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Die Welt mit anderen Augen sehen G G Die Welt mit anderen Augen sehen G GAUSGABE 08 2017 SCHARFER BLICK Das unterirdische Riesenmikroskop Lob der Unver nu nft Die Wissens chaf t von unsere n Schwächen. Und warum sie eigentlich unsere Stärken sind Dieser Glanz erfreut sogar die Umwelt. Gewohnt streifenfreier Glanz – und gut zur Umwelt. Denn die 99,9 % natürlichen Inhaltsstoffe tragen zur Schonung von Ressourcen und Gewässern bei. Jetzt informieren auf www.sidolin-pronature.de Dieser Glanz erfreut sogar die Umwelt. NEU Besuchen Sie uns auf facebook.com/geomagazin oder schreiben Sie uns: briefe@geo.de Herzlich Ihr Christoph Kucklick Liebe Leserin, lieber Leser, Ollie, ein Staffordshire-Terrier aus Australien, ist seit wenigen Wochen der berühmteste Hund der Wissen - schaft. Das bernsteinfarbene, sanftäugige Tier ist Redaktionsmitglied von gleich sieben wissenschaftli- chen Zeitschriften geworden. In dieser Position hat Ollie die Aufgabe, Studien zu bewerten und zu prüfen, ob sie einer Veröffentlichung würdig sind. Zu dieser Ehre hat Ollies Besitzer, ein Medizin - professor aus Perth, seinem Hund verholfen. Er hatte Ollie mit einem gefälschten, aber höchst durchsich- tigen Lebenslauf ausgestattet: Dr. Olivia Doll interes- siere sich besonders für die „Vorteile des Bauchkrau- lens bei mittelgroßen Caninen“ und die „Auswirkung von Skateboards auf das Bewegungsverhalten von Hunden“. Das Bild auf der Bewerbung zeigte die Pop- Sängerin Kylie Minogue. Die Zeitschriften akzeptier - ten Ollie alias Dr. Doll ohne Bedenken. Der Professor bezweckte mit der Finte zweierlei. Er wollte zum einen die Einfältigkeit von Forschern im Allgemeinen entlarven und im Besonderen die Schamlosigkeit jener Zeitschriften, die den größten Mist veröffentlichen, wenn die Autoren dafür (viel) Geld bezahlen. Von solchen Magazinen gibt es leider immer mehr. Auch die Wissenschaft ist also nicht vor Däm - lichkeit gefeit – jenem Phänomen, dem wir unsere Titelgeschichte widmen. Eine exakte Definition ist weder möglich noch nötig: Dummheit, Quatsch, Ese - lei, Unvernunft – die Bezirke menschlicher Torheiten überlappen sich. Sie produzieren haarsträubende und oft schmerz - haft komische Geschichten, wie Ute Eberle ab Sei- die Evolution ein derart nachteiliges, nämlich zuwei- len tödliches Verhalten nicht längst ausgerottet hat? Die Antwort ist Teil einer großen Umdeutung des Menschlichen, die wir zunehmend erleben: Statt uns selbst, wie es die Aufklärung vorgegeben hat, als „Homo rationalis“ zu deuten, als Spezies von überlege- ner Gedankenleistung und hoher Rationalität, fassen wir uns zunehmend als irrationale, unberechenbare und höchst emotionale Wesen auf. Und suchen darin eine Neubestimmung dessen, was den Menschen be- sonders macht. Das Hirn wird, so der GEO-Kolumnist und Neurowissenschaftler Henning Beck im zweiten Teil der Titelgeschichte (Seite 65), immer mehr als Feh- aber genau deswegen höchst kreativ ist. Der Geist ist kein kühler Rechner, sondern ein heißer Chaot. Und darin liegt seine Stärke. Ob Ollie einer Studie mit diesem Inhalt seinen Segen geben würde, ist nicht bekannt. Auch größere Mengen Leckerlis konnten sie bislang nicht zu einem Kommentar bewegen. Wenn Forschung vor die Hunde geht: Terrier Ollie macht unter dem Pseudonym Karriere als Experte für medizinische Fachpublikationen. Ein Beweis dafür, dass auch die Wissenschaft nicht gegen Dämlichkeit gefeit ist August 2017 Ti tel fo to: T im D od d, Bi ldb ea rb eit un g: Jo hn G rev e Editorial GEO 08 2017 3 32 DER FRIEDENSSUCHER IN DER WÜSTE Agadez, im Norden des Niger, ist Schnittpunkt für: Tuareg, Flüchtlinge, US-Soldaten, Ent- wicklungshelfer. Der Bürgermeister versucht den Frieden zu wahren. Von Michael Stührenberg und Christopher Pillitz 52 TITELTHEMA: LOB DER TORHEIT Dummheit scheint unausrottbar. Obwohl Unvernunft oft genug böse Folgen hat. Aber übersehen wir vielleicht etwas? Hat törichtes Verhalten womöglich auch gute Seiten? Plus: Warum die Schwächen des Gehirns unsere Stärken sind. Von Ute Eberle und Henning Beck 70 GÄRTNER GEGEN GRABOWSKI Der Maulwurf, ein schaufelhändiger Tunnel- bohrer, ist der natürliche Feind des gepflegten Grüns. Ein Bericht von der Rasenfront. Von Andreas Wenderoth und Solvin Zankl 82 TROTZ UND VORURTEIL Vor 25 Jahren brannte in Rostock-Lichten- hagen ein Asylbewerberheim. Wie gehen die Menschen dort heute mit der Geschichte um? Von Christoph Dorner, Birte Kaufmann und Ina Schoenenburg 116 REICH DER GEISTER Seit Menschengedenken wird Japan von rätselhaften Fabelwesen, Göttern und Dämonen heimgesucht, vorzugsweise zum Wechsel der Jahreszeiten. Fotos von Charles Fréger 52 Wer improvisieren muss, kommt oft auf dumme Ideen. Vor solcher Torheit schützt auch hohe Intelligenz nicht unbedingt. In manch einer Situation verhalten sich gerade die Schlauen besonders närrisch 82 Heute dominieren Senioren in Rostock-Lichtenhagen. Doch 1992, im Jahr der Krawalle, war der Stadtteil voller junger, wütender Menschen 32 Seit Jahrhunderten gilt Agadez, die Stadt mit dem markanten Minarett aus Lehm, als Tor zur Sahara. Jetzt gerät die Hauptstadt der Tuareg in einen strategischen Fokus – hält der Frieden im Sahel? GEO 08 20174 Inhalt August 2017 128 SUPERLATIV IM TIEFPARTERRE In Hamburg geht dieser Tage das modernste und leistungsstärkste Mikroskop der Welt in Betrieb – nach acht Jahren Bauzeit und mehr als 1,2 Milliarden Euro Kosten. Doch der Aufwand für das European XFEL hat sich gelohnt: Erstmals können Forscher damit den Tanz der Atome beobachten. Von Jürgen Bischoff und Heiner Müller-Elsner 12 KOSMOS Unterwegs in einer Sari-Fabrik in Indien, bei Tölpeln vor den Shetlandinseln, auf Java und bei Schlangenbändigern in Italien 21 HORIZONTE In Indien lernen Großmütter, Solaranlagen zu bauen. Auf den Falklandinseln schützen Minen Pinguine, und in Berlin schwimmen Fische unter Tomaten 80 FORUM Empathie? Gefährlich!, warnt Fritz Breithaupt 103 361° Macht Aberglaube unverwundbar? Warum entspannen uns Naturgeräusche? Entsteht Parkinson im Darm? Antworten auf diese und weitere Fragen 144 GEO TELEVISION „Seefeuer“ – eine berührende Dokumentation über das Leben auf Lampedusa 146 WELTBÜRGER Diesmal: Shahin Tivay Sadatolhosseini aus Aachen, unterwegs in den Iran 6 Unterwegs 8 Resonanz, Leserservice 115 Impressum, Fotonachweise 140 GEO Erleben 142 Die Welt von GEO 145 Vorschau »Nie den Mut verlieren, Neues auszuprobieren! Etwas zu machen, ist wichtiger, als es perfekt zu machen« H I R N F O R S C H E R H E N N I N G B E C K , S E I T E 6 5 Klein, niedlich, nervig: Wenn der Maulwurf das Grün umgräbt, treibt er Gärtner zur Verzweiflung 70 Auftritt der Maskierten: Sie kommen, um zu verführen, zu mahnen oder zu strafen. Und sie geben den Japanern Anlass zum Feiern 116 Der Beschleuniger- tunnel im European XFEL: Hier werden Elektronen fast auf Lichtgeschwindig - keit beschleunigt 128 5 Im Herz der Laserkanone Wer komplizierte Forschung in einer Reportage einfangen will, braucht einen langen Atem. Drei Jahre begleitete GEO- Redakteur Jürgen Bischoff (unten links) den Bau des Röntgenlasers European XFEL, Fotograf Heiner Müller-Elsner (rechts) sogar doppelt so lang. Als sie sich mit Harald Sinn, einem der leitenden Physiker, jüngst im 3,4 Kilometer langen Forschungstunnel am Hamburger Stadt - rand trafen, hatte Müller-Elsner dort im Lauf der Recherche bereits etwa 25 000 Fotos geschossen. Über die Jahre war bei dem GEO-Teamauch der Respekt vor den Menschen gewachsen, die diesen Rie- senapparat geplant haben. „Eine Technik zu installieren, die auf einer Länge von 3,4 Kilometern millimetergenau passt: Das“, findet Heiner Müller-Elsner, „ist schon eine ungeheure Leistung.“ Seite 128 Das Auge der Bundeswehr wacht überall Wie zwei GEO-Reporter im Niger in den Fokus der Truppe gerieten Bevor die GEO-Reporter Christopher Pillitz (vorn) und Michael Stühren - berg ins Aïr-Gebirge reisten, hatten sie eine bemerkenswerte Begegnung. „Vor unserer Abfahrt saßen wir in Agadez in einem Restaurant“, erzählt Stührenberg. „Da trat ein Mann an unseren Tisch und sagte: ‚Wir sind auf der Suche nach einem Deutschen, der in Begleitung eines Briten reist. Das können nur Sie sein.