewelten ermöglichen 
es GEO-Leserinnen und -Lesern, ferne 
Länder in der Tradition der klassischen 
Erkundungsreisen zu erleben. Sie sind für 
Menschen gedacht, die Wert auf ein 
hochklassiges Programm, kleine Gruppen 
und individuelle Erlebnisse legen. 
Das Programm der GEO-Reise -
welten gliedert sich in die Kategorien 
 Aktivurlaub, Genussreisen, Schiffs- 
reisen, Rundreisen und Wellness. Zu 
den beliebtesten Zielen zählt derzeit 
die zehntägige Indien-Rundreise. 
Die Route führt von Delhi aus 
 zunächst in die Marktstadt Mandawa, 
die bekannt ist für prachtvolle Handels-
paläste, die Havelis. Zu den nächsten 
Stationen zählenJaipur – die Hauptstadt 
der Provinz Rajasthan –, der Rantham -
bore-Nationalpark und schließlich Agra, 
die Stadt, in der der Taj Mahal steht.
Die Unesco-Weltkulturerbestätte 
zieht jedes Jahr rund drei Millionen 
 Besucher an. Diese Popularität gründet 
 sicher auch in der tra gischen Geschichte 
des Taj Mahal: Der Mogulkaiser Shah 
Jahan gab das Bauwerk 1631 im Anden-
ken an seine verstorbene Liebe Mumtaz 
Mahal in Auftrag. Errichtet wurde der 
Taj Mahal auf einer 96 mal 96 Meter 
großen Plattform mit eindrucksvollen, 
40 Meter hohen Minaretten. 
Zu den herausragenden Programm -
punkten der großen GEO-Indien-Rund -
reise zählt neben einem Abendessen 
mit einer indischen Familie auch ein Ritt 
auf einem Ele fanten und der berührende 
Besuch der von Mutter Teresa gegründe-
ten Missionsstation. 
Mehr unter reisewelten.geo.de
GEO 08 2017
Die Welt von GEO
Neues aus den Redaktionen
142
G E O L I N O Z E I T R E I S E
Von Korsaren und 
Kaperfahrern
 Seit auf Meeren Handel getrieben 
sondere Art von Banditen ihr Unwe
sen: Piraten! In der dritten Ausgabe 
von GEOlino ZEITREISE, dem Ge
schichtsheft für junge Leser ab neun 
Jahren, dreht sich alles um Korsaren, 
Freibeuter und Bukanier. 
Was unterscheidet einen Kaper
fahrer von einem Piraten? Wer brachte 
den berüchtigten Kapitän Blackbeard 
zur Strecke? Das und mehr erfahren 
die jungen Leser in insgesamt vier 
Kapiteln, anschaulich erklärt anhand 
von Comics, Karten und spannenden 
Lesestücken. Wie ein Schiffsjunge An
fang des 18. Jahrhunderts den Alltag 
auf einem Piratensegler erlebte, hat der 
 
lino ZEITREISE ins Bild gesetzt. 
Aber auch um die Seeräuber unse
rer Tage geht es im Heft: Ein Bildessay 
zeigt, wie im Rahmen der „Operation 
Atalanta“ EU Streitkräfte gegen Pira
ten am Horn von Afrika vorgehen.
W A L D E N
Die eigenen vier Wände 
im Sommerwald
 Was lässt sich in diesem Sommer 
draußen unternehmen? 
WALDEN, das Outdoor Magazin 
von GEO, hält in seiner neuen Ausgabe 
zahlreiche Ideen parat – von kleinen 
Fluchten mit dem Bike zum Baumhaus 
über Hüttenwanderungen in den Alpen 
bis hin zu köstlichen neuen Rezepten 
für die Lagerfeuer Küche. 
Den Schwerpunkt der Ausgabe 
bildet das große Hütten Dossier. Denn 
träumt nicht jeder von den eigenen 
vier (Holz )Wänden? WALDEN zeigt 
nicht nur imponierende Beispiele 
selbst gezimmerter Hütten, sondern 
auch, wie einfach sich der Traum ver
wirklichen lässt. Das Dossier umfasst 
von der Bauanleitung für ein einfaches 
Wald Tipi bis zur Hütten Typologie 
alles, was es für den Start einer Karriere 
als Outdoor Bauherr braucht. 
Und wer partout kein Selbstbauer 
ist, wandert einfach in den Alpen und 
hütte – ein aufwendiges Ausklapp
Pan orama liefert die Inspirationen 
dazu im Breitwandformat. 