‘“ Der Mann, Oberstleutnant der Bundeswehr, war vom deutschen Nachrichten - dienst in Burkina Faso alarmiert worden: Der deutsche Tourist wolle versuchen, auf eigene Faust ins Aïr zu gelangen. Weil schon mehrfach Weiße im Niger von Islamisten gekidnappt worden seien, herrsche nun Aufregung. Stührenberg konnte den Offizier beruhigen: Für die Fahrt der Reporter am nächsten Morgen stand eine doppelte Militäreskorte der nigrischen Armee bereit. Seite 32 Reporterglück: ein Sperrmüllmöbelstück Reporter verbringen ihr halbes Leben in Hotels. Aber als GEO-Autor Christoph Dorner drei Monate in Rostock-Lich - tenhagen leben wollte, um ein Porträt des Stadtteils zu recher- chieren, suchte er sich eine Wohnung. Dorner brachte Matrat - ze, eine rollbare Kleiderstange, Kleidung und Küchenutensilien im Gepäck mit. Ein einfaches, aber brauchbares Regal fand sich im Sperrmüll in der Rostocker Innenstadt. Einen Tisch bekam er von einer Nachbarin, die sich gerade von ihrem Partner getrennt hatte – und alles aus der Wohnung warf, was sie an ihn erinnerte. Weil in seiner frisch sanierten Platten- bauwohnung kein Internetkabel verlegt war, half eine andere Nachbarin mit ihrem Router-Passwort aus: Dorner war im Netz – und auch gleich im Stadtteil selbst vernetzt. Seite 82 Unterwegs GEO-Reporter auf Recherche GEO 08 20176 1 Renault Captur Life ENERGY TCe 90: Fahrzeugpreis 4 14.329,– € inkl. Renault Flex Plus Paket 2 im Wert von 540 ,– €. Bei Finanzierung: Nach Anzahlung von 1.670,– € Nettodarlehensbetrag 12.659,– €, 24 Monate Laufzeit (23 Raten à 129,– € und eine Schlussrate: 9.692,– €), Gesamtlaufleistung 20.000 km, eff. Jahreszins 0 %, Sollzinssatz (gebunden) 0 %, Gesamtbetrag der Raten 12.659,– €. Gesamtbetrag inkl. Anzahlung 14.329,– €. Ein Finanzierungsangebot für Privatkunden der Renault Bank, Geschäftsbereich der RCI Banque S.A. Niederlassung Deutschland, Jagenbergstraße 1, 41468 Neuss. Gültig bis 31.08.2017. Renault Captur ENERGY TCe 90: Gesamtverbrauch (l/100 km): innerorts: 6,0; außerorts: 4,5; kombiniert: 5,1; CO 2 Renault Captur: Gesamtverbrauch kombiniert (l/100 km): 5,6–3,6; CO 2-Emissionen kombiniert (g/km): 127–95 (Werte nach Messverfahren VO [EG] 715/2007). 2 2 Jahre Renault Neuwagengarantie und 3 Jahre Renault Plus Garantie (Anschlussgarantie nach der Neuwagengarantie) für 60 Monate bzw. 50.000 km ab Erstzulassung gem. Vertragsbedingungen. 3 Enthalten ist ein Renault Wartungspaket, welches alle Kosten der vorgeschriebenen Wartungsarbeiten für die Vertragsdauer (60 Monate bzw. 100.000 km ab Erstzulassung) gemäß Vertragsbedingungen umfasst. Gültig für Privat-/ und Kleingewerbe- kunden, für Kaufanträge bis 31.07. 2017 . 4 Abb. zeigt Renault Captur Intens mit Sonderausstattung. Renault Deutschland AG, Postfach, 50319 Brühl. Renault CAPTUR SUV à la Renault Der neue 0 % Finanzierung 1 inkl. 5 Jahren Garantie 2 5 Jahre Wartung gratis 3 A U S G A B E J U N I 2 0 1 7 Titelthema Drogen Ich kann bestätigen, dass die gele- gentliche Einnahme von Drogen für einen Erwachsenen nach meinen Wissen keine negativen Begleiterscheinungen hat. Als Rucksackreisender in Asien habe ich in Nepal das Rauchen mit Lungenzug ge - lernt, bin aber dennoch kein Raucher ge- worden. Später habe ich auch versehent- lich eine etwas zu große Menge Haschisch gegessen (ich hatte keine Erfahrung), bin aber in keiner Weise süchtig geworden. Dann auf Bali habe ich Pilze zu mir genommen. Ein wunderschöner Rausch. Gern denke daran zurück. In Deutschland habe ich nie das Verlangen gehabt, es zu wiederholen. Nur muss ich dazu auch er- wähnen, dass junge Menschen bei einem starken Drogenkonsum offenbar Schäden erleiden können. In Tanger traf ich mal eine junge Frau, die hatte starke Wahn- vorstellungen, nachdem sie als 16-Jährige einen knappen Monat im Rif-Gebirge in Marokko gewesen war und dort jeden Tag ihren Rausch gehabt hatte. Eckar t Tardeck , v ia E-Mai l Warum heißt Zopf »Zopf«? Sie brauchen gar nicht weit herum in Fremdsprachen zu suchen. In der Schweiz war dieses Wort als Haarschopf mindes- tens in den 1960er und 1970er Jahren gang und gäbe. Und zwar quer durch die Gene- rationen. Wir sagten damals im Bündne - rischen Schweizerdeutsch-Dialekt: „Läck, hät da an Zopf!“ Ins Deutsche übersetzt: „Junge, Junge, hat der Haare!“ beziehungs- weise „eine Mähne!“ oder „einen Haar- schopf!“ Es ging dabei immer um die damals moderne wallende Hippie-Haar - pracht und wurde vor allem auf Männer angewandt. Deren langes Haar war ja da- mals völlig neu! Da diese Haarmode, wie für Mode üblich, gelegentlich verschwand, verschwand auch das Wort wieder. Br ig i t ta Helena F ischbacher , v ia E-Mai l Zum Beitrag über das Stottern eine Anmerkung und Frage. Ich vermisste dar- in eine Beschäftigung mit folgendem Phä- nomen: Man kann einen Text lesen, als ob man einen Vortrag hält, also durchaus mit Betonungen, Verzögerungen, bewusst ein- gesetzten Pausen, um ein Publikum zum Nachdenken zu bewegen. Ja, auch Melo- dien sind möglich – alles ohne einen Sprachmuskel zu bewegen und sich selbst durch den Ton des laut Gesprochenen quasi selbst zu kontrollieren oder dem Wort seinen Weg zu bahnen (wie im Text angedeutet, könnte eine winzige Zeitver- zögerung zwischen Hören und Sprechen A U S G A B E M A I 2 0 1 7 Thema Stottern Danke, Vivian Pasquet und Olaf Ble- cker, für den wunderbaren Artikel über das Stottern, das war Balsam für meine Seele. Ich fand mich sofort wieder in ihren Wor - ten und Wahrnehmungen. Mein Stottern begann mit acht Jahren und wurde damit abgetan, dass eine Tante auch ziemlich heftig stotterte. Ein ganzes Leben „trick - sen“ ist wirklich ziemlich anstrengend und mit sehr vielen Ängsten verbunden. Sogar geprügelt habe ich mich, weil ein Nach- barsjunge mich hänselte wegen des Stot- terns. Dafür bekam ich noch Strafe oben- drauf. Im Laufe der Zeit entwickelte ich Witz und Charme, um vom Stottern ab - zulenken. Die Bilder zeigen, wie einzigar- tig schön 800 000 Menschen in Deutsch - land sein können ... Chr is ta Diedr ich , v ia E-Mai l Ihr Artikel hat mir sehr gefallen. Habe mich sehr oft darin wiedergefunden. Ich habe 1987 nach dem Abitur ein halbes Jahr stationäre Therapie nach dem Mon - terey Fluency Program gemacht und hin - terher auch nie wieder öffentlich so gespro- chen. Das Einzige, was half, war meine Ertaubung zehn Jahre später. Keine Sym- ptome mehr! Als ich dann Cochlea-Im - plantate bekam, kamen aber auch die Symptome wieder. Na ja, man kann nicht alles haben. Ral f Janowsky, v ia Facebook »Ich danke Ihnen für das ansprechende Titelbild der Juni-Ausgabe. Ich bin für die Legalisierung von Hanf! In Israel wird Hanf aus medizinischen Gründen schon in Seniorenheimen eingesetzt« M I C H A E L A W A L T E R , V I A E - M A I L Drogen wie Hanf sind auch Heilpflanzen. Daher kämpfen Ärzte gegen das Totalverbot GEO 08 2017 Resonanz Ihre Briefe und E-Mails an GEO 8 Dienstreise Für die,die anders ticken. ProMare Chronograph Wir von Nautische Instrumente Mühle-Glashütteticken ein klein bisschen anders: Ein matschiger Waldweg, zwei Räder unterm Hintern, drei Kilometer Abstand zur nächsten Straße – das klingt für uns nach der idealen Dienstreise. Geht es Ihnen manchmal auch so? Genau deshalb fertigen wir Armbanduhren, die dies alles mitmachen. Besuchen Sie unsere Webseite unter: www.muehle-glashuette.de G E O L E S E R S E R V I C E A B O N N E M E N T - U N D E I N Z E L H E F T B E S T E L L U N G ANSCHRIFT: GEO-Kundenservice, 20080 Hamburg E-Mail: geo-service@guj.de PERSÖNLICH ERREICHBAR: Mo. bis Fr. 7.30 bis 20.00 Uhr, Sa. 9.00 bis 14.00 Uhr TELEFON INNERHALB D: 040 / 55 55 89 90 Telefon außerhalb D: +49-40 / 55 55 89 90 Telefax: +49-1805 / 861 80 02* GEO-KUNDENSERVICE: www.GEO.de/kundenservice PREISE JAHRESABONNEMENT: 90 € (D) | 99 € (A) | 156 sfr (CH) Preise für weitere Länder auf Anfrage erhältlich B E S T E L L U N G V O N G E O - D V D S , K A L E N D E R N , B Ü C H E R N E T C . GEO-Kundenservice, 74569 Blaufelden Hotline-Telefon: 040 / 42 23 64 27 Hotline-Telefax: 040 / 42 23 66 63 E-Mail: guj@sigloch.de F R A G E N A N D I E R E D A K T I O N Telefon: 040 / 37 03 20 73 Telefax: 040 / 37 03 56 48 E-Mail: briefe@geo.de * 0,14 Euro/Min. aus dem deutschen Festnetz Bevölkerung bei. GEO sollte unbedingt auch in Schulen als Unterrichtsmaterial ver wendet werden! Übrigens: Das verbrei- tete Schädlingsbekämpfungsmittel Lizetan von Bayer darf noch immer als „nicht bie- nengefährlich“ beworben werden – obwohl es Thiacloprid, ein Neonicotinoid, enthält. Bayer klagte sogar gegen den Umweltver- ein BUND auf Unterlassung der Bezeich - nung ihrer Produkte als „bienengefährlich“ – und verlor. Unglaublich, wie ein Konzern, geleitet von marktwirtschaftlichen Inter- essen, so kurzsichtig agieren kann. Sebas t ian S teh le , v ia E-Mai l eine Ursache für das Stottern sein). Wie funktioniert dieses innerliche Sprechen bei einem Stotterer? Chr is t ian Hol land , v ia E-Mai Anmerkung der GEO-Redakteurin Vivian Pasquet: „Gedanken stottern glück- licherweise nicht – Vorträge still einzu- üben gelingt Stotternden deshalb fließend. Selbst laute Selbstgespräche sind möglich. Ein Hinweis darauf, dass Sprechen manchmal leichterfällt, wenn die Anfor- derungen niedriger sind.“ Wald Nach Fichten-Monokulturen schaf - fen wir nun Rotbuchen-Monokulturen. Der ALB (Asiatische Laubholzbockkäfer), mit Verpackungsholz als blinder Passagier aus China eingeführt, wird noch als Qua - rantäne-Schädling eingestuft. Dort, wo er gesichtet wird, wird alles entlaubt. Fr i tz Ponschab , Wet t s te t ten A U S G A B E M Ä R Z 2 0 1 7 Insektensterben Etwas verspätet möchte ich mich noch für den ausgezeichnet recherchierten, gut geschriebenen (und bebilderten!) Ar- tikel über das wichtige Problem des Insek- tensterbens bedanken. Im Vergleich zu inzwischen weit bekannten Bedrohungen wie Atomkraft und CO 2-Emissionen fris- ten die Neonicotinoide wohl noch immer ein mediales Schattendasein. GEO trägt durch kritischen, fundierten Qualitätsjour - nalismus immer wieder zur Aufklärung der An einem stürmischen Maitag gelang Leonhard von Guggenberg aus Oberbozen diese stimmungsvolle Aufnahme vom Völser Weiher in Südtirol. Mitmachen: geo.de/leserfoto »Ines Possemeyers Artikel über den Wanderalbatros hat mich sehr berührt. Wundervoll geschrieben!« J O H A N N A S T O L L , V I A E - M A I L GEO 08 201710 DAS LESERFOTO DES MONATS www.comdirect.de Millionen Deutsche sparen ihr Erspartes kaputt Zeit, das zu ändern. Mit cominvest, dem digitalen Anlageservice von comdirect. • Klassisches Sparen hat ausgedient – legen auch Sie Ihr Geld in Wertpapieren an • Mit cominvest unterstützen wir Sie – von der Vorauswahl der Wertpapiere bis hin zur kompletten Betreuung Ihrer Geldanlage • Schnell, einfach und bequem online Informieren Sie sich unter: www.deutschland-bankt-neu.de GEO 08 201712 KOSMOS Die Welt in Bildern Unterwegs in einer indischen Sari-Fabrik, bei Tölpeln vor den Shetlandinseln, am Vulkan Bromo auf Java und bei Schlangenbändigern in Italien I N D I E N Im Griff 800 Meter lang sind die Stoffbahnen dieser Sari-Manufaktur in Sanganer im indischen Bundesstaat Rajasthan. Damit sie nach dem Färben trocknen können, werden sie in Schlaufen über ein mehrere Meter hohes Gestell aus Bambus gehängt. Später werden sie zu Tüchern von etwa sechs Meter Länge zerschnitten: Viele Frauen in Indien tragen Saris noch heute als Alltagsgewand 13 GEO 08 201714 S C H O T T L A N D Sturzflug ins Getümmel Wenn sich Basstölpel auf der Jagd nach Fisch ins Meer stürzen, erreichen sie Geschwindigkeiten von bis zu 100 Stundenkilometern. Der britische Meeresbiologe smith studierte das Verhalten der Meeresvögel fünf Jahre lang. Nur mit viel Geduld und Glück gelang ihm diese Nahaufnahme einer Gruppe von Tölpeln im Streit um Futter – unter Wasser vor den Shetland inseln 15 16 I N D O N E S I E N Im Schatten des Feuers Einmal im Jahr erklimmen Einheimische den Kraterrand des Vulkans Bromo auf der Insel Java: Zum Yadnya Kasada, einem hinduistischen Opferfest, werfen sie Reis, Früchte, Tiere und Geld in den Schlund des Vulkans, um die Götter zu besänftigen. Dennoch brach der Bromo 2016 über raschend aus und schickte seine Asche mehr als 1000 Meter hoch in den Himmel. Immerhin: In Gefahr geriet dabei niemand GEO 08 2017 17 I T A L I E N Geliebte Nattern Für eine Prozession tragen die Bewohner des italienischen Ortes Cocullo Schlangen herbei, um damit die Statue des heiligen Dominikus zu behängen. Er gilt in den Abruzzen als Schutzpatron der Bauern und Schäfer, angeblich soll er einen Drachen bezwun- gen haben. Jedes Jahr im Mai ehren ihn die Menschen daher mit einem Schlan - genfest. Danach werden die Tiere wieder ausgesetzt GEO 08 201718 19 Jetzt im Handel. Das Extra für besondere Reisen. Aktualisierte Neuauflage Die Kinder tragen den roten Stern auf der Mütze, singen patriotische Lieder und heben beim Fahnenappell die Faust nas eröffnen „Rote Armee Schulen“. Dort werden Grundschüler im Sinne der kom munistischen Führung ausgebildet: Sie erhalten Unterricht in „Roter Kultur“. Landesweit gibt es bereits mehr als 200 dieser Schulen. Kinder lernen dort, stolz auf ihr kommunistisches Erbe zu sein. Dazu studieren die Grundschüler die Geschichte der chinesischen Volksbefrei ungsarmee: Während des sogenannten Langen Marsches flohen in den 1930er Jahren kommunistische Kämpfer vor den nationalistischen Truppen Chinas. Inner halb eines Jahres legten sie 12 000 Kilo meter durch unwegsames Gelände zurück. Etwa 90 Prozent der Soldaten starben oder desertierten bei den Gewaltmärschen. Dem späteren Diktator Mao Zedong ebnete der Lange Marsch den Weg an die Macht. In den Rote Armee Schulen wird die verlustreiche Militäroperation zum Heldenmythos verklärt: Kinder feiern die Soldaten in Gedichten und Aufsätzen. Vor zehn Jahren entstanden die ersten dieser Schulen, gegründet meist von Nach fahren der damaligen Kämpfer; oft Mit glieder der oberen Politkaste. Sie wollen, in einer Zeit der rasanten Modernisierung des Landes, die Erinnerung wachhalten an die Entbehrungen. C H I N A Kleine Kinder, großer Führer Ganz alte Schule: In China lernen Grundschüler, stolz auf ihr kommunistisches Erbe zu sein – an eigens dafür eröffneten Rote-Armee-Schulen Für die Schüler sei der »Geist der Roten Armee« ein echter Gewinn, sagt ein Schul- leiter: »Er lehrt sie, hart zu arbeiten und genügsam zu sein« GEO 08 2017 Horizonte Unterwegs inder Welt 21 Frischer Tilapia? In Berlin kein Pro- blem. Dort kommt der Speisefisch bereits wenige Stunden nach seinem Fang in die Kühltheken der Stadt. Denn der Bunt - barsch stammt aus einer Aquafarm, die im Zentrum der Metropole belegen will, dass sich Fischzucht auch nachhaltig gestalten lässt: Die Öko-Farm im Bezirk Schöne - berg produziert nicht nur 30 Tonnen Fisch pro Jahr, sondern düngt mit den Ausschei- dungen der Tiere auch noch die Beete des firmeneigenen Gewächshauses. Darin ge- deihen Tomaten, Kräuter und Salat. Aquaponik heißen derartige Farmsys- teme: Fischzucht und Gemüseanbau wer - den dort parallel betrieben. Spezielle Filter, die mit Bakterien besetzt sind, reinigen dabei das Brauchwasser der Tiere und wan deln deren Ausscheidungen in Pflan- zendünger um. Das gereinigte Wasser fließt zurück zu den Fischen in die Becken. Der Bedarf an Frischwasser wird so drastisch gesenkt: Forscher des Leibniz- Instituts für Gewässerökologie und Bin- nenfischerei haben eine Anlage entwickelt, die täglich nur drei Prozent des Wassers ersetzen muss – weltweit ist sie damit technisch führend. Gleichzeitig schonen die neuen Fischfarmen die Natur, weil sie keinen Tierkot mehr in die Umwelt ablei - ten. Klassische Aquakulturen gelten auf- grund ihres Abwassers dagegen als ökolo- gisch bedenklich. Städte und Kommunen anderer Län - der holen sich Rat bei den Entwicklern in Deutschland: Ähnliche Fischfarmen ent - stehen nun zum Beispiel auch in China, Belgien, der Schweiz und Spanien. Angeln und Ernten unter einem Dach Aquafarmen gelten als Dreckschleudern in Meeren und Flüssen. Doch nun entstehen in immer mehr Großstädten nachhaltige Anlagen: Sie produzieren nebenbei auch noch Gemüse Ab sofort haben viele südkoreanische Supermarktkunden die Wahl: Sie können sich ihr Wechselgeld in barer Münze auszahlen oder den entsprechenden Betrag auf Prepaid-Karten buchen lassen – mit denen können sie dann zum Beispiel Tickets im öffentlichen Nahverkehr lösen. Ist das Pilotprojekt, das bisher nur in ausgewählten Märk- ten läuft, erfolgreich, will die koreanische Zentralbank auch Wechselgeldbuchungen direkt auf private Bankkonten zulas- sen. Laut einer Umfrage der Zentralbank tragen zwei Drittel der Südkoreaner ohnehin kein Kleingeld mehr am Körper, zudem unterstütze die Hälfte der Befragten die komplette Abschaffung aller Münzen. S Ü D K O R E A KLEINGELD? SO GUT WIE ABGESCHAFFT Die südkoreanische Nationalbank will alle Münzen abschaffen. Gezahlt wird mit ihnen sowieso kaum noch Die Produktion der Münzen kostet den südkoreanischen Staat pro Jahr umgerechnet etwa 42 Millionen Euro. Dieser Aufwand stehe nicht im Verhältnis zum Gegenwert der Mün - zen, so die Nationalbank. Die kleinste koreanische Münze ist zehn Won wert, etwa 0,008 Eurocent. Und der kleinste korea - nische Schein entspricht nur knapp acht Eurocent. Nur noch Spielgeld? Kinder in Seoul zwischen Riesenplastikmünzen Nachhaltig und vorbildlich: Fischzucht und Tomatenanbau in einem GEO 08 2017Horizonte22 N A C H H A L T I G K E I T * One-way Komplettpreis inkl. Steuern und Gebühren. Condor Flugdienst GmbH, Condor Platz, 60549 Frankfurt am Main ab € 27999 * nonstop Der Flug der Karibik. Wenn fliegen, dann besonders. Mit 150 Stundenkilometern in die Kurve: Wer zum ersten Mal Bilder von einem Drohnenwettkampf sieht, dem wird schwindelig. Die kleinen Fluggeräte haben einen Parcours zu meistern, der aus engen Gängen, steilen Schächten und überraschend auftauchenden Hindernissen besteht. Spektakuläre Crashs gehören mit zur Show. Drohnenrennen entwickeln sich zum Massensport. Ende Juli wird das Finale der Weltmeisterschaft aus London in 75 Länder über- tragen. Online oder am Fernsehgerät verfolgten im vergangenen Jahr 73 Millionen Menschen allein die Wettkämpfe der Drone Racing League, der ersten Profiliga für Drohnenpiloten. Sie wurde vor zwei Jahren in den USA als Privatunternehmen gegründet und vermark - tet seitdem die neue Sportart als globales Medienereignis. Die Drohnen werden eigens für die Rennen entwickelt und sind besonders bruchfest. Kameras liefern Flugvideos in HD-Qua - lität für die Zuschauer. Dem Piloten am Boden senden sie Live-Auf - nahmen in geringerer Auflösung auf spezielle Brillen. Nun will das Unternehmen Wettkampfdrohnen für Kinder entwickeln – so wäre auch für Nachwuchssportler gesorgt. U S A JETZT AUCH FÜR PROFIS: DROHNENRENNEN Millionen Fans verfolgen Wettkämpfe der Mini-Fluggeräte Nur an der Farbe zu unterscheiden: In der Drohnenliga treten alle Piloten mit iden- tischen Modellen an Auf den ersten Blick erinnert die Szene an eine Schneiderei; allerdings halten die Frauen Lötkolben, Zangen, Drähte und elektronische Schaltkrei se in den Händen – denn sie werden gerade in einer Zukunftstechnologie des 21. Jahrhunderts geschult. sthan im Nordwesten Indiens lernen Frauen aus der ganzen Welt jeweils sechs Monate lang, wie man Solarmo dule installiert und wartet. Mit diesem Wissen sollen sie an schließend ihre Familien und Gemein den mit günstigem Strom versorgen, I N D I E N SOLAR FÜR DIE WELT In einem Bildungszentrum in Rajasthan lernen arme Frauen aus aller Welt, Solar anlagen zu montieren . Das bewirke mehr, als Ingenieure in die Provinz zu schicken, gl a ubt man dort unabhängig von staatlicher Infrastruk tur. Oder, wie es in der Selbstbeschrei bung des Colleges heißt: „Wir bilden Frauen aus, die Licht und Bildung in ihre Dörfer tragen.