GEOlino ZEIT- 
REISE
Schrecken der 
Meere«, 84 Sei- 
ten, 5,95 Euro. 
Weitere Themen: 
Klaus Störte -
beker und die 
Vitalienbrüder • 
Die Kunst des 
Enterns • 
Schatzinseln
WALDEN 
»Komm, lass 
gehen!«, 
8-seitige Pan- 
orama-Zeich -
Weitere 
Themen: Wild 
Swimming • 
Biking • Henry D. 
Thoreau
Sonntag 23. 7.
Skyrunning: Brice ist Kuhhirte in 
den Pyrenäen und verbringt den 
Sommer mit seinen Tieren auf 
3000 Meter Höhe. Hier hat er die 
Freiheit des extremen Laufens in 
den Bergen für sich entdeckt. 
Sonntag 30. 7.
Seit dem Tod des weltberühmten 
Yogameisters B. K. S. Iyengar leiten 
seine Kinder das Institut im 
indischen Pune. Statt Wellness 
wird hier mit Yoga hart trainiert, 
therapiert und sogar geheilt.
Sonntag 6. 8.
Im Südosten Kubas wird noch 
Música molida, „gemahlene Musik“, 
gespielt. Drehorgelspieler mit 
Begleitband mischen Dorffeste auf. 
Mehr Infos zur 360° – GEO-Reportage unter 
www.geo.de/tv oder www.arte.tv
360° – GEO-Reportage
Im August zeigt ARTE die 
Filme der GEO-Reihe wieder um 
19.30 Uhr. Diese und auch alle 
wiederholten Filme sind jetzt 
ab dem Sendetag einen Monat 
lang in der ARTE-Mediathek zu 
sehen: www.arte.tv
 Sonntag 13. 8.
In bis zu 260 Nächten im Jahr 
erleuchten am Maracaibo-See in 
ein einzigartiges Naturschauspiel.
GEO 08 2017 143
 Lampedusa: Heimat des kleinen 
Samuele, der Fischer werden will wie 
sein Vater. Und das Ziel Zehntausender 
Flüchtlinge, die von Libyen aus in See 
stechen. Eine Insel, zwei Welten, und 
dazwischen der Arzt Pietro Bartolo. 
Genauso engagiert, wie er Samueles 
Brust abhört, weil dem Jungen beim 
Her umstromern manchmal die Luft aus -
geht, reanimiert er einen dehydrierten 
Afrikaner oder versichert einer Schwan-
geren, dass ihre Zwillinge trotz der 
Flucht gesund sind. Doch immer wieder 
muss er auch Leichen obduzieren. „Das 
erzeugt so eine Wut“, sagt er. „Eine 
 Leere im Bauch. Ein richtiges Loch.“ 
Regisseur Gianfranco Rosi porträ-
tiert den Alltag der Insulaner in klaren, 
ruhigen Einstellungen; die Such- und 
Bergungsaktionen der italienischen 
 Marine, die Tränen der Flüchtlinge setzt 
er in harten Schnitten dagegen. 
Eine Parallelwelt, die im Leben von 
Samuele keine Rolle zu spielen scheint. 
Bis der Arzt bei ihm ein „träges Auge“ 
diagnostiziert: Es habe sich daran 
 gewöhnt, nicht zu sehen, für Rosi eine 
Metapher für das Weggucken. 
In „Seefeuer“ ist das nicht länger 
möglich. Der bewegende Film erhielt 
den Goldenen Bären, den Europäischen 
Filmpreis und eine Oscar-Nominierung.
F L Ü C H T L I N G S I N S E L
Porträt zweier 
Welten
In »Seefeuer« dokumentiert Gian -
franco Rosi den Alltag der italieni -
schen Insel Lampedusa, auf der 
täglich Bootsflüchtlinge stranden. 