“ Gegründet wurde das Zentrum für Sozialarbeit und Forschung, wie sein offizieller Name lautet, bereits vor 45 Jahren. Zu Beginn lag der Fokus noch auf Techniken der Wasserversor 2 1 3 1 Eine Frau baut einen elektrischen Schaltkreis zusammen 2 Konsequent bis ins Detail: Im »Barefoot College« wird ausschließlich mit Sonnenenergie gekocht 3 Aus diesem Klotz soll ein Solar-Backofen entstehen GEO 08 2017Horizonte24 ERLEBEN SIE DIE ARKTIS IN JEDEM STECKT EIN ENTDECKER Jetzt gratis Katalog bestellen: www.hurtigruten.de/kataloge Hurtigruten GmbH · Große Bleichen 23 · 20354 Hamburg — Und Spitzbergens wahre Herrscher. der norwegischen Arktis. Begegnen Sie ihrem König: 3.000 Eisbären leben hier – mehr als es Menschen gibt. Erleben Sie die Natur so nah wie möglich, an Bord von Hurtigruten, Willkommen an Bord! hu tte rst oc k gung. Sein Erfinder, der indische Bil- dungsaktivist Sanjit „Bunker“ Roy, möchte „mit dem College zeigen, wie öffentliche Bildungseinrichtungen an Bedürfnissen der Menschen vorbei arbeiten“, sagt der heute 71-Jährige. Denn es genüge nicht, ausschließ- lich Eliten auszubilden, die ihren Hei - matländern womöglich den Rücken kehrten. Stattdessen müsse man auch einfache Menschen in die Lage ver- setzen, sich selbst zu helfen. Deswegen setzt das Barefoot Col- lege auf eine niedrigschwellige Aus- bildung: Unterrichtet wird in erster Linie in Zeichensprache, das soll Sprachbarrieren überwinden. Teilneh- men können Frauen jeden Alters. So haben seit den 1990er Jahren auch rund 150 Großmütter aus 28 Ländern die Solar-Trainings durchlaufen. Die Stipendien der Frauen werden unter anderem von der indischen Regierung übernommen. Insgesamt sind durch das Projekt bereits 1300 Dörfer mit Solaranlagen versorgt worden. Dass er ausschließlich Frauen ausbilde, hat einen Grund, verrät Bun- ker Roy: Männer seien rastlos. Sobald sie einen Abschluss in der Hand hiel- ten, wollten sie ihr Dorf verlassen und einen Job in der Stadt finden. Frauen dagegen seien eher geneigt, die Pro- ble me vor Ort zu lösen. Fo tos : J or di Pi za rro 4 5 4 Sechs Monate dauert die Ausbildung; unterrichtet wird per Handzeichen – das überwindet Sprachbarrieren5 Nach der Ausbildung sollen die Frauen in ihren Dörfern Solaranlagen konstruieren und selbstständig warten GEO Vorteilsabo Christoph Kucklick, Chefredakteur GEO Von großen Veränderungen und kleinen Visionen. Jetzt GEO frei Haus lesen oder verschenken und attraktive Vorteile sichern. GEO ist Deutschlands größtes Reportage-Magazin: neugierig und offen, berührend und engagiert. Sehen Sie die Welt mit anderen Augen. Herzlichst Ihr WUNSCH-PRÄMIE ZUR WAHL Zur Begrüßung als Dankeschön. JEDERZEIT KÜNDBAR Nach Ablauf des 1. Jahres. BEQUEM Kostenlose Lieferung nach Hause. 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Da waren 907 Menschen tot. Außer - dem hatte das argentinische Militär mehr als 20 000 Landminen auf den Inseln ver - graben, um die Gegenoffensive der Briten zu verschleppen. Weil viele der Spreng- sätze noch immer scharf sind, bleibt der Krieg bis heute sichtbar. Einige Küsten- abschnitte sind seit 35 Jahren abgesperrt und für Menschen nicht zugänglich. Das soll sich ändern. Experten aus Simbabwe haben im Auftrag der briti - schen Regierung seit 2009 bereits gut sieben Quadratkilometer von den Minen befreit. In einigen Jahren sollen mehr als 70 Sperrzonen vollständig geräumt sein. Doch jetzt regt sich Protest gegen die bereits angelaufene „Phase 5“ der Räu- mung – von Naturschützern. Denn aus einigen der Kriegsgebiete von einst sind mittlerweile faktisch Natur- reservate geworden. Als besonderes wert- volles Ökosystem gilt ausgerechnet jener Küstenabschnitt, an dem die argentini- schen Truppen einst zuerst landeten: In der Yorke Bay wachsen wieder viele der auf den Inseln ursprünglich heimischen Pflanzen. Außerdem verbringen seit Jahr- zehnten Kolonien von Magellan- und Eselspinguinen die Sommermonate in der Bucht. Ihr Gewicht von höchstens 7,4 Ki- logramm reicht nicht aus, um die Minen zur Detonation zu bringen. In deren Schutz sind die Pinguin-Po - pulationen auf Rekordzahlen angewachsen. Nun könnte der Lebensraum der Vögel durch die Minenräumung zerstört werden. Da müsse man abwägen, findet Paul Brickle, Direktor des South Atlantic Envi- ronmental Research Institute: „Was würde es bringen, wenn man diese Minen heute entfernt?“ Zwar ist kein Zivilist je durch eine der Minen verletzt worden. Und den rund 3000 Bewohnern der Inseln wäre es auch lieber, die Sprengsätze blieben, wo sie sind. Das behauptet jedenfalls eine Abgeordne- te des Lokalparlaments. Aber mit ihrem Beitritt zum Abkommen von Ottawa hat - te sich die britische Regierung 1997 ver- pflichtet, alle Minen auf ihren Territorien zu räumen. Die Folgen einer Räumung wären gravierend. Weil viele Sprengkörper nicht mehr exakt dort liegen, wo die Argentinier sie auf ihren Karten einst eingezeichnet hatten, müsste die gesamte Dünenland - schaft vielleicht sogar mit gepanzerten Ma- schinen umgegraben werden. Dann wäre das Ökosystem zerstört – und der Krieg hätte die Bucht nach über 30 Jahren doch noch in ein Trümmerfeld verwandelt. F A L K L A N D I N S E L N PARADIES IM MINENFELD In gesperrten Strandabschnitten auf den Falklands leben Tausende Pinguine. Ihr Lebensraum ist bedroht – denn die Sprengsätze müssen geborgen werden In der Yorke Bay landeten einst argentinische Truppen, heute geht es friedlicher zu GEO 08 2017Horizonte28 Vor zwei Jahren studierte die Niederländerin Marije de Groot, heute 23, in Istanbul. Nach dem Semester brach sie mit zwei Freunden von Antalya aus auf eine Wanderung auf. Doch schon am ersten Tag kamen sie von der Strecke ab. GEO: Frau de Groot, wie ist das passiert? MARIJE DE GROOT: Es war ein schöner Tag, wir waren am Strand und sind spät aufgebrochen. Irgendwann war es komplett dunkel, und wir konnten die Lichter unseres Zielorts immer noch nicht ausmachen. Da haben wir eine dumme Entscheidung getroffen. Sieben Tage lang verschollen Es war keine schwierige Route. Doch eine einzige falsche Entscheidung kostete drei Erasmus- Studenten beim Wandern in der Türkei beinahe das Leben Was haben Sie getan? Wir sahen die Lichter eines Dorfes am Strand und dachten: „Das Meer ist nah, wir schlagen uns zur Küste durch.“ Doch irgend- wann ging es nicht weiter, der Weg endete an einem Abgrund. Wir übernachteten dort, im Freien. Und fanden nicht mehr zurück? Am nächsten Tag fing es an zu regnen. Sehr heftig und sehr lang. Auf einmal verwandelte sich das leere Flussbett, an dem wir uns orientiert hatten, in viele kleine Flüsse, die in unterschiedliche Richtungen liefen. Ab diesem Moment hatten wir uns verirrt, außerdem war es sehr kalt. Wir suchten in einer Höhle Schutz. Wie lange blieben Sie dort? Zwei oder drei Tage, genau kann ich es nicht sagen, die Zeit verschwimmt, wenn ich zurückdenke. Irgendwann merkten wir: Wenn wir hier sitzen bleiben, kommen wir nie mehr nach Hau - se. Wir liefen los, versuchten, auf höher gelegene Punkte mit Handy-Empfang zu gelangen. Wann spürten Sie zum ersten Mal Hunger? Vor allem am dritten Tag fühlte ich mich schwach und hungrig, danach ging es merkwürdigerweise besser. Vielleicht merkte ich, wie nutzlos es war, mich auf den Hunger zu konzentrieren. Ich habe auch immer wieder eine Art wilde Bohnen gegessen. Mehr Essbares gab es nicht? Ich vertrug die Bohnen gut, deshalb bin ich bei ihnen geblieben. Einem meiner Freunde wurde von ihnen übel, er hat dann In - sekten gegessen. Wasser gab es zum Glück genug. Woher wussten Sie, wie man sich in der Wildnis verhält? Ein paar Tricks kannten wir aus Überlebenssendungen aus dem Fernsehen. Wir urinierten in Flaschen, um uns an ihnen zu wär - men. Und ich hatte irgendwo aufgeschnappt, dass der Mensch sieben Tage ohne Nahrung auskommen kann. Das hat mir Mut gemacht. Wie wurden Sie gerettet? Am siebten Tag probierten wir ein letztes Mal unsere Telefone. Eigentlichwaren die Akkus längst leer, doch wie durch ein Wun- der funktionierte eines trotzdem. Wir beschrieben die Gegend, alles, woran wir uns erinnern konnten. Am nächsten Tag wurden wir entdeckt und per Seil in einen Hubschrauber gezogen. Dachten Sie an einem Punkt auch einmal: „Wir schaffen es nicht mehr zurück“? Ja, vor allem am Ende. Da halluzinierten wir schon, ich hörte Menschen singen und verstand erst nach Stunden, dass das über - haupt nicht möglich war. Doch immer, wenn einer nicht mehr konnte, haben die beiden anderen ihn wieder aufgebaut. Ich glaube, das hat uns gerettet. Am Ende ging das Abenteuer für Marije de Groot glücklich aus Au tor en K os mo s + H or izo nte : F erd ina nd D yc k, Je nn y N ied ers tad t GEO 08 2017Horizonte30 W I E W A R ’ S ? Mehr spannende Geschichten auf www.kfw.de/stories kfw.de zur Datenautobahn? Die KfW fördert die Digitalisierung. In den Jahren 2013 bis 2015 haben 83 % der deutschen Mittelständler Digitalisierungsprojekte durch- geführt. Als eine der weltweit führenden Förderbanken unterstützt die KfW Unternehmen bei der Digitalisierung – z. B. bei der Industrie 4.0. Denn automatisierte und digital vernetzte Systeme fördern nachhaltig zu verbessern. Mehr erfahren: www.kfw.de/stories/digitalisierung Das Aïr-Gebirge: Wer hier herrscht, kontrolliert die Routen für Migranten, Schmuggler, Abenteurer. Weil sich Islamisten in der Region breitmachen, bauen die USA nun einen Drohnenflughafen. Wird der Sahel bald zum Schlachtfeld? Ein Mann stellt sich der drohenden Eskalation entgegen Der Friedenssucher in der Wüste N I G E R Text: Michael Stührenberg, Fotos: Christopher Pillitz Rhissa Feltou, Bürgermeister von Agadez, kontrolliert die Lage im Aïr-Gebirge. In der glutheißen Gegend haben sich früher Aufständische verschanzt, etwa der Tuareg - führer Mano Dayak, dessen Sohn Mawli, ganz in Weiß, nun den Bürgermeister begleitet 32 GEO 08 2017 33 Als Rhissa Feltou im Wadi Tiden ankommt, einem Trockental im Aïr-Gebirge, wird er von den Tuareg mit Gastfreundschaft empfan - gen. Doch er kann sich der Unterstützung der Nomaden nicht sicher sein. Sie haben in seinem Kampf gegen Schmugg ler viel zu verlieren GEO 08 201734 35 Vor wenigen Jahren verdienten die Einwohner von Agadez gut an den Migranten. Seit die EU den Kampf gegen Menschen - schmuggler unterstützt, suchen manche neue Geldquellen: Sie machen sich auf in die Wüste, um dort nach Gold zu graben GEO 08 2017 37 In der verwinkelten Altstadt von Agadez sind auch tagsüber Frauen in bunten Gewändern zu sehen. Vom fanatischen Islam, den die Salafisten-Brigaden in der Region propagieren, halten die meisten Bewohner der Stadt wenig GEO 08 2017 39 K Ö N N T E N H I E R R E B E L L E N Ü B E R L E B E N ? Rhissa Feltou, der Bürgermeister von Agadez, blickt in die höllische Landschaft des Aïr: schwarze Kiesel, schwar- ze Felsbrocken, schwarze Berge – ein gewaltiger Back- ofen aus Basalt. Der Wind: so erfrischend wie der Hauch eines Schweißbrenners. 43 Grad heiß soll es an diesem Tag im Norden Ni- gers werden. 43 Grad im Schatten, doch davon gibt es keinen. Nicht ein Baum, so weit das Auge reicht. Nur hier und da ein Dornbusch von so kläglicher Belaubung, dass nicht einmal ein Wüstenfuchs unter ihm Schutz vor der Sonne suchen würde. Rhissa Feltou sieht aus, als hätte ihn ein zorniger Dschinn aus seinem Rathaus entführt und in diesem verbrannten Nichts ausgesetzt. Sein boubou, sein pfirsichfarbenes Gewand, lässt ihn doppelt so breit wie in Wirklichkeit erschei - nen, fast übernatürlich. Fährt der Wind darun - ter, bläht er den boubou auf wie einen Ballon. Als könnte der Bürgermeister jeden Augenblick davonfliegen. „Glaubst du, Rebellen könnten es hier aus- halten?“, wiederholt Rhissa Feltou seine Frage. Hier im Aïr, einem Gebirge größer als die Niederlande und Belgien zusammen? Kaum vorstellbar, sich in dieser Einöde durchzu- schlagen. Dennoch: Mit Unterstützung von Nomaden aus den Wadis, den Trockentälern der Sahara, könnten Aufständische sich tatsächlich in diesen Bergen einnisten. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Vor einem Vierteljahrhundert habe ich hier einige Zeit mit Tuaregrebellen verbracht, die einen aussichts- losen Kampf um ihre Unabhängigkeit ausfochten. Die Regierungstruppen wagten sich damals nicht ins Aïr- Gebirge. Manchmal näherten sie sich über die offene Sandwüste Ténéré, wo sie mit ihren Pick-ups und Panzerwagen im Notfall schnell die Flucht ergreifen konnten. Am Fuß der Berge angekom- men, feuerte die Armee mit Artillerie blind in die Richtung, wo sie unser Lager vermutete. Ver- gebene Mühe. Doch heute ist alles anders. Es gibt einen Grund dafür, dass wir uns an diesem brennend heißen Tag aufgemacht haben ins Aïr-Gebirge: Rhissa Feltou will sich einen Eindruck von diesem Terrain verschaffen, das schon bald wieder zu einem Schlachtfeld wer- den könnte. Denn in allen Ecken der Region sammeln derzeit die Islamisten Anhänger für ihre Truppen. Und am Stadtrand von Agadez baut die US Army nun, fast unbemerkt von der Weltöffentlichkeit, eine riesige Mi- litärbasis, die – nach Dschibuti – vermutlich zweitgrößte in Afrika. Das investigative Internetportal „The Intercept“ meldet, in Agadez sollen Drohnen vom Typ MQ-9 Rea - per in Stellung gebracht werden. Niger ist demnach das einzige Land in Nordwestafrika, das der Stationierung dieser Reaper-Drohnen zugestimmt hat. Der Reaper, auf deutsch „Sensenmann“, ist eine flie- gende, unbemannte Kampfmaschine, ähnlich jener Pre- dator-Drohne, die über Pakistan Angst und Schrecken verbreitet. Nur tödlicher, mit längerer Reichweite. Ideal, um ein unwegsames Gebiet wie das Aïr-Ge- birge zu beherrschen. Ideal auch, um aus großer Höhe ein brennendes Streichholz in ein offenes Pulverfass zu werfen. K In der Mittagshitze entspannt sich Rhissa Feltou, der Bürgermeister von Agadez, im Hof seines Hauses. Seine Stadt, früher auch als Abenteuerspielplatz bei Sahara-Reisenden beliebt, rückt jetzt mehr und mehr in den Fokus der Weltpolitik GEO 08 201740 I I N D E R S A H E L Z O N E führt das Abendland heute Krieg an verschiedenen Fronten und be- nutzt dafür Namen, die friedlich klingen. Die Amerikaner, die ihr Areal in der Wüste jenseits des Internationalen Flughafens Mano Dayak für sich abgegrenzt haben, räumen allenfalls ein, „Aufklärungsflüge“ zu planen. Doch ihre Basis ist abgeschottet, und jeder Versuch, zum Droh- nenflughafen vorzudringen, scheitert an Mili- tärkontrollen. In der Stadt lässt sich kaum ein US-Soldat blicken. Auch die Europäer wirken hier in Agadez wie Ge- spenster, die im klimatisierten Geländewagen mit ver- riegelten Türen durch die Stadt fahren und dann darauf warten, dass sich das schwere Metalltor von EUCAP Sahel Niger für sie öffnet. Der Name bezeichnet eine vorgeblich „zivile Mission“ der Europäischen Union. Ihr Sitz in Agadez ähnelt jedoch eher einer Militär - festung: umgeben von einer hohen Mauer, be- wehrt mit rasierklingenscharfem Stacheldraht. EUCAP Sahel Niger bildet nigrische Sol - daten und Polizisten aus, damit diese in Agadez keine Migranten mehr aus Westafrika zum Mittelmeer durchlassen. Und damit sie Nigers Wüstengrenzen zu Algerien und Libyen unter Kontrolle bekommen. Dort werden ungestört Drogen geschmuggelt und Waffen. Es sind li- bysche Kalaschnikows und Panzerfäuste, die seit dem Sturz von Muammar al-Gaddafi 2011 in die Hände islamistischer Terroristen gelangen. Die Sahelzone droht zu einem Brandherd zu werden, wieder einmal. Bisher betrifft dies vor allem Mali, Nigers Nachbar-land im Westen. Dort starben bereits 118 Blauhelmsol- daten beim Versuch, den Vormarsch der Dschihadisten zu stoppen. Das macht Mali zur tödlichsten Friedens - mission der UN. Das 27 Meter hohe Minarett der Großen Moschee von Agadez, aus Lehm errichtet, überragt die Altstadt. Teile der über 500 Jahre alten Stadt stehen als Unesco-Weltkulturerbe unter Schutz. Seit Unruhen die Region erschüttern, kommen kaum noch Touristen GEO 08 2017 41( W E I T E R A U F S E I T E 4 4 ) GEO 08 201742 Eine Kamelkarawane hat sich aus dem Aïr-Gebirge aufge - macht nach Agadez. Die alten Handelsrouten haben noch Bestand, doch junge Tuareg zeigen wenig Neigung, sich den Dromedaren anzuver - trauen – sie suchen lieber das schnelle Geld, das sich mit Pick-ups verdienen lässt Sind die Drohnen aus Agadez also für die Islamisten in Mali bestimmt? In Pakistan haben die fliegenden US-Kampfmaschi - nen Hunderte Zivilisten getötet, ohne die Islamisten zu stoppen. Und wenn die Drohnen erst über dem Aïr-Ge - birge kreisen, werden sie dann auch die heiligen Krieger von al-Qaidas Sahara-Ableger AQIM ins Visier nehmen? Oder Boko Haram, das den Norden Nigerias, aber auch Gebiete im Niger terrorisiert? Werden sie für Ruhe sorgen – oder den Islamis- ten von Ansarul Islam noch mehr Zulauf ver- schaffen, jener neuen Terrortruppe in Burkina Faso, das vor Kurzem noch als eines der fried- lichsten Länder Afrikas galt? Agadez, einst ein verschlafener Grenzort zwischen Sahel und Sahara, wo fröhliche Tou- risten zu Jeep- und Motorradtouren in die Wüs - te aufbrachen, hat sich zu einem Brennpunkt der Weltpolitik entwickelt. Hier laufen strategi- sche Fäden zusammen, die in Washington, Pa- ris, Berlin und Brüssel gesponnen werden. Und deren lose Enden nun in der Hand eines Bür - germeisters baumeln, der sich nichts inniger wünscht als Frieden für seine geliebte Stadt. L L I E B E Z U A G A D E Z , das gebe ich zu, fällt einem Fremden heute nicht leicht. Ganz anders war dies vor 30 Jahren, als „Nigers Tor zur Wüste“ noch liebenswert ver- rückt erschien. Mit Originalen wie Abdelkader, den alle „Danger“ nannten. In seinem Schuppen am Markt bot er gebrauchte Ski und Snowboards zum Verkauf an. In der Hoffnung, dass ein Tourist Lust verspüren würde, die Bretter an den Dünenhängen der Ténéré auszuprobieren. Die Ausgelassenheit verzog sich mit Beginn der Tuaregrebellion Anfang der 1990er Jahre. Rhissa Feltou studierte zu jener Zeit Jura in Straßburg; dort wurde aus dem Nomadenjungen ein Mann von Welt: selbstsicher, charmant, voller Vertrauen in seine Fähigkeiten als glo- balisierter Nomade mit diplomatischem Geschick. Feltou kehrte aus Frankreich zurück, nahm seine Kinder und deren französische Mutter mit. Es hielt ihn nicht in Europa. Und er blieb auch, als seine Kinder und ihre Mutter 2007 in ihre Heimat zurückkehrten. Weil seine Sehnsucht nach Agadez stärker war. Seit sechs Jahren regiert er als Bürgermeister, und er wird nie müde, mir die Schönheit der wohl 500 Jahre alten Karawanen- kreuzung vor Augen führen zu wollen. Ein paar Tage vor unserem Ausflug in die Wüste zog er mich hinauf in die Spitze des Minaretts der Freitagsmoschee. Wie jedes Mal, wenn ich nach Agadez komme. Wir quetschten uns durch schmale Gänge und nied - rige Tunnel, streckenweise auf allen vieren. Rhissa Fel- tous prächtiger boubou war mit rotem Staub bedeckt, der Turban völlig verrutscht. Aufgeschreckte Fledermäuse waren uns ins Gesicht geflattert. „Weißt du, dass dieser Turm 27 Meter hoch ist?