GEO-Television zeigt den Berlinale- 
GEO Television, der Sender von GEO, ist über die Deutsche Telekom (Entertain), Vodafone 
(Giga TV) und Amazon (Prime) zu empfangen. Mehr Infos unter: www.geo-television.de
Regisseur Gianfranco Rosi hat ein Jahr lang auf Lampedusa gelebt und gedreht
 8. AUGUST, 20.15 UHR:
Tier an Tier – Das Schwarmprinzip 
Gemeinsam sind sie stark: Wilde 
Wellensittiche und andere Schwarmtiere 
nutzen die Weisheit der Masse
 15. AUGUST, 20.15 UHR:
Flower Power – Die grüne Weltmacht 
Mit welchen Strategien wachsen 
und gedeihen Pflanzen? Zeitrafferauf -
nahmen enthüllen ihre Raffinessen
 ab 2. AUGUST, 20.15 UHR:
Genies der Antike 
Wie prägen Buddha, Konfuzius 
und Sokrates heutiges Denken? Eine 
Spurensuche in drei Teilen
Genial: Meisterleistungen 
von Menschen, Tieren und 
Pflanzen
TV-HIGHLIGHTS IM AUGUST
GEO 08 2017144
GEO Television
Unser Sender für Dokumentarfilme
Unsere Städte blühen auf! Sie sind Archen der Artenvielfalt. Der GEO-Tag der Natur 2017 feiert das metropolitane Grün
September 2017
GEO 09 / 2017 
erscheint 
am 18. August
Spektakuläre Kunstwerke der Natur: 
Edward Burtynsky
landschaften im Großbild eingefangen
Im Kongo wird Bargeld bis in entlegene 
Dörfer im Busch gebracht. Ein GEO Team hat 
den abenteuerlichen Transport begleitet 
Wir sprechen in Bildern: Erweitern Emojis 
unseren Sprachhorizont – oder sorgen 
die modernen Hieroglyphen für 
eine Verarmung in der Kommunikation?
Die Krankheit ist besiegt, aber das 
Stigma lebt fort: In Japan leben 
bis heute Menschen in Leprakolonien. 
GEO Reporter haben sie besucht.
GEO 08 2017
Vorschau
145
Außerdem im Heft
Iran sein Altpapier kilometerweit zur Pa-
piermühle gebracht. Man hat ihn für einen 
Spinner gehalten, aber er hat das mit er-
hobenem Kopf gemacht – weil er es für 
richtig hielt. Und dann ist da mein Bruder. 
Er ist fünf Jahre älter als ich, und weil ich 
immer alles mit ihm zusammen gemacht 
habe, war ich ein extremer Frühstarter. Du 
kannst die coolen Sachen ausprobieren, 
die ein Neunjähriger macht, aber man ver-
zeiht dir alles, weil du ja erst fünf bist.
Was sollen Ihre Kinder so machen 
wie Sie selbst?
Sie sollen genauso vieleFehler machen. 
Und mit Fragen durchs Leben gehen.
Wovon haben Sie sich befreit?
Vom Druck. Ich war während der ersten 
drei Monate der Reise noch in dieser ziel-
strebigen deutschen Denkstruktur: Ich 
muss jeden Tag 25 Kilometer machen! 
Dann habe ich kapiert: Es ist in Ordnung, 
wenn ich mal nur 15 Kilometer gehe und 
dann 40. Man muss Ziele haben. Aber 
man muss auch sehen, welche Möglich-
keiten einem der Tag anbietet.
Wie viel Zeit am Tag gehört Ihnen?
Das ist sehr verschieden. Wenn ich zu 
Gast bin, habe ich weniger Zeit für mich. 
Es wäre unhöflich, sich zurückzuziehen. 
Manchmal treffe ich unterwegs keinen 
einzigen Menschen, dann gehören mir 24 
Stunden. Luxus, den ich jedem gönne.
Was fehlt Ihnen zum Glück?
Im Moment nichts. Klar mache ich mir 
Gedanken, wie mein Leben in Aachen 
weitergeht. Aber ich habe gelernt: bloß 
keine Pläne schmieden! Ich weiß aber, 
dass ich nie wieder im Leben etwas ma-
chen möchte, das mich länger als zehn 
Minuten am Tag ärgert. 
Was bezeichnen Sie als Heimat? 
Heimat ist, wo ich gerade bin. Aber auch 
Aachen. Und Iran. Ich bin hundertprozen -
tig Europäer! Außerdem bin ich Rhein -
länder, aber kein Deutscher – außer wenn 
Fußball läuft. Das ist ganz merkwürdig. 
Auf welchen Aspekt von Heimat 
können Sie nicht verzichten? 
Das ist leicht: Aachener Sauerbraten. 
Haben Sie schon mal daran gedacht, 
auszuwandern? 
Ich bin ja schon ausgewandert. Bei solch 
einer Reise merkt man, dass man häufiger 
den Ort wechseln sollte. Man bleibt im 
Kopf flexibel. 
Was haben Sie zuletzt geschenkt be-
kommen?