“, fragte Feltou oben, ohne die Antwort abzuwarten. Der Bürgermeister breitete die Arme über der bröckelnden Brüstung aus – wie ein morgenländischer Prinz, der das Reich zu seinen Füßen am liebsten um- armen würde. „Agadez!“, rief Feltou aus, „Hauptstadt der Tuareg!“ Aus der Minarettspitze konnte ich erken - nen, wie weit die Stadt in die Wüste ausgeufert war. Seit meinem letzten Besuch, scheint mir, ist die Bevölkerung hier explodiert. Wie viele Einwohner es nun wohl sind, 300 000? Viel- leicht noch mehr. Die meisten sind allerdings zugewanderte Hausa aus Nigers Süden. In der Hauptstadt der Tuareg sind die sesshaft gewor- denen Nomaden längst in der Minderheit. Architektonisch drückt sich Agadez in klobigen Quadern aus. In der Altstadt um die Moschee sind dies einstöckige, sieben, acht Meter hohe Häuser aus banco, einer Mischung aus Lehm, Pflanzenfasern und Kuhmist. Ganz Agadez lebt in den Farben des banco; je nach Sonnenstand leuchtet die Stadt hellbraun, ockergelb oder sanft rosafarben. Ihre Schönheit ist fragil: Unermüdlich arbeiten die Maurer gegen die Erosion der Stadt an, denn jede Regenzeit weicht den banco auf, rundet bedroh- lich die Kanten und Ecken der Quader, verdünnt deren Mauern und Flachdächer. Auf diese Flachdächer fliehen die Bewohner vor der Hitze der engen Gassen. Hier spielt sich nach Sonnen - untergang das Leben ab. A A M A B E N D N A C H U N S E R E R Minarettbesteigung bekam Rhissa Feltou auf seinem Flachdach Besuch von einem Mann, der seinen Namen nicht verraten will. „Dies ist nicht mehr unser Agadez“, beschwerte sich der Targi* bei seinem Bürgermeister. „Hier bestimmen jetzt die kufr.“ Was „Ungläubiger“ heißt, im Munde eines Targi jedoch Weiße schlechthin meint. „Seit die kufr hier das Sagen haben, sind wir Bettler!“ Wir lagen ausgestreckt auf Matratzen, die ein Karree um eine geflochtene Bastmatte bildeten. In deren Mitte stand der Feuerkorb mit glühenden Holzkohlen, darauf das obligate Teekännchen. Ein leichter Wind streichelte die Haut, über uns tauchten die ersten Sterne auf. Unten vor dem Haus parkte der Pick-up des Besu - chers. Jahrelang hatte dieser Wagen seinen Besitzer ernährt, beim Transport von Migranten durch die Wüs - te nach Libyen. Jeden Montagmittag war noch bis vor Die Tuareg sind die Wächter am Tor zur Wüste 44 GEO 08 2017*männl. Singularform von Tuareg ALGERIEN NIGER MAURETANIEN MALI BURKINA FASO SENEGAL ELFENBEIN- KÜSTE GHANA BENINGUINEA MAROKKO ITALIENSPANIEN LIBYEN TSCHAD NIGERIA Agadez Tamanrasset Gao Kano DirkouAïr Abidjan Tema zentrale und westliche Flüchtlings-Tuareggebiet Accra Ghat Sabha BengasiOuargla Lampedusa Sizilien Sardinien Sirte M i t t e l m e e r T é n é r é 500 km Niame Bamako Tripolis TunisAlgier Ouagadougou Lagos Conakry T u a r e g AQIM (al-Qaida) AQIM (al-Qaida) AQIM (al-Qaida) Ansar al-Scharia Islamischer Staat Islamischer Staat Boko Haram Boko Haram Ansarul Islam von militanten Gruppierungen MEHR ALS 330 000 MENSCHEN versuchten im Jahr 2016, über die Region Agadez nach Europa zu kommen – obwohl die Regierung von Niger Menschenschmuggel im Mai 2015 unter Strafe gestellt hatte. Daraufhin erhöhten sich vor allem die Preise für den Transport – und der Profit für die Schmug - gler. Die Logistik existiert seit Jahrhunderten: Einst zogen Kamelkarawanen durch die Wüste, um Gold und Sklaven nach Nordafrika zu bringen. Nun lässt sich auf dem Weg von Nigeria nach Libyen viel Geld mit Migranten verdienen. Bislang hat die EU den nigrischen Staat mit insgesamt 750 Millionen Euro unterstützt. Projekte für bessere Bildung und Infrastruktur sollen die Menschen zum Bleiben bewe - gen. Die Soldaten Nigers werden ebenfalls besser ausgebil - det – auch um das Land vor Terror zu schützen. Denn durch den Schmuggel gelangen Waffen zu Terrororganisationen wie al-Qaida und Boko Haram. Neben Perspektivlosig- keit sind die Islamisten für viele Menschen in der Region ein Grund für die Flucht nach Norden. Alessandra Röder Alte Routen, neue Handelsgüter Früher brachten die Karawanen Salz aus der Wüste nach Agadez; heutehaben sich etliche Nomaden auf den Schmuggel von Menschen und Waffen spezialisiert S A H A R A GEO-Grafik GEO 08 2017 45( W E I T E R A U F S E I T E 4 8 ) Eine schwer bewaffnete Militärpatrouille auf dem Weg ins Aïr. Auch viele Tuareg sind in der nigrischen Armee integriert. Sie gelten als loyal, auch im Kampf gegen Isla- misten. Was aber, wenn sich die Gewichte in einem Drohnenkrieg verschöben? GEO 08 201746 47 wenigen Monaten eine ansehnliche Flotte von Pick-ups aus dem Stadtzentrum gestartet. Vor den Augen aller, besonders der Polizisten und Zollbeamten, die vor dem Massenstart ihren Anteil kassierten. Bis 2016 waren jedes Jahr weit mehr als hunderttausend Westafrikaner – über - wiegend aus Nigeria, Ghana, Gambia und der Elfenbeinküste – über Agadez zum Mittelmeer gelangt. „Seit dem Verschwinden des Tourismus ha- ben wir Schleuser die Stadt ernährt!“, rief der frustrierte Transportunternehmer. Er rechnete mir seinen ehemaligen Gewinn im Dreisatz vor: 150 000 Francs CFA, also um- gerechnet 230 Euro pro Passagier. Bei 20 Migranten pro Wagen, multipliziert mit mindestens zwei Fahrten im Monat, machte das um die 10 000 Euro. „Und jetzt werden wir wie Verbrecher behandelt!“ Mehr als hundert seiner Kollegen säßen hinter Git - tern. Weil es nun dieses Gesetz gegen Schleuser gebe. „Und dahinter stecken die Ungläubigen!“ Das ist nicht zu bestreiten. Die ranghöchs - te kufr bei der Formulierung des Migrations- stopps ist Angela Merkel. Deutschland, so die Kanzlerin Anfang dieses Jahres auf einem EU- Gipfel in Malta, habe „mit dem, was wir in Agadez tun, sehr viel daran mitgearbeitet und arbeitet weiter daran mit, dass wir den Men- schen schon in Niger als Transitland wieder eine Perspektive geben und dort schon die illegale Migration bekämpfen“. Soll heißen: Die Europäische Union und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) geben Hunderte Mil - lionen Euro dafür aus, dass Niger seine Saharagrenzen dicht macht. „Migrationspartnerschaft“ heißt der Deal im EU-Jargon. Im Gegenzug verspricht Europa Finanz- und Wirt - schaftshilfe für Agadez und seine Region. Damit dort der Volkszorn nicht überkocht. Agadez wächst rasch; nicht einmal der Bürger- meister weiß, wie viele Bewohner heute in der Stadt leben. Neben den Tuareg, die hier sesshaft wurden, ziehen Menschen aus dem Migranten, die auf dem Weg nach Europa hängen bleiben GEO 08 201748 Aber wie lassen sich die fehlenden Einkünfte der Schleuser ersetzen? Eines Morgens stellte mir Rhissa Feltou seine neu gegründete Straßenfegerbrigade für ein sauberes Agadez vor. Finanziert wird sie von der EU, deren Sternenkranz auf Plakaten und Arbeitskitteln im Viertel um das Mi - narett leuchten. Der Bürgermeister erklärte, wo gefegt werden solle, wohin mit dem Dreck. Und an mich ge- wandt: „Das Ziel dieser Aktion ist es, Arbeitsplätze zu schaffen. Jeder Feger bekommt 2000 CFA pro Tag.“ Das sind umgerechnet drei Euro. Ob das ausreiche, um die Herzen der Stadt zu gewinnen? In Agadez, meinte der Bürgermeister, sei auch das „recht viel Geld“. Für einen armen Altstadtbewohner vielleicht. Aber bestimmt nicht für einen Tuareg mit Pick-up und einer Kalaschnikow auf dem Beifahrersitz. „Ich werde nicht mehr lange tatenlos hier herumsit - zen“, warnte der Besucher auf Rhissa Feltous Dach. Was er damit sagen wollte, blieb unserer Vorstel- lung überlassen. Die Alternativen zu seiner „Tatenlo- sigkeit“ sind hinreichend bekannt; im Wesentlichen gibt es vier: Der Schleuser kann weiter Menschen schmug- geln, nur mit höherem Risiko – nicht mehr von Agadez aus, sondern mit heimlicher Abfahrt am Wüstenrand. Kundschaft gibt es reichlich in den „Ghettos“, den Häusern für hängen gebliebene Migranten. Eine zweite Verdienstmöglichkeit für Ex- Schleuser sind Drogen- und Waffenschmuggel. Oder, drittens, die Goldsuche in der Ténéré- Wüste. Dort ähnelt Nigers Norden zunehmend dem Wilden Westen. Wer fündig wird, versucht oft, seine Nuggets nach Agadez zu schaffen, um sie dort zu verkaufen. Was zur vierten Alternative für den Targi auf Rhissa Feltous Dach führt: Überfälle auf Gold- sucher. Allgemeiner gefasst: die Jagd auf Beute jeglicher Art. Sehr begehrt sind zum Beispiel Ungläubige, die als Geiseln an al-Qaida verkauft werden. Der perfekte Arbeitsplatz für Banditen ist das Aïr- Gebirge. Potenzielle Opfer bewegen sich dort auf Pisten ohne Ausweichmöglichkeiten. Und perfekte Orte für Hinterhalte gibt es massenhaft. Deshalb sind wir nicht allein ins Aïr-Gebirge auf - gebrochen: Auf unserer Fahrt durch die basaltschwarze Hölle begleiten uns zwei Pick-ups, beide mit aufmon- tiertem Maschinengewehr und je acht Soldaten. O O H N E M I L I T Ä R S C H U T Z dürfen Ausländer Aga- dez nicht mehr in Richtung Wüste verlassen. Der erste Pick-up fährt vor uns, der zweite sichert die Nachhut. Wir wirbeln eine Menge Staub auf; im Geländewagen des Bürgermeisters reisen wir mit heruntergekurbelten Fensterscheiben, das Turbantuch zum Schutz um Kopf, Mund und Nase gewickelt. Unser erster Besuch gilt dem Grab von Mano Dayak, dem Kommandanten der Tuaregrebellion der 1990er Jahre. Die Grabstätte liegt in einer Einöde aus roter Stauberde und schwarzem Schotter, doch in Sichtweite des von grünen Bäumen gesäumten Wadi Tiden, eines 100 Kilometer langen Trockentals. In der Regenzeit zwi- schen Juni und September sammelt sich dort das von den Granit- und Basalthängen herabrinnende Wasser. So werden die Wadis für wenige Tage, manchmal auch nur für Stunden, zu Flüssen, an deren Ufern ein wenig Grün sprießt und Menschen sich ansiedeln. In dieser Welt natürlicher Knappheit, aber ohne materielles und kulturelles Elend, wurde Mano Dayak geboren: „ungefähr 1950“, präzise Geburtsregister gab es in der Kolonialzeit für Nomaden nicht. Bei meinem letzten Besuch vor mehr als zehn Jahren stand ich vor fünf gleich großen, mit Steinen der Um- gebung bedeckten Gräbern: für die fünf Insassen einer Cessna, die am 15. Dezember 1995 zu Füßen des Mont Bagzane gegen einen Felsen geprallt und ver- brannt war. Dayak war unter den Opfern. Wahrscheinlich war es ein Unfall. Doch die meisten Tuareg glauben noch immer an Sabotage. Inzwischen ist Dayaks Grab mit Marmor bedeckt. Freunde haben ihn aus Kogo, den „blauen Bergen“, herbeigeschafft. Einer jener Orte in der Ténéré, die Mano Dayak liebte. Dennoch ist dies kein tröstender Anblick für mich. Die Erinnerung schmerzt unvermin - dert stark. Ein Projekt, das Hoffnung mische werden von der EU dafür bezahlt, die Straßen von Agadez zu kehren. Die Frauen bekommen dafür umge rechnet drei Euro am Tag – das sei gutes Geld, findet Bürgermeister Rhissa Feltou beim Besuch der Brigade GEO 08 2017 49 Ich hatte für Mano Dayak seine Autobiografie „Tou- areg, la tragédie“ verfasst. Ich war dem Rebellenführer damals für eine Zeit in die Berge gefolgt, ohne dass mich die politische Agenda der Tuareg allzu sehr interes sierte. Aber ich sah in Mano Dayak einen Freund, dessen Leben als Nomade der Moderne mich faszinierte. Dayak beschäftigte stets die Frage, ob die Tuareg, denen die Kolonialherren keinen eige- nen Staat hinterlassen hatten, ein ähnliches Schicksal erleiden wie die Kurden: von allen betrogen, einschließlich von sich selbst. Vielleicht hätte die Geschichte Nigers ei - nen besseren Lauf genommen, wäre Mano Da- yak damals nicht umgekommen. Vielleicht aber sind die Mächte der Geschichte stärker als die Kraft von Einzelnen. Diese Frage muss sich auch Rhissa Feltou stellen, der ein Neffe von Mano Dayak ist: Kann ein Einzelner in die Weltläufe eingreifen? Kann ein Bürgermeister seine Stadt retten? N N A C H D E MB E S U C H A M G R A B bringt uns Rhissa Feltou zu einer Lagerstätte im Wadi Tiden, wo wir die Nacht verbringen. Erst scheint es dort, als sei im Leben der Tuareg noch alles beim Alten. Unser Gastgeber Ibrahim bietet uns Tee an, gießt ihn aus dem in Schulterhöhe gehalte- nen Kännchen zielgenau in das schmale Teeglas auf Hüfthöhe. Wenige Schritte entfernt steht Ibrahims ehan, das traditionelle Tuaregzelt. In der Kosmogonie der No- maden verkörpert es das Zentrum der Welt. Häuser? Die seien nur „Gräber von Lebenden“, sa- gen die Tuareg verächtlich. In weichem Sand ausgestreckt, blicken wir in den Himmel über der Sahara. Direkt über uns Orion; nagh, Karawanenführer, nennen ihn die Tuareg. Weil sich dieses Sternenbild in Winternächten über der Sa - linenoase Bilma erhebt. Dadurch weist Orion den aus dem Aïr aufbrechenden Karawanen den Weg zum Salz der Ténéré. Nichts in dieser Welt scheint sich seit meiner Zeit bei den Rebellen im Aïr verändert zu haben. Doch dann sehe ich die drei Lastkamele, die träge durchs Wadi stampfen. Sie zupfen mit den Zähnen Blätter von den Bäumen, deren Äste vom hohen Ufer über das trockene Flussbett ragen. „Meine Kamele“, sagt Ibrahim stolz. „Sind sie schon aus Bilma zurück?“, frage ich. „Nein, sie gehen nicht auf Karawane.“ Warum nicht? „Unsere Söhne wollen den langen Marsch durch die Wüste nicht mehr auf sich nehmen.“ Zu viele Strapazen und Entbehrungen für ein biss - chen Salz und Hirse! Die Jugend wolle lieber schnelles Geld mit Pick-ups verdienen. Ibrahim erzählt wie einer aus altem Schrot und Korn. Dabei dürfte auch er kaum älter als 40 Jahre sein. „Wir führen heute ein anderes Leben“, räumt er ein. „Nicht mehr wie echte Nomaden. Zum Einkau - fen fahren wir nach Agadez.“ Nun erkenne ich am Fuß der Bäume auch seinen geparkten Pick-up. Und daneben das Haus aus banco. Auf dem Dach eine Parabol- antenne. Drinnen der Fernseher, vor dem um diese Zeit die Kinder hocken. Ein „Grab für Lebende“, die keine Noma- den mehr sind. In dieser Nacht aber wolle er wie ein Nomade schlafen, verkündet Ibrahim, und ver- abschiedet sich ins ehan. Und Rhissa Feltou beginnt mit leiser Stimme, unangenehme Zu - sammenhänge zu erklären. Dass nämlich Ibrahim zur Generation der ishomar gehöre. Der Ausdruck stammt von den Vätern, den alten Nomaden. Abgeleitet ist er von chômeur, französisch für Arbeitsloser. Er war abfällig gemeint und sollte bedeuten, dass ihre Söhne, die vor den Dürren der 1970er und 1980er Jahre nach Libyen geflohen waren, bei ihrer Rück- kehr nach Niger und Mali für keine nützliche Arbeit mehr zu gebrauchen waren. Nur noch zum Umgang mit Kalaschnikow und Panzerfaust. Gaddafi hatte die Jungen mit offenen Armen emp - fangen und sie in seine Islamische Legion gesteckt. Die jungen Tuareg hatten als Kanonenfutter für Libyens militärische Abenteuer im Tschad, ja sogar als Leihgabe an die Palästinensische Befreiungsorganisation im Liba- non herhalten müssen. In ihre Heimat kehrten sie mit dem Plan zurück, im Norden Malis und Nigers einen Tuaregstaat aus dem Sand zu stampfen. Ihnen diesen Unsinn auszureden, hatte Mano Dayak Schätze von Geduld gekostet: Zum einen war das Land der Tuareg nur eine öllose Wüste. Und zum anderen besaßen die Bewohner dieser Wüste keinerlei Kenntnisse und Geschicke, die zur Organisa- tion eines Staates notwendig gewesen wären. Nach dem Tod ihres Anführers konnten die ishomar immerhin noch von dem Friedensvertrag profitieren, den Dayak mit dem Staate Niger ausgehandelt hatte. Hun - derte ließen sich in Armee, Gendarmerie und Zoll in - tegrieren. Andere hingegen wurden zu Glücksrittern. Wie jene, die 2007 eine „zweite Tuaregrebellion“ anzet- telten, die im Sande verlief. „Und jetzt haben wir es mit der nächsten Generation zu tun“, schließt Rhissa Feltou. „Mit den Kindern der ishomar. Sie sind noch gefährlicher als ihre Väter. Weil sie nicht mehr wissen, was asheq bedeutet – selbst wenn sie dieses Wort ständig im Munde führen!“ Die jungen Nomaden scheuen die Mühen der Wüste GEO 08 201750 Asheq ist der Schlüssel zum Verständnis der Tuareg- kultur. Es bedeutet die Summe aller ethischen Werte, die das Verhalten eines Targi bestimmen sollten. Sein Sym- bol ist der tagelmust, der traditionelle Turban, den ein Nomade und Krieger ab seinem 15. Lebensjahr trägt. Asheq fordert von den Tuareg Mut und Tapferkeit im Kampf, vor allem aber gebietet er, Schwächere zu schüt- zen. Nichts gilt den Nomaden als so unverzeihlich wie Gewalt gegenüber Frauen und Kindern. Davon jedoch sind die Söhne der ishomar weiter entfernt als Orion vom Wadi Tiden. Viele haben sich Terroristen angeschlossen, etwa der Dschihadistentrup- pe Ansar Dine, die monatelang Timbuktu beherrscht hatte. Als französische Truppen die Stadt 2013 befreiten, hörte man zahllose Geschichten über junge Tuareg, die schwarze Frauen vergewaltigt hatten. Ich frage Rhissa Feltou, was genau er im Aïr-Ge- birge suche. Er suche eine Antwort auf die Frage, ob es Dschihadisten gelingen kann, die Heimat der Tuareg zu infiltrieren, die Welt von ehemaligen Nomaden, die nun in Häusern leben und Fern - sehen schauen. „Dass sie es versuchen, daran besteht kein Zweifel“, sagt Feltou. Gelingt ihr Vorhaben, wird die Lage in Agadez zum Albtraum. „Wer das Aïr beherrscht“, weiß Feltou, „kon- trolliert Nigers Norden.“ A A M M O R G E N unserer Abreise aus dem Ge- birge promenieren Ibrahims Kamele noch immer zwi- schen den ehan-Zelten. Zwei Mädchen hüten Ziegen, kleine Kinder spielen im Sand. Rhissa Feltou ruft die Männer aus unserer Wadi-Nachbarschaft zusammen. Einer bringt sein Teekännchen und glühende Holzkohle mit. Wir setzen uns auf den Boden, die Runde diskutiert auf tamasheq, der Sprache der Tuareg. „Sie sagen, Islam sei das Gegenteil von Islamismus“, resümiert Feltou für mich auf Französisch: weil Reli- gion nicht zu Krieg anstiften dürfe, sondern stets dem Frieden dienen müsse. Ab und zu würden ihre Vettern aus Mali zu Besuch kommen. Aber wenn diese vom „neuen Islam“ erzählten, würden die Männer im Wadi nur aus Höflichkeit zuhören. „Nicht einer von denen ist bereit, sich den Islamisten anzuschließen“, betont der erleichterte Bürgermeister. Einer der Tuareg aus unserer Militäreskorte sagt, er kenne mich von früher. Mohamed Almahadi war Frei- heitskämpfer; seit er als Soldat in Nigers Armee dient, wurde sein mickeriger Sold nie erhöht. Er ist ein ruhiger Mann von 43 Jahren, der nur redet, wenn er etwas zu sagen hat. „Du musst etwas Wichtiges wissen“, kündigt er an. „Die in die Armee integrierten Rebellen sind absolut loyal. Gibt es einen Angriff isla- mistischer Tuareg aus Mali, kämpfen wir gegen sie. Und für Niger.