Abgesehen vom Frühstück heute und dem 
Abendessen gestern, zu dem mich hier in 
Georgien ein aserbaidschanischer Laden-
besitzer eingeladen hatte – jede Menge 
Lächeln. Und Gespräche mit Leuten, die 
ich unterwegs treffe.
Gibt es ein Tier, das Ihnen etwas 
bedeutet?
Definitiv die Schnecke. Die ist langsam 
und weise. Ich bin ja auch extrem langsam, 
und mein Rhönrad, in dem ich mit Hän -
gematte und Tarp übernachte, ist mein 
Schneckenhaus. Solch eine Parallele baut 
natürlich Zuneigung auf. Oft kommen die 
Schnecken nachts zum Rad und bleiben 
darauf sitzen, wenn ich weiterrolle.
Was war das größte Glück Ihrer 
Kindheit?
Drei Sachen: Mit zwei Jahren wäre ich fast 
ertrunken, war sogar klinisch tot, aber 
meine Mutter hat mich gerettet, und ich 
habe weiterleben dürfen. Zweitens: mein 
Großvater. Er hat mir beigebracht, alles zu 
hinterfragen, und auch die Liebe zu Kunst 
und Natur. Schon vor 30 Jahren hat er im 
Unseren Fragebogen beantwortet Shahin Tivay Sadatolhosseini, 46. 
Er wandert von Deutschland in den Iran – mehr als 5000 Kilometer. Dabei rollt 
er ein Rhönrad vor sich her. Der Künstler hat 30 Jahre lang in Aachen gelebt
 Protokoll: Christoph Borgans
Sadatolhosseinis Route auf: www.rolleast.de
»Mein Tier ist die 
Schnecke. Sie 
ist langsam, wie ich. 
Und sie ist weise«
Teheran 
(Iran)
GEO 08 2017146
Weltbürger
Einer von 7,517 Milliarden
neue möglichkeiten kurz skizziert:
Erhältlich bei:
Schriftgrösse
3 Textgrößen zur 
Auswahl einstellbar
Volltextsuche 
über alle Ausgaben 
und Artikel
Tag- / Nacht- 
lesemodus
rund um die Uhr 
angenehm für die Augen
Textlesemodus 
für ein augenfreund- 
liches Lesevergnügen
Deutschlands 
grösstes Reportagemagazin
eUpgrade 
 die optimale Ergänzung 
exklusiv zu Ihrem GEO-Abo
Flexabo
 die reine Digitalausgabe 
von GEO (monatlich kündbar)
nur 4,99€/Monat 
*gegenüber digitalem Einzelverkauf
Dies ist ein Angebot der Gruner + Jahr GmbH & Co KG, Am Baumwall 11, 20459 Hamburg. Belieferung, Betreuung und Inkasso erfolgen durch DPV Deutscher 
Pressevertrieb GmbH, Nils Oberschelp (Vorsitz), Christina Dohmann, Dr. Michael Rathje, Am Sandtorkai 74, 20457 Hamburg, als leistenden Unternehmer.
nur 1€/Monat 
83%
Ersparnis*
16%
Ersparnis*
GEO jetzt digital 
entdecken! 
Telefonisch 
+49 (0) 40 / 55 55 89 90
Oder online unter
www.geo.de/digital
Bitte bereithalten:
eUpgrade / Bestellnr.: 160 6915
Flexabo / Bestellnr.: 160 6916
GEO Digital – jetzt auch unterwegs genießen!
Für Tablet, Smartphone und Desktop-PC.
Gratis-
Ausgabe
inklusive 
1
HAT GROSSES MIT IHNEN VOR.
Was auch immer Sie planen: Der großzügige und geräumige 
MINI Clubman bietet Platz für alles, was Sie sich vornehmen. 
Genießen Sie jede Heraus forderung, jeden Tag und jede Kurve. 
Jetzt zu attraktiven Konditionen bei Ihrem MINI Partner 
oder auf mini.de/clubman.
Kraftstoffverbrauch (je nach Modell) innerorts: 6,5–6,3 [6,3–6,1] l/100 km, außerorts: 4,6–4,4 [4,7–4,6] l/100 km, kombiniert: 
5,3–5,1 [5,3–5,1] l/100 km; CO2-Emissionen (je nach Modell), kombiniert: 124–119 [124–119] g/km. Werte in [ ] gelten für Fahr-
zeuge mit Automatikgetriebe. Fahrzeugdarstellung zeigt Sonderausstattung. 
DER MINI CLUBMAN.

Mais conteúdos dessa disciplina