“ Aber wer weiß schon, was die Zukunft bringt? Schon die Gegenwart ist kompliziert. Was, wenn ein Kamikazebomber den neuen Drohnenstützpunkt der Amerikaner angreift? Und dabei den Verdacht entstehen lässt, Sym- pathisanten und Helfer in der Bevölkerung zu haben? Wenn die Soldaten in Agadez dann ähnlich wie in Bagdad oder Kabul reagieren, dann sind „Kollateralschäden“ unter Tuaregzivilisten kaum zu ver- meiden. Mohamed Almahadi wischt sich mit dem Zipfel seines grünen Armeeturbans den Schweiß von der Stirn. „Dann“, sagt er nachdenklich, „würde auch für uns hier wieder alles anders aussehen.“ Dann könnte die Region zum Schauplatz eines end - losen Konfliktes werden, in dem die Nomaden erneut aufgerieben werden könnten. Eine neue Rebellion wäre der Albtraum des Bürgermeisters von Agadez. „Wir wollen immer nur das Beste für unser Agadez“, beschwört Rhissa Feltou. „Wir haben doch nur diese eine Stadt.“ Rhissa Feltou besucht seinen 90-jährigen Vater Feltou Mohamed Dayak im Wadi Tiden nördlich von Agadez. Der Sohn studierte Jurain Straßburg; doch in Frankreich hielt es ihn nicht: Seine Verbunden - heit mit dem Lebensstil der Tuareg brachte ihn zurück nach Agadez MICHAEL STÜHRENBERG zehnten für GEO als Reporter um die Welt, ist vor allem in Afrika und Lateinamerika unterwegs. Was er und der nicht minder weit gereiste Fotograf CHRISTOPHER PILLITZ auf ihrer Recherche in Agadez erlebten, lesen Sie auf Seite 6 in der Rubrik „Unterwegs“. GEO 08 2017 51 LOB DER TORHEIT Wahnwitzige Konstruktionen, absurde Kletterübungen, riskantes Werkeln – im Internet, aber nicht nur dort, zeigt sich der Mensch als unbedachtes Wesen: Auch die Klügsten lassen sich zu Eseleien hinreißen. Das endet oft böse. Und doch hat die Evolution die Unvernunft nicht ausgerottet. Bietet sie womöglich Vorteile? Ist es manchmal weise, töricht zu handeln? P S Y C H O L O G I E GEO 08 201752 GEO 08 2017 53 V O R E I N I G E N J A H R E N mens Larry Walters 42 heliumgefüllte Wetterballons an einen Gartenstuhl. Er setzte sich hinein und kapp te das Tau, das den Stuhl am Boden hielt. Dann stieg er in den Himmel auf. Die Berichte darüber, was danach passierte, wi dersprechen sich in Details. Doch grob muss Folgen des geschehen sein: Der 33 jährige Walters hatte für seine Exkursion Sandwiches, einige Flaschen Bier und ein Luftgewehr eingepackt. Mit der Waffe woll te er die Heliumballons einen nach dem anderen abschießen, um so sachte zu landen. Dummerweise ließ er das Gewehr während des Flugs fallen. Piloten, die am nahe gelegenen Los Angeles International Airport starteten, sahen den Gartenstuhlflieger hilflos rund vier Kilometer hoch am Himmel schweben und alarmierten die Polizei. Die fand Walters schließlich nahe dem Boden, verheddert in einer Hochspan nungsleitung. Die gute Nachricht: Walters war unverletzt. Die schlechte: Er wurde verhaftet. Eine rundherum idiotische Aktion also. Nur: Walters sah das völlig anders. Er fand das Unterfan gen sinnvoll, ja offenbar nötig. Gefragt, was er sich um Himmels willen bei der Sache gedacht habe, hatte V Text: UTE EBERLE Der Mensch neigt zur »mentalen Abkürzung«. Und wenn er eine Aktion nicht gründlich durch- denkt, gelangt er auf Abwege GEO 08 201754 er angeblich geantwortet: „Ein Mann kann nicht ein fach nur herumsitzen.“ Eine bemerkenswerte Weltsicht, man könnte auch sagen, ein erschreckender Realitätsverlust, vor allem aber eine Anschauung, mit der Larry Walters nicht allein ist auf der Welt. Von den vielen, die sich zu ähnlichen Torheiten hinreißen lassen, haben indes nicht alle so viel Glück wie er. Der Anführer einer christlichen Sekte etwa übte in der Badewanne, wie Jesus auf dem Wasser zu ge hen. Er starb, als er auf einem Stück Seife ausrutschte. win Award“, der alljährlich Aktionen kürt, bei denen sich Menschen auf besonders dämliche Weise selbst ums Leben bringen. Ein anderer Preisträger, ein 28 jähriger Lastwa genfahrer, wollte demonstrieren, dass sein „Spion Kugelschreiber“ in Wirklichkeit eine funktionsfähige Pistole war. Er hielt sie sich an den Kopf und drückte ab. Und er hatte recht: Die Waffe funktionierte. I S T E S N I C H T E R S T A U N L I C H ? Nach Jahr hunderttausenden der Evolution benimmt sich der Mensch noch immer regelmäßig töricht. Wieso sind Erbanlagen, die Dummheiten begünstigen, nicht aus gemerzt worden? Wo doch ihre Träger sich hartnäckig selbst aus dem Genpool katapultieren. Unvernunft schadet, aber sie ist offenbar nicht auszurotten. Übersehen wir also vielleicht etwas? Hat Torheit versteckte gute Seiten? Ist es möglicherweise manchmal klug, dumm zu handeln? Lange haben Wissenschaftler das untere Ende der mentalen Leistungsskala gemieden. Sie richteten ihr Augenmerk lieber auf das obere Ende, auf Ursa chen und Folgen eines hohen Intelligenzquotienten (IQ). So zeigten Studien etwa, dass Menschen mit einem höheren IQ im Durchschnitt älter werden, ge sünder bleiben und besser verdienen. Aber es gibt auch Hinweise, dass die Fähigkeit zu abstraktem, rationalem Denken – und das misst der IQ am ehesten – nicht immer mit vernünftigem Handeln einhergeht. Zum Beispiel verdienen sehr kluge Menschen zwar mehr, überziehen aber ihre Kreditkarte öfter und geraten häufiger mit den Zah lungen in Verzug als normal intelligente. Und obwohl sie insgesamt gesünder sind, rauchen Menschen weit oben in der IQ Skala eher, betrinken sich häufiger oder greifen öfter zu Drogen. Und manchmal sterben sie früher. Forscher in Edinburgh fanden dies heraus, als sie die IQ Tests von schottischen Soldaten auswerteten, die in den Zweiten Weltkrieg gezogen waren. Jene, die fielen, hatten im Mittel einen höheren Wert erzielt als jene, die überlebten. Niemand weiß, warum das so ist. Fast könnte man sagen: Intelligente Menschen sind schlauer, stellen sich allerdings oft dümmer an. Aber was meinen wir eigentlich, wenn wir sagen, dass jemand „dumm“ handelt? Törichtes Verhalten präzise zu definieren, fällt schwer. Agiert je mand kurzsichtig und bedenkt nicht die langfristigen Folgen seines Tuns? Geht er zu viele – oder vielleicht zu wenige – Risiken ein? Steckt eine Art mentale Blockade dahinter? E H E R S A R K A S T I S C H E A B H A N D L U N G E N wie die des italienischen Wirtschaftshistorikers Carlo Cipolla halfen bei der Beantwortung dieser Fragen nicht weiter. Cipolla formulierte fünf „Grundlegende Gesetze zur menschlichen Dummheit“. Gesetz Nummer eins: „Jeder unterschätzt immer und unvermeidlich die Zahl der dummen Menschen, die in Umlauf sind.“ Und entsprechend dem fünften Gesetz ist „eine törichte Person gefährlicher als ein Bandit“. Ernsthaftere Untersuchungen stellten Forscher erst in jüngerer Zeit an. Der Psychologe Balazs Aczel von der Eötvös Loránd pest etwa versuchte zunächst einmal herauszufinden, was wir unter Torheit überhaupt verstehen. In seiner Studie mit dem Titel „Was ist dumm?“ ließ Was ist das eigentlich – Dummheit? Sie auf einen Begriff zu bringen, fällt uns schwer. Trotzdem erkennen wir törichtes Handeln auf den allerersten Blick »Es gibt allemal einen Narren mehr, als jeder glaubt« G E O R G C H R I S T O P H L I C H T E N B E R G ( 1 7 4 2 – 1 7 9 9 ) GEO 08 2017 55 er Testpersonen anhand von 180 Anekdoten beurtei- len, ob sich die Protagonisten idiotisch benommen hätten, und fragte nach den psychologischen Faktoren, die dahintersteckten. Dabei stellte er fest, dass die Urteile überraschend einstimmig ausfielen. Es mag Menschen also schwer- fallen, Dummheit zu definieren. Aber sie erkennen sie ohne Weiteres. Aus den Antworten seiner Probanden las Aczel drei Kategorien an Dummheit heraus. Und nur bei der ersten war der entscheidende Faktor, dass die Be- treffenden einen klassischen Denkfehler gemacht hat- ten, ihnen also etwa ein mentaler Flüchtigkeitsfehler unterlaufen war oder sie einen veritablen geistigen Aussetzer erlebt hatten. So etwas kann katastrophal enden. Vor einigen Jahren gewann den Darwin Award ein Bungee-Sprin- ger, der sein Seil sorgfältig auf die Höhe der Brücke zuschnitt, von der er springen wollte, dabei aber ver- gaß, dass das Band elastisch war. Er starb, als er auf dem Boden aufprallte. Diese erste Kategorie Aczels überschneidet sich mit einem Phänomen, auf das auch andere Forscher gestoßen sind: Fehlurteile und irrationales Handeln gehen oft darauf zurück, dass Menschen ihre vorhan- dene Intelligenz nicht optimal einsetzen. Sie neigen dazu, „geistige Abkürzungen“ zu nehmen. Statt eine Sache gründlich zu durchdenken, wischen sie mental oberflächlich darüber hinweg, lassen sich vom Kontext beeinflussen und gelangen so zu falschen Schlussfol- gerungen. F R A G T M A N Ä R Z T E , was sie von einer Behandlungsmethode gegen eine tödliche Krankheit halten, die 200 von 600 Betroffenen das Leben
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